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Flugshow auf der Krim im Juni. Deren Annexion ist einer der Hauptgründe für den aktuellen Konflikt.

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Premierminister Medwedew vor dem Europarat, Oktober 2018.

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Es war ein emotionaler Tag in Straßburg: Neun Stunden lang debattierten die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Pace) über die Änderung der Geschäftsordnung. Am Ende stimmten 118 Abgeordnete für die Änderung, die vorsieht, dass Sanktionen gegen Mitgliedsländer künftig nur noch in Absprache mit dem Ministerkomitee – bestehend aus den Außenministern der 47 Mitgliedsstaaten – getroffen werden können. 62 Parlamentarier stimmten dagegen, bei zehn Enthaltungen. Die Ukraine setzte ihre Mitarbeit in dem Gremium umgehend aus.

Damit ist der Weg frei für die Rückkehr der russischen Delegation in den Europarat. Diese hatte den Rat vor vier Jahren verlassen aus Protest gegen den Entzug des Stimmrechts im Gremium nach der Krim-Annexion. Die jetzige Entscheidung hatte sich in den vergangenen Monaten angedeutet und wird in Moskau entsprechend gefeiert. Die konservativ-nationalistische Internetzeitung "Wsgljad" titelte daher: "Russland kehrt als Sieger in die Pace zurück".

"Gesunde Mehrheit hat gesiegt"

Auch die russischen Spitzenpolitiker sehen sich nun in ihrem Handeln bestätigt. Duma-Chef Wladimir Wolodin erklärte, dass Russland unmittelbar nach Aufhebung der Sanktionen einen neuen Antrag auf Teilnahme an der Arbeit der Parlamentarischen Versammlung gestellt habe. Der "orthodoxe Teil" dort habe alles versucht, um die Resolution zu blockieren, doch "die gesunde Mehrheit" habe gesiegt, fügte Wolodin hinzu.

In die gleiche Kerbe schlug der Duma-Vizechef Pjotr Tolstoj, der in Straßburg die russische Delegation anführte. "Es ist angenehm festzuhalten, dass die vernünftige Mehrheit der Pace-Abgeordneten der russophoben Minderheit widerstehen konnte", diese Mehrheit habe es daher auch abgelehnt, "über die unprofessionellen und politisierten Ermittlungen der MH17-Katastrophe und die 'Erpressung' des Europarats vonseiten Russlands durch Nichtbezahlung der Mitgliedsbeiträge" zu debattieren, freute sich Tolstoj.

"Europäische Großmacht"

Die Sanktionen gegen Russland bewertete er als "unbegründet und sinnlos". Die Europäer hätten dadurch vier Jahre verloren. "Aber wie sich zeigt, kann die älteste und hochgeachtete Organisation – der Europarat – nicht arbeiten, ohne die Meinung der größten europäischen Großmacht zu beachten. Ohne auf die Stimme Russlands zu hören, ist es nicht möglich, die gemeinsame Zukunft Europas zu planen", meinte Tolstoj.

Noch schärfer reagierte Tolstojs Vorgänger als Delegationschef, der Senator Alexej Puschkow. Der sah in dem Entgegenkommen der Parlamentarier gegenüber Russland durchaus kein Zeichen des gesunden Menschenverstands und der Dialogbereitschaft. "Um den gesunden Menschenverstand war es in der Pace nie gut bestellt", urteilte er. Stattdessen hätten die Abgeordneten so gestimmt, weil sie klare Vorgaben von ihren Regierungen bekommen hätten und gierig auf die russische Finanzierung gewesen seien.

Finanzierung wurde eingestellt

Russland hatte nach dem befristeten Ausstieg auch die Finanzierung des Europarats eingestellt und mit einem endgültigen Austritt aus dem Gremium gedroht. Ohne die russischen Mitgliedsbeiträge sei der Europarat ohnehin auf Dauer nicht finanzierbar, erklärten die Staatsmedien dabei. Die Aussagen Puschkows demonstrieren, dass sich Moskau nun in seinem Vorgehen bestätigt fühlt.

Die Spannungen innerhalb der Parlamentarischen Versammlung dürften in den nächsten Wochen und Monaten zunehmen. Konfrontationen zwischen der russischen Delegation und den Abgeordneten anderer postsowjetischer Staaten wie Georgien und das Baltikum sind unausweichlich.

Tiflis und Moskau haben sich gerade in einen neuen bizarren Streit verwickelt, der sich inzwischen zu einem vom Kreml verhängten Flugverbot nach Georgien ausgeweitet hat. Da kommt die Rückkehr Russlands in den Europarat womöglich zur rechten Zeit. Immerhin versteht sich das Gremium nicht nur als Ort der Debatten, sondern letztendlich auch des Dialogs. (André Ballin aus Moskau, 25.6.2019)