Im Gastkommentar erläutert der ehemalige Diplomat und Kreisky-Sekretär Thomas Nowotny, warum die Wirkungsmöglichkeiten des Nicht-Nato-Mitglieds Österreich beschränkt sind und Überschallabfangjäger bestenfalls eine Beschäftigungstherapie sind. Eine Replik dazu gibt es von Martin Rosenkranz. In einem weiteren Gastbeitrag kommentiert Friedhelm Frischenschlager die Performance des neuen Verteidigungsministers.

Zum Zweck der Luftraumüberwachung betreibt Österreich zurzeit eine Flotte von 15 Eurofighter-Überschall-Jagdflugzeugen Type Typhoon sowie eine Flotte von zwölf Saab-105-(Unterschall-)Flugzeugen. Die Überschallflieger sind nur unvollständig ausgerüstet. Feindlichen Kampfflugzeugen sind sie unterlegen, weil es ihnen etwa an Allwetterlenkwaffen oder Einrichtungen zur Erkennung von Flugzeugen in der Nacht oder bei schlechter Sicht mangelt. Die Saab 105 werden 2020 am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sein.

Wie soll es nun weitergehen? Sowohl der frühere Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) wie auch sein Nachfolger Mario Kunasek (FPÖ) haben jeweils eine Expertenkommission beauftragt, dazu Entscheidungsgrundlagen zu schaffen. Die Empfehlungen der beiden Kommissionen sind deckungsgleich.

Überschall-Abfangjäger würden zum Schutz des österreichischen Luftraums keinen Beitrag leisten.
APA/HARALD SCHNEIDER

Drei Optionen

Es gäbe drei Optionen: die Nachrüstung der Eurofighter erster Tranche (eine Option, die Doskozil dann verworfen hat); die Anschaffung des schwedischen Überschalljägers Gripen; den Ankauf des amerikanischen Überschalljägers F-16.

Daneben wäre überdies darüber zu entscheiden, ob neben den Überschallflugzeugen auch weiter langsamere Unterschallflugzeuge betrieben werden sollen.

... kostspielig

Jede dieser Optionen ist überaus kostspielig. Die Nachrüstung der Eurofighter könnte sich mit circa einer Milliarde Euro zu Buche schlagen (bei jährlichen Betriebskosten von ca. 100 Millionen Euro). Für die "Anschubfinanzierung" beim Kauf entweder des Gripen oder der F-16 müssten etwa zwei Milliarden Euro bezahlt werden.

Man muss diese Summen dem Budget gegenüberstellen, das jährlich für die gesamte Landesverteidigung zur Verfügung steht, nämlich 2,2 Milliarden Euro. Das sind 0,58 Prozent des österreichischen Bruttonationalprodukts, und das liegt weit unter dem in der Europäischen Union vereinbarten Ziel von Aufwendungen in der Höhe von zwei Prozent des jeweiligen Nationalprodukts.

... und mit welchem Nutzen?

Aber was wäre im Gegenwert zu solchen Aufwendungen und unter den jetzigen Gegebenheiten der konkrete militärische und sicherheitspolitische Nutzen von Überschallabfangjägern? Was soll mit ihnen erwirkt werden?

Anschaulich dargestellt wurde das aus Anlass des informellen EU-Gipfeltreffens in Salzburg im Sommer 2018. Die Abfangjäger sicherten die Luftsperrzone über dem Tagungsort. Sie taten das sozusagen und wörtlich auf "höchster Ebene", in den obersten Flugzonen. Tiefer unten besorgten das die Saab 105; und noch weiter unten Militärhubschrauber.

Allein: Der Einsatz von Überschallabfangjägern zum Luftraumschutz über internationalen Tagungsorten ist sicherheitspolitisch sinnlos. Er ist eine bloße Beschäftigungstherapie einer extrem kostspieligen Waffengattung.

Eine Beschäftigungstherapie

Aber könnte man nicht argumentieren, dass eine solche Beschäftigungstherapie dennoch sinnvoll ist? Unter den jetzigen sicherheitspolitischen Bedingungen ist sie das nicht. Aber diese Bedingungen könnten sich ändern. Bis vor kurzem war man überzeugt, dass Staaten auf dem europäischen Kontinent keinen großen Landkrieg gegeneinander führen wollen.

Militärs nicht bloß der USA und der Nato, sondern auch die österreichischen Militärs sind allerdings dabei, diese Annahme zu revidieren. Gemäß ihrer neuen Sicherheitsstrategie rüsten die USA zurzeit für einen tatsächlichen Krieg gegen China und Russland. Großmanöver der Nato wie auch Russlands simulieren einen dem Zweiten Weltkrieg ähnlichen Großkrieg auf europäischem Territorium. Österreichische Militärs ziehen offenbar nach.

Landesverteidigung wieder in

In der im Jahr 2013 vom Nationalrat beschlossenen österreichischen Sicherheitsstrategie hat man noch angenommen, dass "konventionelle Angriffe auf Österreich auf absehbare Zeit unwahrscheinlich geworden sind". Folgt man der Meinung des neuen österreichischen Generalstabschefs Generalmajor Robert Brieger, dann wäre diese Sicht der Dinge nicht länger zutreffend, denn Brieger will nunmehr "die Kernaufgabe des österreichischen Bundesheeres – die militärische Landesverteidigung – wieder in den Vordergrund rücken".

Nehmen wir an, dass sich der Jahrhunderttrend zu immer selteneren zwischenstaatlichen Kriegen nunmehr umkehrt, also das höchst Unwahrscheinliche dennoch geschieht, und dass es in Europa und damit auch auf österreichischem Staatsgebiet zu einem großen Krieg kommt. Hätten Überschallabfangjäger aus diesem Anlass eine sinnvolle Aufgabe? Und wäre es demnach zweckmäßig, diese kostspielige Waffengattung bis dahin mit bloßer Beschäftigungstherapie einsatzbereit zu halten? Könnte sie bei einem solchen Anlass, so wie vom früheren FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek in seinem Auftrag an die Expertenkommission gefordert, "hundert Prozent des österreichischen Luftraums" wirksam schützen?

Kaum Wirkungsmöglichkeiten

Sie könnte das dann nicht, wenn gegen diese Abfangjäger vom Typ Eurofighter, Gripen oder F-16 überlegene Waffen zum Einsatz kämen, die schon jetzt verfügbar sind. Das sind Abfangjäger vom Typ F-35; das sind Abfangjäger, die mit Over-horizon-Lenkwaffen ausgestattet wären; das sind sogenannte Tarnkappen-Überschallflugzeuge, die mit Radar nicht ausgemacht werden können; das sind die in Bodennähe fliegenden Marschflugkörper; und das sind die in sehr großer Höhe fliegenden, ferngesteuerten Drohnen, wie sie von den USA in Krisengebieten sehr wirksam verwendet werden.

In einem "großen Krieg" kann der österreichische Luftraum jedenfalls nur teilweise geschützt werden. Und Überschallabfangjäger leisten dazu keinen Beitrag. Die sinnvollste Art der Verteidigung gegen einen in Zukunft möglichen europäischen Krieg sind Anstrengungen, ihn zu vermeiden und Entwicklungen einzubremsen, die zu ihm hinführen könnten. Die Wirkungsmöglichkeiten des Nicht-Nato-Mitglieds Österreich sind beschränkt. Aber immerhin könnte man an Traditionen anknüpfen, als Neutralität in einer Ära des einstigen Ost-West-Konflikts noch sinnvoll war.

Kampfjets haben in all dem keine militärische und sicherheitspolitische Funktion. Ihre Anschaffung und ihr Betrieb gehen zulasten von Investitionen, die unumgänglich sind, will man vermeiden, dass das Heer, so wie es der Bundespräsident im Tagesbefehl vom 22. Dezember 2018 befürchtete, einfach nicht länger einsatzbereit und einsatzfähig ist. (Thomas Nowotny, 2.7.2019)