Nach zehn Jahren im Koma wird Vincent Lambert bald sterben.

Foto: APA/AFP/Courtesy of the Lambert

Paris – Der Kampf um Vincent Lamberts Leben dauerte über zehn Jahre. Der heute 43-jährige Ex-Psychiatriepfleger hatte 2008 bei einem Motorradunfall schwerste Schäden an Körper und Gehirn erlitten. Seither befindet er sich bei "minimalem Bewusstsein" in einem Krankenbett in Reims, mehr oder weniger reduziert auf sein vegetatives System.

Chancen auf eine Besserung räumte ihm das Ärztekollektiv nicht ein, und seine Gattin sowie ein Neffe wollten die lebenserhaltenden Geräte abschalten. Sie erklärten, Lambert habe dies vor seinem Unfall stets gewünscht. Seine Eltern kämpften aber vor Gericht für sein Weiterleben. Am Montag räumten die beiden praktizierenden Katholiken indessen ein, sie hätten sämtliche Rekursmöglichkeiten ausgeschöpft und gäben den juristischen Kampf auf.

Lambert wird damit in den nächsten Tagen sterben. Die lebensverlängernden Maßnahmen im Spital in Reims sind nach einem letztinstanzlichen Urteil schon vor einer Woche eingestellt worden. Lamberts Gesundheitszustand hat sich verschlechtert; nach Arztangaben soll er aber keine Schmerzen spüren.

Resignierte Eltern, verbitterte Minderheit

Der Fall Lambert bewegt die Franzosen zutiefst. Im Mai hatten die Ärzte die Pflegegeräte bereits einmal abgestellt, doch erreichten die Eltern im letzten Moment die Wiedereinschaltung. In einem verzweifelten Versuch gelangten sie an eine Uno-Kommission. Diese sprach sich für Lamberts Weiterleben aus, doch ist umstritten, ob dieser Entscheid für Frankreich rechtsverbindlich ist. Präsident Emmanuel Macron sagte, er akzeptiere den Entscheid der Gerichte und der Ärzte.

Lamberts resignierte Eltern sprachen am Montag von einem "getarnten Mord". Diese harten Worte zeugen nicht nur von der Verbitterung einer starken Minderheit von Franzosen, die laut Umfragen für Lamberts Weiterleben gewesen waren. Sie offenbaren auch einen sehr politischen Frontverlauf. Der Rechtspolitiker Philippe de Villiers meinte am Montag, Lamberts Todestag werde als Tag der Einführung der Sterbehilfe in die Geschichtsbücher eingehen.

Einige Katholiken versammelten sich am Montag bei der Sacré-Cœur-Basilika in Paris, um für Lambert zu beten. Erzbischof Michel Aupetit äußerte die Befürchtung, dass in Sachen Euthanasie eine faktische Zweiklassengesellschaft im Entstehen sei, da sich nur wohlhabende Kreise die lebensverlängernden Maßnahmen leisten könnten. Er verglich Lambert mit dem Fall des beim Skifahren verunglückten Autorennfahrers Michael Schumacher. Papst Franziskus sprach sich auf Twitter seinerseits gegen eine "Wegwerfkultur" in menschlichten Belangen aus. (Stefan Brändle, 9.7.2019)