Die Beschlagnahme der Grace 1 am 4. Juli durch die Behörden von Gibraltar wird medial meist einfach mit "EU-Sanktionen" gegen Syrien erklärt. Doch es geht um eine Anlassverordnung.

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Gibraltar hat am Freitag die Anhaltung des iranischen Öltankers Grace 1 bis Mitte August verlängert: Nur Stunden später schnappten sich die Iraner im Golf von Oman ihrerseits ein britisches Schiff. Zwar wurden dafür zuerst abenteuerlich anmutende Ad-hoc-Gründe angegeben, aber der Konnex mit Gibraltar wird andererseits gar nicht abgestritten.

Die Beschlagnahme der Grace 1 am 4. Juli durch die Behörden von Gibraltar – das britisches Territorium ist – wird medial meist einfach mit "EU-Sanktionen" gegen Syrien, wohin die Grace 1 fahren sollte, erklärt. Das hat Verwirrung gestiftet. Denn in der Tat scheint in den entsprechenden EU-Verordnungen von 2012, die zuletzt 2019 aktualisiert wurden, kein Importverbot von Erdöl für Syrien auf: Nur der Export syrischen Öls aus vom Regime kontrollierten Gebieten steht unter Embargo.

Umstrittener Adressat

Als Rechtsgrundlage für die Anhaltung der Grace 1 diente jedoch eine Anlassverordnung des Gouverneurs von Gibraltar: Die Fracht der Grace 1 sollte demnach an die Banias Refinery Company gehen, die auf der EU-Sanktionsliste aufscheint. Damit wäre die Lieferung, die durch britische Hoheitsgewässer ging, nicht zulässig. Spanien, dessen Gewässer zuvor betroffen waren, hatte hingegen nichts unternommen. Zur Grace 1 äußert sich Madrid auch deshalb kaum, weil es ja den Anspruch Großbritanniens auf die Gewässer vor Gibraltar nicht anerkennt.

Interessant ist, dass laut "The Syria Report" Gibraltar nur einen Tag zuvor, am 3. Juli, seine eigenen einschlägigen Verordnungen abgeändert hatte, die ihm am 4. Juli erlaubten, die Grace 1 zu stoppen: Demnach können Schiffe beschlagnahmt werden, die EU-Sanktionen brechen.

Es gibt jedoch Spekulationen, dass die Behörden in Gibraltar auf Druck der USA handelten und London selbst quasi überrumpelt wurde. Auch wenn die Begründung eine auf EU-Recht basierende ist, könnte die Entscheidung von den USA beeinflusst worden sein. Die USA drohen Ländern, die in die Versorgung Syriens mit Erdöl eingebunden sind, mit Sanktionen. Das gilt auch für die finanzielle und logistische Abwicklung oder Versicherungsangelegenheiten.

Panama entzieht Registrierung

Panama, unter dessen Flagge die Grace 1 fuhr, scheint jedenfalls der Argumentation Gibraltars zu folgen – oder ebenfalls dem Druck der USA. Die Panama Maritime Authority entzog dem Schiff schon Ende Juni die Registrierung und begründete das mit dem Verdacht, dass die Grace 1 mit "Terrorismusfinanzierung" zu tun hatte.

Dennoch waren die Lieferungen von Öl an Syrien in den vergangenen Monaten im Steigen begriffen, meldet "The Syria Report", der sich dabei auf "Tanker Trackers" bezieht. Dass der Iran und Russland Syrien mit Öl versorgen, ist allgemein bekannt. Die meisten Lieferungen gingen bisher durch den Suezkanal. Anfang Juli wurde gemeldet, dass die ägyptischen Behörden einen ukrainischen Öltanker mit iranischem Öl für Syrien am Passieren des Kanals gehindert hätten. Das wurde später von der Suezkanal-Administration dementiert.

Die Grace 1 fuhr deshalb über die viel längere Gibraltar-Route, weil sie zu schwer für den Suezkanal war. Sie ist ein sogenannter VLCC, Very Large Crude Carrier, der vollbeladen – was die Grace 1 ist – zwei Millionen Barrel (318 Millionen Liter) Öl transportieren kann. (Gudrun Harrer, 21.7.2019)