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Demo am Sonntag in Bukarest: Auf dem Bild sind im Vordergrund zwei Frauen zu sehen. Auf den Klebebändern, mit denen ihre Münder zugeklebt sind, steht: "Glaubt uns."

Foto: AP / Vadim Ghirda

Sie zünden Kerzen an, sie legen Blumen auf den Platz, sie fordern eine professionellere Arbeit der Polizei und ein Ende der Korruption in den Behörden. Die engagierte Zivilgesellschaft ist in Bukarest seit dem Wochenende wieder auf den Beinen. Diesmal geht es um Behördenversagen im Fall zweier Morde an jungen Frauen. Manche Demonstranten riefen: "Ich bin auch Alexandra!"

Die 15-jährige Alexandra M. war vergangene Woche am Mittwoch auf dem Weg in das Dorf Dobrosloveni in der Walachei von dem 65-jährigen Gheorge D. entführt worden. Sie hatte offenbar versucht, per Anhalter nach Hause zu kommen.

M. rief am Donnerstag dreimal die Notrufnummer 112 an und berichtete, dass sie vergewaltigt worden sei. Doch die Polizei betrat erst 19 Stunden später das Haus von Gheorge D. Da war M. bereits tot. am Montagnachmittag wurde außerdem bekannt, dass der Täter die 15-Jährige wohl getötet hat, nachdem er sie bei ihrem dritten und letzten Notruf ertappte. Laut ersten Erkenntnissen des rumänischen Innenministeriums riefen die Beamten des Notrufs nach Alexandras zweitem Anruf nämlich zurück.

Im Garten des Mannes wurde Asche und darin menschliche Überreste und Schmuck der Frau gefunden. Daneben sollen sich weitere Gruben befinden.

Notruf unter Kritik

Mittlerweile ist Ionel-Sorinel Vasilca, Chef der Behörde STS, die für die Notrufnummern zuständig ist, zurückgetreten. STS wird vorgeworfen, das Verbrechensopfer nicht ausreichend beraten zu haben, als es anrief, und die 15-Jährige nicht ausreichend nach Details ihrer Entführung gefragt zu haben. Die Polizei hatte STS vorgeworfen, ihr zu spät Informationen weitergegeben zu haben, sodass sie Alexandra M. nicht rechtzeitig finden konnten.

Wegen dieser Kritik tragen Demonstranten nun auch Transparente mit der Aufschrift: "Hallo 112? Ich bin Rumänien. Rette mich!" Aber auch die Polizei steht unter schwerer Kritik. Ihr Chef Ioan Buda ist bereits entlassen worden. Denn die Polizei hatte auf einen richterlichen Durchsuchungsbefehl gewartet, bis sie ins Haus eindrang, obwohl ein solcher in einem Notfall nicht zwingend notwendig ist. Beamte waren um etwa drei Uhr am Freitagmorgen vor dem Haus angelangt. Sie warteten aber bis sechs Uhr morgens, bis sie schließlich eintraten.

Später wurde bekannt, dass Alexandra M. offenbar nicht das erste Opfer von Gheorge D. war. Dieser gestand, dass er die 18-jährige Luiza M. ebenfalls ermordet habe. M. war seit Mitte April abgängig. Vor dem Haus von Gheorge D. fanden sich hunderte Menschen ein. Manche forderten Lynchjustiz. Der Ort Dobrosloveni befindet sich unweit der Stadt Caracal, etwa 60 Kilometer von Craiova entfernt. Gheorge D. war für seine Gewaltbereitschaft bekannt. Medien berichteten, dass es ihm untersagt worden sei, nach Italien einzureisen, weil er dort eine Frau belästigt haben soll.

Referendum gefordert

Premierministerin Viorica Dăncilă reagierte mit einem populistischen Vorschlag. Sie überlege, ob man die Bevölkerung befragen sollte, ob die Strafen für Vergewaltigung, Mord und Kindesmissbrauch angehoben werden sollten und man chemische Kastration für Sexualstraftäter und Pädophile einführen solle. "In diesen Tagen ist eine junge Seele, die gerettet hätte werden können, verstorben", sagte sie. "Alle Schuldigen müssen bezahlen. Bis zum letzten Mann. Ich fordere Sie auf, die Politik in diesen Tagen beiseite zu lassen. Bitte zeigen Sie nicht mit irgendeinem Finger auf eine politische Partei", fuhr sie fort und ließ den Parteikongress der Sozialdemokraten, der am kommenden Samstag stattfinden sollte, verschieben.

Präsident Klaus Iohannis, der sich am 10. November einer Wiederwahl stellt, nutzte die Situation für einen Rundumschlag gegen die Regierung und ihre Justizpolitik. Er meinte sogar, die Regierung solle darüber nachdenken, ob sie nicht eine der "moralischen Autoren" der Tragödie sei. Denn die rumänischen Institutionen hätten versagt. Iohannis wies Dăncilăs Vorschlag, ein Referendum abzuhalten, zurück. Die Regierung solle solche "absurden Referenden" vergessen und "Verantwortung übernehmen". Am Dienstag tritt der Oberste Verteidigungsrat in der Causa zusammen. (red, Adelheid Wölfl, 29.7.2019)