Hotmail startete 1996 als einer der ersten Webmail-Dienste und avancierte zu einem der größten Anbieter. Schon 1997 wurde es für 400 Millionen Dollar von Microsoft gekauft und weiterentwickelt. Über die Jahre verlor Hotmail jedoch an Bedeutung, und Microsoft ersetzte es durch den 2012 gestarteten Dienst outlook.com. Wer will, kann aber auch heute noch eine neue Hotmail.com-Adresse anlegen.

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Die erste E-Mail-Adresse. In den Anfängen des Internets war das Anlegen mit einem ganz speziellen Gefühl verbunden: ein Gemisch aus Ehrfurcht vor der neuen Technologie, Neugier ob der sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten und Ärger, da der gewünschte Nutzername schon vergeben war. Für die Millennials, die mit dem Internet aufwachsen sind, steckt schon etwas mehr Zweckgebundenheit dahinter. Ohne E-Mail-Adresse geht praktisch nichts mehr. Gleich geblieben ist eines: Die E-Mail-Adresse ist eine Art Visitenkarte. Und wenn die schäbig aussieht, färbt das auch auf die Person dahinter ab.

Erster Eindruck bei Bewerbungen

Noch immer seine allererste E-Mail-Adresse zu verwenden, mag mit etwas Nostalgie verbunden sein – und ist für manche vielleicht ein Ausdruck von Beständigkeit. Doch was früher als cool und edgy gegolten hat, kann heute einfach nur mehr peinlich sein. Wer hat noch eine Hotmail-Adresse? Schräg! Noch schlimmer, wenn vor dem @ nicht der eigene Name, sondern ein peinlicher Spitzname steht.

"Wer als heiße-biene-23@hotmail.de eine Mail verschickt oder als typ3@yahoo.de, der erweckt alle möglichen Assoziationen, nur keine seriösen. Würde man sich am Telefon mit einem solchen Namen melden können, ohne als verrückt zu gelten? "Nein", sagt Martin Wehrle zum STANDARD. Der Buchautor betreibt nach eigenen Angaben den größten deutschsprachigen Karrierekanal auf Youtube mit Coaching- und Karrieretipps. Um seriös zu wirken, sollte seiner Meinung nach eine E-Mail-Adresse aus Vor- und Nachnamen bestehen. "Und unterschwellig ist es von Vorteil, eher eine Gmail- oder iCloud-Adresse zu verwenden als einen E-Mail-Anbieter von vorgestern", erklärt der Experte. Allein aufgrund der E-Mail-Adresse werde wohl niemand abgelehnt, aber sie sei ein Puzzlestein, der zum Gesamteindruck beitrage.

Noch etwas strenger sieht es Thomas Olbrich, Chief Culture Officer bei karriere.at. In der ersten Phase des Bewerbungsprozesses werde schnell ausgesiebt. Die E-Mail-Adresse sei daher eine Art Visitenkarte und eine wichtige erste Orientierungshilfe für das Gegenüber. Wirkt der Bewerber seriös? Wie steht es um seine Professionalität? Wie könnte er ticken? Auch er rät dazu, sich eher an aktuelle E-Mail-Provider zu halten. "In vielen Branchen, vor allem im IT-Bereich, wird das als klarer Beleg für die Modernität und den Weitblick von Bewerbern wahrgenommen. Eine entsprechende Adresse hilft Unternehmen also ebenfalls dabei, sich von Kandidaten ein erstes Bild zu machen."

Rückschlüsse auf Persönlichkeit

Die Wahl der E-Mail-Adresse lässt sogar in gewissem Rahmen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Nutzers zu. Das legte eine Studie aus dem Jahr 2008 nahe. So wurden damals die Inhaber einer E-Mail-Adresse mit deutscher Endung .de von Versuchspersonen als gewissenhafter eingeschätzt als jene Nutzer, die eine .com-Adresse hatten. Nutzer mit lustigen, kreativen und fantasievollen Namen galten als offener. Angeberische oder anzügliche E-Mail-Adressen ließen die Person dahinter narzisstisch erscheinen. Laut der Studie, die von der Universität Leipzig durchgeführt wurde, stimmten diese Zuschreibungen in gewissem Maß tatsächlich den Persönlichkeitsmerkmalen der Besitzer der E-Mail-Adressen zu.

Diese Zuschreibungen galten vor über zehn Jahren und sind heute freilich nicht mehr aktuell. Die Ergebnisse auf heute zu übertragen, davon rät auch der damalige Studienautor Mitja Back auf STANDARD-Nachfrage ab. Die damaligen Studienergebnisse zeigen allerdings, dass eine E-Mail-Adresse nicht nur Mittel zum Zweck ist. Sie transportiert auch ein Bild des Nutzers. Das gilt auch heute noch. Wer das nächste Mal eine Gratisadresse mit "lustigem" Nutzernamen anlegt, sollte sich gut überlegen, wofür er diese Adresse verwendet. Und über die Hotmail-Adresse verschickt man vielleicht besser nur mehr Mails an die Eltern. (Birgit Riegler, 6.8.2019)