Während der Regierungskrise des Frühjahrs hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen von der "Eleganz, ja Schönheit" der österreichischen Bundesverfassung gesprochen – und damit einen völlig falschen Eindruck erweckt.

Tatsächlich sorgt das Bundesverfassungsgesetz für Ordnung, wo es um die bedeutenden Staatsgeschäfte geht. Aber zur Verfassung gehören auch zahllose Einzelregelungen, die als Verfassungsbestimmungen einfachgesetzlichen Regelungen vorangestellt worden sind. Solche Bestimmungen sind aus der jeweiligen politischen Situation heraus zu verstehen: Sie finden sich in Gesetzen, die von Koalitionen beschlossen wurden, die so große Koalitionen waren, dass sie die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat hatten. Natürlich waren die Koalitionspartner voller Misstrauen gegen den eigenen Partner – und legten per Verfassungsbestimmung fest, dass man den Grundsatz der jeweiligen Gesetze in neuen politischen Konstellationen nicht so leicht ändern kann.

Überprüfung neu gedruckter Banknoten.
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Gleichzeitig kann eine solche Verfassungsbestimmung den Gesetzgeber davor bewahren, dass die mühsam paktierte Lösung vom Verfassungsgerichtshof gekippt wird. Was bis zum Beschluss einer solchen Verfassungsbestimmung vielleicht nicht im Einklang mit der Verfassung war, wird es eben durch eine Zweidrittelmehrheit.

Und schließlich dienen Verfassungsbestimmungen hehren Zielen. Österreich bekennt sich etwa zur Gleichstellung von Mann und Frau sowie von Behinderten, zum Tierschutz und – wohl am bekanntesten – zur "immerwährenden Neutralität".

Künftig vielleicht auch zum Bargeld. Das jedenfalls schlägt die ÖVP vor – weil es in ihrem Parteiprogramm steht, in das es der inzwischen zum Wirtschaftskammerpräsidenten aufgestiegene Harald Mahrer im Jahr 2015 hineinreklamiert hat.

Bargeldgarantie

Die Volkspartei bedient mit ihrem Wunsch, der österreichischen Bevölkerung die Verwendung beziehungsweise Akzeptanz von Bargeld ad infinitum zu garantieren, eine Urangst: Was ist, wenn das mühsam ersparte Geld nichts mehr wert sein sollte? Etwa weil die unter der Matratze gehorteten Scheine – ja, das kommt immer noch vor! – plötzlich nirgendwo mehr angenommen werden? Oder weil das Geld auf dem Sparbuch liegt, am Bankschalter aber einfach nichts mehr ausgezahlt wird? Oder weil der Bankomat wegen eines Internetausfalls oder eines generellen Blackouts streikt? Alles schon passiert, bei Währungs- und Wirtschaftskrisen, bei Bankzusammenbrüchen und Stromausfällen.

Auch ist es nicht jedermann angenehm, alle Einkäufe auf Konto- oder Kreditkartenabrechnungen nachvollziehbar zu machen: Erfährt vielleicht der Ehepartner, in welchen Lokalen man wie viel ausgegeben hat? Erfährt die Krankenkasse, wann und wo man Fleisch und Schokolade, Schnaps und Zigaretten gekauft hat? Bargeld heißt, einem Scherz zufolge, ja deshalb Bargeld, weil man es an der Bar ausgibt. Das stimmt sogar teilweise, "bar" heißt "bloß" oder "offensichtlich" – also Geld, das wir dem zeigen, dem wir es geben. Und sonst niemandem. Das lieben die Bürger(lichen). Und oft auch die Kriminellen – obwohl sich diese inzwischen in der Welt virtuellen Geldes ganz gut eingerichtet haben.

Ob die Verfassung hilft? Man darf es bezweifeln. Dort steht als Staatsziel auch umfassender Umweltschutz. Von diesem ist wenig zu spüren. (Conrad Seidl, 7.8.2019)