Genosse Jan Böhmermann will antreten, um die SPD zu retten. Allerdings muss er noch ein paar hohe formale Hürden nehmen.

Foto: Böhmermann/Youtube (Screenshot)

Einfach dürfte der Sonntag für die SPD nicht werden. In Sachsen wird sie laut Umfragen unter die Zehn-Prozent-Marke rutschen, in Brandenburg könnte die AfD die SPD mit ihrem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke von Platz eins verdrängen.

Zudem endet um 18 Uhr die Bewerbungsfrist für die Kandidatur für den SPD-Vorsitz, und da hat sich kurz vor Einsendeschluss noch eine Überraschung ergeben: Auch der Satiriker Jan Böhmermann möchte SPD-Vorsitzender werden – womit die Suche nach einer neuen Parteispitze natürlich vollends zur Lachnummer wird. Mit Stand Freitagabend wollen 19 Personen die SPD führen, und jetzt ist auch noch Böhmermann dazugekommen. Im Traum sei ihm der deutsche Altkanzler Willy Brandt erschienen und habe gesagt: "Du musst es machen, der Olaf (Scholz, Anm.) ist 'ne Pfeife."

Bewerbungsvideo

"So, liebe Genossinnen und Genossen, kann es nicht weitergehen", erklärt er in einem Bewerbungsvideo, das ganz im Stil einer SPD-Parteitagsrede inszeniert ist. Böhmermann steht vor einem roten Hintergrund mit dem Slogan "Neustart19" an einem roten Pult.

NEO MAGAZIN ROYALE

Warum er qualifiziert sei, beschreibt er – unter dem Jubel fiktiver Genossen – so: "Ich habe weder Hartz-IV-Gesetze beschlossen noch einem Angriffskrieg zugestimmt." Außerdem habe er dreimal so viele Twitter-Follower wie alle SPD-Minister, Bundestags- und Landtagsabgeordnete in ganz Deutschland zusammen.

janboehm

Um seine Chancen zu erhöhen – Stichwort Doppelspitze -, sucht Böhmermann noch schnell eine Frau. Diese allerdings muss ihm bis Sonntag, 18 Uhr eine Mitgliedschaft in der SPD organisieren, dazu die Unterstützung eines Landesverbandes, eines Bezirksverbandes oder von fünf SPD-Unterbezirken. Das sind die formalen Hürden für eine Kandidatur.

Am Samstag bestätigte der Sprecher der SPD Sachsen-Anhalt, Martin Krems-Möbbeck, dass Böhmermann in die SPD aufgenommen wurde. Er erklärte jedoch, dass dies formal nicht ausreiche, weil Böhmermann nicht in Köthen wohne. Es gebe zwar Ausnahmemöglichkeiten, wenn beide Kreisverbände – also in diesem Fall Köthen und der Kreisverband des Heimatortes – beteiligt seien. Nach bisherigem Kenntnisstand seien die zuständigen Sozialdemokraten an Böhmermanns Heimatort Köln aber nicht involviert gewesen. "Deswegen ist die Aufnahme derzeit unwirksam."

Humor und Kritik

In der SPD löste die Aktion gemischte Reaktionen aus. Einige, wie Juso-Chef Kevin Kühnert, nehmen es mit Humor. "Kluge Kampagne", twitterte Kühnert und gab noch den Tipp: "mehr Willy-Brandt-Zitate nutzen".

Der frühere Sprecher des SPD-Vorstands, Tobias Dünow, hingegen reagierte mit scharfer Kritik: "Sich über Politik und Parteien lustig zu machen war mal mutig. Heute ist es Mainstream, in der Politik würde man sagen: Populismus", schrieb er auf Twitter. Weder die SPD in Böhmermanns Heimatstadt Bremen noch der Ortsverein in Köln, wo Böhmermann jetzt wohnt, versprechen Hilfe.

Neonazi-Aufmarsch

Satirisch griff die Heute-Show im ZDF eine Nachricht auf, die die AfD kurz vor den Wahlen umtrieb. Sie zitierte eine Spiegel-Meldung, der zufolge der Brandenburger AfD-Spitzenkandidat, Andreas Kalbitz, 2007 an einem Neonazi-Aufmarsch in Athen teilgenommen hat, und schrieb dazu: "Nur für den Fall, dass irgendwer irgendwann wieder von nichts gewusst haben will."

Laut Spiegel wohnte Kalbitz mit 13 anderen Rechtsextremen, darunter der damalige NPD-Chef Udo Voigt, im selben Hotel. Das Nachrichtenmagazin beruft sich auf ein Dokument aus der deutschen Botschaft in Athen. Daraus geht hervor, dass von der Gruppe auf dem Hotelbalkon eine Hakenkreuzfahne gehisst wurde.

Laut ARD-Recherchen hat Kalbitz im Jahr 1993 auch an einem Sommerlager des rechtsextremen Vereins "Die Heimattreue Jugend" teilgenommen. Er erklärte, sich daran nicht mehr erinnern zu können. Den Besuch in Athen hat er bestätigt, von den Vorgängen auf dem Balkon wisse er nichts.

In Sachsen lag die AfD in Umfragen zwischenzeitlich an erster Stelle; nun aber ist die CDU, die mit Michael Kretschmer den Ministerpräsidenten stellt, wieder auf Platz eins. Allerdings werden der CDU große Verluste prognostiziert.

Ende der großen Koalition?

Neben der AfD dürften am Sonntag auch die Grünen in beiden ostdeutschen Bundesländern zu den Gewinnern zählen. In Berlin wurde auch schon über ein Ende der großen Koalition spekuliert – sollten die SPD-Verluste zu groß sein. Andererseits hat die SPD derzeit keine Führung, diese soll bis zum Parteitag im Dezember gefunden werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 30.8.2019)