Alkohol, das weiß der gestandene Österreicher aus leidvoller Selbsterfahrung, braucht eine gute Unterlage. Wer auf leeren Magen säuft, dem kommt zwar hinterher nicht so viel hoch, dafür aber gacher. Das ist im neuen Moby Dick, einer hübschen Cocktailbar in Wiens Bobo-Central Neubau, nicht anders, aber auch nicht das Thema. Hier geht es nicht um Wirkungstrinken, sondern um den Genuss kundig gemixter Kreationen aus Ansätzen selbstgesammelter Kräuter, Liköre und Spirituosen. Dass da im Verlauf eines Abends dennoch so einiges zusammenkommen kann, stimmt aber auch.

Was aber keineswegs der Grund gewesen sein soll, warum die Betreiber Sammy Walfisch und Fabian Kalal in ihrer bereits zweiten Cocktailbar (die erste ist das Botanical Garden in Wien-Alsergrund) auch eine vollwertige Küche einbauen ließen. Vielmehr haben sie sich in die Küche von Max Hauf verliebt, der zuvor im Birdyard auf der Lange Gasse gekocht hat und schon seit längerem einmal ausprobieren wollte, wie sich gutes Essen und gute Drinks vertragen.

Nennt sich Moby Dick, gehört Herrn Walfisch, hat Essen im Bauch: eine neue Bar mit echt gutem Koch.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Rambazamba am Gaumen

Als das Moby Dick vor ein paar Wochen aufsperrte, wurde das noch anhand fünfgängiger Menüs versucht, wo zu jedem Gang eine abgestimmte Cocktail-Kreation gereicht wurde. Das stellte sich als gar ambitioniertes Projekt heraus – einerseits weil nur wenige bereit waren, sich die Fleißaufgabe eines Gourmetmenüs ausgerechnet in einer Bar anzutun, und anderseits weil sich fünf verschiedene Drinks hintereinander auch mit Speisenbegleitung zur unwillkommenen Herausforderung erwachsen könnten.

Seit vergangener Woche ist das zum Glück entspannter, es gibt – teils hoch elaboriertes – Barfood, und wer will, kann sich dazu einen speziellen Cocktail mixen lassen. Manches, wie das auf herrlich schmutzige Art marinierte Crispy pickled Chicken, ist eindeutig auf jene Art von Heißhunger abgestimmt, die sich nach forciertem Durststillen einstellt. Das ausgelöste Hendlhaxl wird vor dem Panieren in Südstaatenmanier mit Buttermilch, Essiggurkenwasser und allerhand Gewürzen mariniert, nach dem Backen in fingergerechte Stücke geschnitten und mit einem Dressing aus Zitronengras und Schalotte beträufelt – so lebhaft hat paniertes Hendl schon lange nicht mehr geschmeckt! Der dazu gemixte "Oil Harbour" aus Rye Whisky, Trockenbeerenauslese, Amaro Montenegro, Wermut und selbst angesetztem Zitrusbitter macht gleich noch mehr Rambazamba am Gaumen, uiuiui.

Extrem gut: Ceviche von der Goldbrasse.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Bohne bitte!

Ceviche von der Goldbrasse (siehe Bild) kommt dagegen eindeutig aus der Fine-Dining-Ecke, wächserne Scheiben vom topfrischen Meeresfisch, mit Kräutern, Limette, Frühlingszwiebel, Gurke und ein paar extraknusprigen Focaccia-Bröseln animierend angemacht – extrem gut und um elf Euro nachgerade ein Geschenk. Wachtelbohnen mit wachsweichen Wachteleiern, Pimientos und geräucherter Aioli zielen auch geradewegs ins Euphoriezentrum des Hirns – und keineswegs nur, weil sich endlich ein Spitzenkoch der bescheidenen Bohne anzunehmen gedenkt!

Gegrillter Oktopus ist innen unwirklich zart und saftig, außen ideal knusprig – bei Fisch, der mit solcher Kunstfertigkeit gegart wird, braucht es nichts als eine zitronige Mayo zum Glück. Einen geilen Briochetoast mit dreierlei Jumi-Käse gibt es auch, ein Sandwich mit gezupfter Shortrib vom XO Beef und fantastischer selbst eingelegter Essiggurke (daher die Chicken-Marinade!) ebenso – lauter gute Argumente, sich den einen oder anderen Extra-Drink zu genehmigen. Aber keine Sorge: Es gibt fein gehopftes Zwettler Saphir vom Fass, ein oder zwei Naturweine sind auch stets geöffnet – man muss sich also keineswegs dem harten Alkohol ergeben, wenn einen die Lust auf Barfood dieser Qualität packt. (Severin Corti, RONDO, 6.9.2019)

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