Tempo 140 auf der Autobahn ist – geht es nach den Klimaforschern – keine gute Idee.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER
Grafik: STANDARD

Was im vergangenen Wahlkampf die Migranten waren, ist diesmal das Klima: Thema Nummer eins. Längst sind es nicht nur die Grünen, die darauf pochen, den CO2-Ausstoß zu verringern. In einen oder anderen Form thematisieren sämtliche Parteien die Klimakrise. Gestritten wird über eine CO2-Steuer, eine Verteuerung von Flugtickets und über EU-Handelsabkommen und ihre Wirkung auf die Umwelt.

Am Montag haben sich Wissenschafter mit einem Forderungskatalog im Wahlkampf zu Wort gemeldet. Die Forscher haben zusammengetragen, welche politischen, gesetzlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in Österreich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten notwendig sind, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Die beteiligten Wissenschafter engagieren sich alle im Rahmen des Forschungsnetzwerkes Climate Change Center Austria (CCCA). Eine von ihnen, die Meteorologin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb fasste die Forderungen so zusammen: "Eine Diskussion darüber, welche Maßnahmen erforderlich sind, ist obsolet. Es sind fast alle erforderlich."

Es ist so weit: In der heißen Phase des Wahlkampfes lädt der STANDARD Vertreter aller Parteien zu einem Livetalk mit Expertinnen. Zum Auftakt kommt heute Werner Kogler von den Grünen. Ab 17.30. Einziges Thema: Klima!
DER STANDARD

70 Maßnahmen

Konkret gefordert werden mehr als 70 Maßnahmen, unter anderem in den Bereichen Verkehr, Energie, Industrie.

  • Dazu gehört etwa der Ruf nach einer ökologischen Steuerreform. Dazu sollen bestehende Privilegien abgeschafft werden. Gestrichen werden soll etwa das Steuerprivileg für Diesel, der derzeit günstiger besteuert ist als Benzin. Zudem sollen Emissionen, die nicht dem europäischen Emissionssystem unterliegen, mit einer CO2-Steuer belegt werden. Ein Vorschlag sieht vor, 120 Euro pro Tonne CO2-Steuer einzuheben. Mathias Kirchner von der Universität für Bodenkultur sagt, dass sich damit ein Liter Benzin um rund 30 Cent verteuern würde.
  • Als "effektive und rasch umzusetzende Maßnahme" wird die sofortige Verringerung der Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen auf 100 km/h gefordert. Und: Autos mit fossilem Antrieb sollen ab 2030 gar nicht mehr neu zugelassen werden.
  • Die Raumplanung gehört laut dem Forderungspapier auf den Kopf gestellt: Einkaufszentren gehören nicht an den Rand, sondern innerhalb von Siedlungen gebaut. Ziel soll es sein, "kurze Wege" zu schaffen. Parkplatzflächen gehören eingeschränkt, aber auch Umwidmung von Flächen in Bauland soll reduziert werden, solange es Leerstände gibt. Wie dieser Punkt umzusetzen ist, sagt das Forschungsnetzwerk nicht
    In Österreich ist für Raumplanung die Gemeinde zuständig, auch das Land als Aufsichtsorgan. Eine zentrale Koordinationsstelle, über die zum Beispiel klimapolitische Überlegungen einfließen können, gibt es nicht.
  • Viel ändern soll sich beim Flugverkehr. Ein Vorschlag ist die Einführung einer Ticketabgabe, wie hoch diese sein soll, sagen die Wissenschafter nicht. Das allein dürfte ohnehin nicht reichen, weshalb zusätzliche regulatorische Maßnahmen gefordert werden, etwa ein Flugverbot für den öffentlichen Dienst auf bestimmten Strecken, die auch gut mit der Bahn zu erreichen sind.
  • In der Landwirtschaft müsse die Vorgabe lauten, dass der Fleischverzehr reduziert wird. Möglich wäre etwa eine höhere Besteuerung von tierischen Produkten, aber auch Kampagnen für Bewusstseinsbildung.
  • Viel zu tun gibt es auch bei Gebäuden, die dringend emissionsärmer werden müssen, so das Netzwerk der Klimaforscher. Im Neubau sollen alle fossilen Klimasysteme verboten werden.

All diese Maßnahmen sollen Teil der nationalen Klimaplanung werden. Österreich muss bis Jahresende einen nationalen Klimaplan an die EU melden. Der bisherige Entwurf dafür, der noch von der türkis-blauen Regierung stammt, wurde von der EU-Kommission als auch den Wissenschaftern als zu wenig ambitioniert kritisiert. (András Szigetvari, 10.9.2019)