Vorneweg: Ich fühle mich kerngesund, habe seit Ausbruch der Pandemie keinerlei Symptome gezeigt und kenne bis heute niemanden persönlich, der sich mit dem Virus infiziert hat. Entsprechend selbstsicher gehe ich an die Sache ran. Freiwillige für einen Corona-Selbsttest gesucht? Klar, ich bin dabei!

119 Euro kostet der Selbsttest im DM-Onlineshop.
Foto: dm

Allerdings, zwei Wochen vor Urlaubsantritt einen Corona-Test zu machen ist nicht die beste Idee – das kommt mir erst, als es schon zu spät ist. Denn bei einem positiven Ergebnis ist das Labor nicht nur dazu verpflichtet, dies an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Bis sich das dann beim Infizierten gemeldet hat, heißt es für diesen auch noch: Heimquarantäne. Zwei wohlverdiente Wochen Ferien könnten sich von heute auf morgen in Luft auflösen. Beste Voraussetzungen also.

Der Test, ein sogenannter PCR-Test, der lediglich bestimmen soll, ob eine aktuelle Infektion mit dem Sars-CoV-2 vorliegt, ist schnell bestellt. 119 Euro kostet das gute Stück, für die Standardlieferung – zwei bis fünf Werktage – sind es noch einmal 3,95 Euro. Gerne hätte ich die 24-h-Expresslieferung gewählt, immerhin soll es ja schnell gehen, ob Symptome oder nicht, doch die ist beim Drogeriemarkt DM aufgrund der "aktuellen Situation" nicht möglich.

Samstags erst kommt das am Montag bestellte Produkt früh morgens an. Es ist viel zu groß für die kleine Schachtel darin, die ist prall gefüllt. Der Inhalt: ein Registrierungsformular, ein Papier mit selbstklebenden QR-Codes samt Nummer, zwei abgepackte Teststäbchen, zwei Pickerl, um die Schachtel für den Rückversand zu verschließen, und zu guter Letzt ein abgepacktes Röhrchen mit einer klaren Flüssigkeit darin – der Testflüssigkeit, auf die es später im Labor ankommt.

Die giftige Testflüssigkeit.
Foto: pollerhof

Das Registrierungsformular stößt sofort ins Auge. Denn für eine Analyse braucht es die Registrierung im Internet, ansonsten geht nämlich gar nichts. Also geschwind den Link eingetippt. Eine Anleitung, wie dieser Test jetzt eigentlich abläuft, ist in der Box nämlich nicht zu finden.

Sind die entsprechenden Daten eingegeben, gibt es dann doch die Erklärung. Zu dem Zeitpunkt ist dann gut zu wissen: Vor der Abnahme 30 Minuten lang nichts essen und trinken, der Mund darf vorher nicht ausgespült, schon gar nicht die Zähne geputzt werden. Habe ich alles nicht gemacht, immerhin ist es Samstag in der Früh, und ich will es endlich hinter mich bringen.

Rätselhafte Flüssigkeit

Das Röhrchen mit der Flüssigkeit wird aufgedreht und so hingestellt, dass es nicht umfällt. Die Anleitung warnt mich, denn die Flüssigkeit sei giftig. Was dieses klare Etwas aber ist, weiß ich bis heute nicht. Nun soll eines der zwei Abstrichbürstchen ausgepackt werden, und ab in den Mund damit. Erst ein bisschen husten, damit alles Sekret nach oben kommt, dann im vorderen Mundraum ein paar Sekunden befeuchten. Jetzt geht es ans Eingemachte.

Eine kleine Grafik zeigt mir, wo genau im hinteren Rachen ich das Bürstchen ansetzen und 20 Sekunden lang damit rumfuchteln soll. Der erste Versuch, ohne Spiegel, gelingt nicht. Die weiteren Versuche, jetzt mit Spiegel, gelingen zwar, sie sind aber von fast sekündlichen Würgern und tränenden Augen begleitet.

Immer wieder schaue ich in den Spiegel und frage mich aktiv, was ich hier denn eigentlich gerade mache. Mit den Worten "das wird ja wohl reichen" gebe ich auf und folge weiter der Anleitung, die besagt, das Stäbchen nun eine Minute lang in der Flüssigkeit zu rühren, bis diese trüb wird. Dann der Schock: den ganzen Vorgang mit dem zweiten Stäbchen wiederholen! Also wieder Spiegel, würgen, tränende Augen, Selbstzweifel.

Einer Freundin, die angehende Krankenschwester ist, schildere ich später die Prozedur und mein Gewürge. Ihre Antwort: "Hört sich an, als hättest du es richtig gemacht."

Der gesamte Inhalt des Corona-Testpakets.
Foto: dm

Das Röhrchen wird schließlich verschlossen, ein QR-Code-Sticker draufgeklebt und in der Schachtel wieder zurück zu Novogenia geschickt, einem Biotechunternehmen in Salzburg. Erst als ich vor der Dame in der Postfiliale stehe, merke ich, dass auf der Schachtel groß "PCR-Test" steht. Wird sie es merken? Wird sie mich ausrufen lassen? Wird sie mich ekelerregt anschauen? Nichts dergleichen. Während ihr Chef neben ihr steht und sich lautstark über Teenager aufregt, die in den Öffis keine Maske tragen, misst sie lediglich die Größe der Schachtel ab, kassiert die 4,30 Euro für die Retoursendung, und ich gehe mit leichtem Herzen heim.

Quälende Warterei

Meine Erleichterung währt nicht lange. Denn jetzt beginnt die Phase des nervösen Wartens. Schon kurz nach dem Absenden der Probe quälen mich die irrationalen Fragen: Was passiert, wenn der Test positiv ist? Muss ich dann meinen Urlaub absagen? Wer bringt mir Lebensmittel, wenn ich in der Quarantäne sitze? Wen muss ich dann kontaktieren? Kommen die Symptome noch? Gleichzeitig fühle ich mich schon ein Stück so, als wäre ich infiziert.

Wenn ich Leuten erzähle, dass ich den Test gemacht habe, senke ich meine Stimme, damit Dritte es nicht mitbekommen. Die Corona-Scham hat mich fest im Griff, obwohl ich noch nicht einmal mein Ergebnis habe. Auf das warte ich nämlich seit dem Tag der Bestellung insgesamt neun Tage. Es ist negativ.

Meine Freude hält bis Freitagabend. Da wird bekannt, dass DM "meinen" Corona-Test vorläufig wieder vom Markt genommen hat. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) habe mehrere Mängel festgestellt, darunter fehlende Kennzeichnung oder Zertifizierung. Das Amt will nun auch die Produkte anderer Anbieter kontrollieren. (Thorben Pollerhof, 24.7.2020)