Ich kann mich nicht daran erinnern, je als normal gegolten zu haben. Auch als Kind nicht. Ich war schon immer mehrgewichtig. Die negativen Erfahrungen fangen schon in der Schule an. Als ich im Turnunterricht gezwungen wurde, Sachen zu machen, wo ich wusste, das wird nicht funktionieren. Ich hatte Angst vor der Übung und wurde lächerlich gemacht. Das muss ja nicht sein. Jeder ist in bestimmten Sachen gut oder weniger gut.

Elisabeth Axmann-Marcinkowski (34) ist nebenberufliche Fitnesstrainerin. Als solche nennt sie sich Elly Magpie – so heißt auch ihr Fitnessstudio in Wien. Im April 2020 hat sie das bodypositive Studio eröffnet, in dem Spaß an der Bewegung unabhängig von der Körperform im Vordergrund stehen soll.
Foto: Very Nice Studio

Dabei interessierte ich mich für Sport: Ich war in einer Capoeira-Klasse, die mir unglaublich Spaß gemacht hat, auch wenn ich den schlimmsten Muskelkater meines Lebens hatte. Doch das Problem war der letzte Satz des Trainers: ‚Keine Angst, wir kriegen dich wieder schlank.‘ Ich war wegen des Spaßes an der Bewegung hier, wurde aber sofort auf mein Gewicht reduziert. In so einem Umfeld wollte ich nicht trainieren.

Wenn man mehrgewichtig ist, wird die ganze Zeit gesagt, dass man Sport machen soll. Aber wenn man versucht, etwas zu finden, das einem Spaß macht, wird man dauernd damit konfrontiert, dass man da nicht reinpasst. Dass man ein Anhängsel ist, das mitgenommen wird, aber nicht in die Gruppe passt, weil man andere Übungen braucht oder nicht dasselbe Niveau hat. Die Scham, dort überhaupt hinzugehen, war schon sehr groß.

Eine Personal Trainerin wollte zum Beispiel gar nicht erst mit mir trainieren, als sie mich gesehen hat. Zum Glück habe ich aber auch Trainer gefunden, die mich bestärkt haben. Ich hatte jahrelang das Gefühl, dass ich am liebsten meinen Körper ausziehen würde. Weil er nicht zu mir passte, weil ich ihn gehasst habe. Heute akzeptiere ich meinen Körper, wie er ist. Nicht, dass ich jeden Tag alles an mir liebe, aber der Umgang hat sich geändert.

Selbstvertrauen mit Sport

Ich kann mir ein Leben ohne Bewegung nicht vorstellen. Sport hat mir gezeigt, dass nicht mein Körper das Problem ist, sondern das, was andere über ihn denken. Ich konnte mir wieder vertrauen und habe erkannt, was mein Körper schaffen kann. Und ich musste mich nicht mehr verkriechen. Daraus ist dann auch die Idee entstanden, diesen Safe Space, einen sicheren Ort, zu kreieren. Ich möchte Menschen den Zugang zu Bewegung zeigen und sie so unterstützen, in ihrer Persönlichkeit und ihrem Selbstbewusstsein stärken. Denn das hat mir Sport gebracht. Die Leute sollen hierherkommen, und es ist nicht wichtig, wie sie aussehen oder wieso sie hier sind. Es soll nicht bewertet werden. Wichtig ist, dass sie genauso da sind, wie sie sind.

Vor knapp vier Jahren kam die Idee dafür und die ersten Umsetzungspläne. 2019 habe ich eine halbjährige Ausbildung zur Fitnesstrainerin an der Personal Fitness Academy gemacht. Ich wollte mein Praxiswissen mit Grundlagen verknüpfen. Das war sehr intensiv, am Wochenende neben dem Vollzeitjob.

Nachdem ich das Gewerbe angemeldet habe, habe ich im September 2019 meine erste Einheit gegeben. Das war noch im Studio von meinem letzten Personal Trainer. Doch ich wollte einen eigenen Ort, wo ich die Leute besser abholen kann und man nach der Stunde in dem kleinen Vorraum hier auf dem Sofa noch reden kann. Im Februar 2020 hatte ich die ersten Gespräche über die Location. Im April habe ich dann eröffnet – im Lockdown. Ich kenne noch kein anderes bodypositives, alle Körper und Menschen bewusst inkludierendes Fitnessstudio in Wien. In Deutschland zum Beispiel ist das schon viel verbreiteter.

Die Fitnesstrainerin macht in ihren Einheiten viel funktionelles Training. Zum Beispiel mit Kettlebells, Kugelgewichten, wie hier im Bild. Sie hilft ihren Teilnehmerinnen dabei, Übungen aufzubrechen.
Foto: Very Nice Studio

Kleine Community

Zu Beginn war meine Community klein, aber sie unterstützt mich bis heute, macht die Onlinekurse mit. Ich habe 25 bis 50 Mitglieder, das schwankt immer wieder. Ich biete vier bis sechs Klassen die Woche an, pro Einheit sind zwischen zehn und 20 Personen angemeldet. Aber nur 20 bis 30 Prozent davon kommen zur Live-Klasse. Die anderen machen es mit der Aufzeichnung. Eine Mama kann vielleicht am Freitag um 16 Uhr nicht. Meine Kundinnen sind derzeit nur Frauen. Später möchte ich auch mit Männern arbeiten. Und mit Kindern – das wäre mein Traum.

Ich biete hier vor allem funktionelles Training an. Mit Tera-Bändern, Kettlebells, Medizinbällen oder Kurzhanteln. Wenn man sehr stark mehrgewichtig ist, so wie ich, muss sich der Körper mit viel mehr Gewicht bewegen. Die gelenksnahe Muskulatur ist oft nicht stark genug. Mit dem Training stärken wir etwa die Muskulatur um Knie und Knöchel, damit zum Beispiel Treppensteigen leichter wird. Viele verlernen, sich zu bewegen – und verlieren die Lust daran, sind frustriert. Ich versuche, die Übungen an die Person anzupassen. Da meine Klassen klein sind, können mich die Teilnehmerinnen direkt fragen oder eine Whatsapp-Nachricht schicken, und ich weiß, was sie brauchen. Diese Beziehungsebene ist mir wichtig.

Ich will ihnen auch Hilfsmittel geben, eine Übung auseinanderzubrechen. Zum Beispiel ein Deep Squat, eine tiefe Kniebeuge. Als Ziel sollte man sich nicht gleich den Deep Squat setzen. Da muss man zehn Schritte früher anfangen und den Körper daran gewöhnen und zeigen, wie das funktioniert. Viele glauben, eine Übung sei weniger wert, wenn man sie anders macht. Das stimmt nicht. Diese Variationen kommen gut an, jede kann sich rauspicken, was sie mag. Als Jungunternehmerin kurz nach der Eröffnung ohne wirklichen Umsätze falle ich durch fast alle Corona-Hilfen. Deswegen ist es umso wertvoller, dass das Studio in dieser Zeit zustande gekommen ist. (Selina Thaler, 7.5.2021)