Der große polnische Philosoph Leszek Kołakowski (1927–2009) schrieb in seinem Essayband über Politik und Moral (Der Mensch ohne Alternative): "Man kann nicht in den glänzenden Lackschuhen privater Tugend durch den blutigen Sumpf der großen Geschichte schreiten."

Dieses Kołakowski-Zitat ist ein treffender Ausdruck für die Beschreibung der kürzlich absolvierten "Jubeltournee" (Michael Martens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) Peter Handkes in Serbien und in der bosnischen Serbenrepublik.

Aus den Händen von Präsident Alexander Vučić bekam Peter Handke den "Orden des Karadjordsterns der ersten Stufe" überreicht.
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Der von den serbischen Nationalisten gefeierte Nobelpreisträger hat in der ersten Mai-Woche eine ganze Reihe von Ehrungen erhalten: In Banja Luka, wo ihm zu Ehren ein riesiges Denkmal errichtet wurde, nahm er den höchsten Orden der bosnischen Serbenrepublik entgegen (frühere Preisträger: die zu lebenslanger Haft verurteilten Kriegsverbrecher Ratko Mladić und Radovan Karadžić), in Višegrad den hochdotierten "Großen Ivo-Andrić-Preis", und in Belgrad überreichte ihm Präsident Alexander Vučić den "Orden des Karadjordsterns der ersten Stufe".

Politisch Motiviert

Über die Feierlichkeiten haben die serbischen Medien ausführlich berichtet. Dass der FAZ-Bericht von dem Balkanexperten Michael Martens, der übrigens auch eine vorzügliche Biografie des jugoslawischen Literaturnobelpreisträgers (1961) Andrić verfasst hatte, einen Flüchtigkeitsfehler der offiziellen Nachrichtenagentur Tanjug enthielt, nahm Handke zum Anlass, in einem langen Leserbrief in der FAZ den Bericht zurückzuweisen.

Er wollte mit den Politikern keine Kontakte und hatte von den beiden offiziellen Auszeichnungen keine Ahnung. Angesichts der Tatsache, dass die hohe serbische Auszeichnung bereits vor einem Jahr von den deutschen Medien gemeldet wurde und Handke (wie ich es einem Video gesehen habe) von einem Regierungsflugzeug der bosnischen Serbenrepublik nach Banja Luka geflogen worden ist, klingt seine "Überrumpelung" wie eine Mär aus einem absurden Theaterstück.

Aber es geht um weit mehr als bloß um die pathetische Selbstrechtfertigung eines "zunehmend auch ins willfährig Greisenhafte entrückten Ästheten" (so die Literaturkritikerin Mari Schmidt in der Süddeutschen). Der serbische Schriftsteller Teofil Pančić spricht es offen aus: Handke habe sich wieder einmal wissentlich "zum Tanzbären der serbischen und bosnisch-serbischen nationalistischen Rechten machen lassen".

Noch dazu ließ er sich ohne jeden Skrupel in Orten wie Višegrad feiern, wo 1992 serbische Massenmorde an bosnischen Muslimen stattfanden. Ein Fest der Verbrüderung mit jenen Scharfmachern, die durch die Abspaltung der Serbenrepublik Bosnien-Herzegowina zerschlagen wollen.

Serbien und die bosnische Serbenrepublik seien für Handke ein Zufluchtsort, wo er vor jedweder Kritik sicher sei und als "Ritter, Prometheus, Prophet und Visionär" verehrt werde, schrieb Pančić. Die Fernsehbilder zeigen, wie sich der Literaturnobelpreisträger gerührt von den politischen Brandstiftern in der Republika Srpska ehren lässt, die den Völkermord in Srebrenica (siebentausend Muslime 1995 von bosnisch-serbischen Truppen erschossen) leugnen und in Bosnien Denkmäler und Erinnerungstafeln für die Täter errichten. (Paul Lendvai, 25.5.2021)