"Es macht mir Spaß, die Bewegung tut gut, aber er hat mir auch mental weitergeholfen", sagt Florentina Kubizek über Kraftsport.

Foto: Renate Schwarzmueller

Wer an Fitness und ausgiebiges Muskeltraining denkt, hat meist superschlanke Frauenkörper mit fein definierten Muskeln vor Augen. Nicht zu viel, nicht zu wenig, gerade noch "feminin". Bei den Männern sind es die Sixpacks, kräftige Oberarme und eine Cornetto-Silhouette. Gibt es auch Kraftsport, der diese Bilder vom "klassischen" und "perfekten" Frauen- oder Männerkörper außen vor lässt? Florentina Kubizek möchte als Fitnesscoach genau das erreichen.

STANDARD: Krafttraining boomt, lange Zeit habe man es unterschätzt, sagen Sportwissenschafter*innen. Warum haben Sie zu den schweren Hanteln gegriffen?

Kubizek: Für mich ist der Kraftsport ein sehr persönliches Thema. Es macht mir Spaß, die Bewegung tut gut, aber er hat mir auch mental weitergeholfen. Zu der Zeit, als ich mit dem Training startete, hatte ich das Gefühl, keinen Fortschritt in meinem Leben zu sehen. Die Erfolge im Sport waren motivierend, sie haben den Anstoß gegeben, die Perspektive zu verändern. In meinem Umfeld kamen aber rasch Kommentare dazu, wie sich mein Körper veränderte – und die waren durchwegs negativ. "Jetzt hör aber auf zu trainieren, das ist nicht mehr schön" – so in die Richtung.

STANDARD: Wer an welchen Körperstellen wie muskulös sein darf, darüber scheint es noch immer sehr klare Vorstellungen zu geben. Wie präsent sind Geschlechterstereotype im Kraftsport?

Kubizek: Es gibt auf jeden Fall ganz klare, binäre Normvorstellungen. Das gesellschaftliche Ideal sind immer noch Männer mit vielen Muskeln am Oberkörper und einem Sixpack. Bei Frauen hingegen wird der Booty trainiert, der Fokus liegt auf Bauch-Beine-Po, man soll eine möglichst schmale Taille haben und bloß keine muskulösen Arme – das wäre ja zu männlich. Das impliziert natürlich auch, dass ich Kraftsport letztendlich nur betreibe, um dann am Ende so auszusehen. Mit diesem Zugang zum Sport kann ich nichts anfangen. Die blöden Kommentare waren für mich letztendlich aber auch bestärkend. Ich bewege mich ja ganz bewusst weg von einer Norm. Und in meinem queeren Umfeld bin ich eigentlich nur auf Akzeptanz gestoßen.

Florentina Kubizek (30) hat ursprünglich technische Chemie studiert und später eine Ausbildung zur Personal Trainerin gemacht, sie lebt in Wien.
Foto: Renate Schwarzmueller

STANDARD: Sie bieten Personal Training und Onlinekurse speziell für queere Menschen an. Mit welchen unterschiedlichen Bedürfnissen kommen sie zu Ihnen?

Kubizek: Mich haben immer wieder Personen angesprochen, ob ich nicht mit ihnen trainieren könnte. Sport ist nämlich für viele kein sicheres Umfeld. Ob das jetzt klassische Fitnessstudios sind oder Kurse des Universitätssportzentrums. Dort gibt es zwar ein großartiges Angebot, aber das Problem zum Beispiel für Transpersonen fängt oft schon mit den Umkleidekabinen an.

STANDARD: Kann Kraftsport auch empowernd wirken?

Kubizek: Auf jeden Fall. Viele, die zu mir kommen, haben eine negative Beziehung zum Sport. Den Leuten wurde zum Beispiel in der Kindheit gesagt: Wenn du fünf Kilo abnimmst, dann darfst du in den Ballettunterricht. Fatshaming ist allgegenwärtig, wer klassische Fitnessangebote in Anspruch nimmt, bekommt oft ungefragt Abnehmtipps dazugeliefert. Bestärkend erleben viele dann nicht nur die wachsende körperliche Fitness, sondern auch die Vergangenheit neu zu schreiben, den eigenen Körper kennenzulernen. Ich möchte die Botschaft vermitteln, dass es keine Bedingungen gibt, um Sport machen zu dürfen. Egal wie der Körper aussieht, was der Körper kann, welche Voraussetzungen er mitbringt: Sport ist erlaubt und gut, sofern er Spaß macht. Menschen können und dürfen dick sein und trotzdem Sport machen. Auch behinderte Menschen sind herzlich willkommen – die in konventionellen Angeboten oft nicht berücksichtigt werden.

STANDARD: Auf Instagram posten tausende Fitness-Influencer täglich Fotos ihrer perfekt ausgeleuchteten Muskelpartien. Auch Sie sind auf Instagram als Queer Muscle aktiv. Inwiefern ist dieser Schönheitsdruck für Sie Thema – denken Sie, dass Ihre eigenen Fotos Druck auf andere ausüben?

Kubizek: Das ist tatsächlich eine sehr schwierige Frage. Grundsätzlich versuche ich meinen Körper in unterschiedlichen Stadien abzubilden. Auch ich nehme mal ab und zu, habe mal mehr und mal weniger Muskeln. Trotzdem entspreche ich natürlich bestimmten Normen, und es ist mir klar, dass das auf Menschen abschreckend wirken kann. Diesbezüglich wird sich auf meinem Profil in nächster Zeit auch etwas ändern. Ich arbeite nämlich an einem Projekt, Fitnessübungen mit ganz unterschiedlichen Körpern abzubilden. Und ich versuche auch bei mir selbst Dinge abzubilden, die nicht der Norm entsprechen. Das fängt bei so banalen Dingen wie Bein- und Achselhaaren an. Dennoch halte ich nichts von diesem Trend, der gerade unter dem Label der Body Positivity kursiert: Superdünne Menschen drapieren sich so vor dem Spiegel, dass man irgendwo ein winziges Speckröllchen sieht. Seht her, auch ich habe meine Struggles! So etwas versuche ich zu vermeiden.

STANDARD: Sie arbeiten an einer Fitness-Datenbank mit vielfältigen Körpern – was soll eine solche Sammlung leisten?

Kubizek: Wer in einer Suchmaschine oder auf Youtube zum Beispiel nach Squats sucht, wird sofort weiße Cis-Männer mit Sixpack finden, die die korrekte Durchführung demonstrieren. Sucht man nach Übungen für die Glutes, tauchen schlanke Frauen mit Rundungen auf. Ich finde es sehr wichtig, da entgegenzuarbeiten, ich glaube, dass es auch im Sport vielfältige Repräsentation braucht. Ich filme deshalb Übungen mit Menschen ab, die nicht dieser Fitnessnorm entsprechen. Mit dieser Datenbank werde ich als Coach arbeiten, aber sie wird auch öffentlich kostenlos zugänglich sein – das ist mir total wichtig. (Brigitte Theißl, 16.6.2021)