Sara Velić vom VSStÖ (Mitte) wurde am Freitag zur neuen ÖH-Vorsitzenden auf Bundesebene gewählt. Keya Baier von der Gras (links) ist derzeit erste Stellvertreterin und übernimmt im Sommer 2022 die Spitze. Für die Fachschaftslisten wurde Naima Gobara (rechts) ins Vorsitzteam gewählt.

Foto: Gras/Benteler

Die Koalition für die nächsten beiden Jahre in der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) steht. Am Donnerstagabend haben der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), die Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras) sowie die Fachschaftslisten (Flö) eine Zusammenarbeit paktiert. Damit gab es auch eine stabile Mehrheit für die Wahl des Vorsitzteams, die am Freitagvormittag in Wien bei der konstituierenden Sitzung des Studierendenparlaments über die Bühne ging.

Gras übernimmt 2022 die Spitze

Gemeinsam kommen VSStÖ (14 Mandate), Gras (12 Mandate) und Flö (6 Mandate) auf 32 der 55 Sitze in der Bundesvertretung.

Als stärkste Fraktion stellen die Roten in Gestalt der 21-jährigen Politikwissenschaftsstudentin Sara Velić die neue ÖH-Chefin. Ihre grüne Stellvertreterin wird Keya Baier, die Fachschaftslisten schicken Naima Gobara als Stellvertreterin in das dreiköpfige Vorsitzteam. Mitte 2022 soll es dann laut Koalitionsabkommen an der Spitze zu einem Wechsel kommen, indem Baier den Posten der ÖH-Chefin übernimmt.

Eine Rochade, die auch Risiken birgt. Immerhin ist dieselbe ÖH-Koalition Mitte 2020 im bitteren Streit geplatzt, der damals avisierte Chefinnenwechsel in umgekehrter Richtung – von Gras zu VSStÖ – kam nicht zustande. Stattdessen nutzte die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft die Gunst der Stunde und stellt seither mit Sabine Hanger die ÖH-Vorsitzende.

"Jetzt oder Nie"

Nun kommt es aber wieder zur Neuauflage der zuletzt gescheiterten linken Koalition, diesmal soll sie bis zum Ende halten, wie alle Beteiligten versichern. Die Grundsätze und Vorhaben der neuen ÖH-Exekutive wurden am Freitag in Form eines 22-seitigen Koalitionsvertrags publiziert.

Eingedenk der historisch niedrigen Wahlbeteiligung von nur 16 Prozent bei der vergangenen Wahl heißt es: "Entweder die Partizipation der Studierenden sinkt noch weiter, oder die Koalitionsfraktionen schaffen es, einen politischen Wendepunkt für die ÖH als politische Interessenvertretung zu schaffen – jetzt oder nie." Es brauche nun eine laute ÖH, zumal "Studierende während der gesamten Pandemie von politischer Seite vergessen wurden".

Ihr prinzipielles Politikverständnis beschreibt die neue ÖH-Koalition als demokratisch, solidarisch, antikapitalistisch, antifaschistisch und queerfeministisch.

Auch die geplanten Projekte der kommenden beiden Jahre sind bereits im Koalitionspapier verankert:

Im Wintersemester 2021/22 will man eine großangelegte Studierendenbefragung starten, die von einem professionellen Forschungsinstitut durchgeführt werden soll. Die Befragung soll einen Rahmen für Studierende schaffen, um mit der ÖH in Kontakt zu treten und die Partizipation zu stärken. Begleitend soll eine Kampagne mit einer externen Agentur die Ergebnisse der Befragung in der Öffentlichkeit verbreiten und die sich herauskristallisierenden Studierendeninteressen an die politischen Entscheidungsträger herantragen.

In Vorbereitung auf eine von der Regierung angekündigte Novelle des Studienförderungsgesetzes will die ÖH-Bundesvertretung Vorschläge für ein "sozial treffsicheres Beihilfensystem" erarbeiten und Modelle eines Grundstipendiums prüfen. Ein Panel mit Expertinnen und Experten soll dazu bereits im Sommer tagen.

Um "rechtswidrige Zustände und Vorgaben" während des Studiums zu bekämpfen, nimmt sich die ÖH eine "strategische Prozessführung gegen Hochschulen" vor. Entsprechende Verfahren sollen konsequent bis zu den Höchstgerichten geführt werden.

Um Studierende in Notlagen finanziell zu unterstützen und damit die "ignorierte Verantwortung der Regierung" zu übernehmen, wird der ÖH-Sozialfonds fortgeführt. Zudem sollen aus ÖH-Mitteln 25.000 Euro jährlich in einen Fördertopf für klimafreundliche Initiativen an Hochschulen fließen – etwa für Lastenrad-Leihservices oder die Schaffung von Blühwiesen.

Trotz antikapitalistischer Ausrichtung ist der linken ÖH übrigens ein gewisser Marketingjargon nicht fremd, wie die Ausführungen zum ÖH-Logo zeigen. Ein "erfolgreiches ÖH-Rebranding" sei essenziell, im nächsten Schritt brauche es gar eine "neue Corporate Identity". Zu diesem Zweck will man einen "Logo-Wettbewerb" ausschreiben.

Im Koalitionsvertrag ist auch die Art der Zusammenarbeit zwischen VSStÖ, Gras und Flö festgeschrieben. So etwa, dass die Entscheidungsfindung immer im Konsens aller Beteiligten stattfinden muss. Wie schon aus den Statuten der Gras bekannt, sollen künftig auch koalitionsintern sogenannte Safe Spaces installiert werden können. Eine Flinta*-Person (Frauen, Lesben, Inter-, Non-Binäre, Transgender- oder Agender-Person) kann demnach ohne Begründung verlangen, dass "alle anwesenden Cis-Männer" den Raum verlassen müssen, wobei die Sitzung formell für diesen Zeitraum unterbrochen wird. (Theo Anders, 18.6.2021)