Sie beschließen, ein Auto zu kaufen, und sagen dem Autoverkäufer, dass Sie moralisch und umweltbewusst vorgehen möchten – und vertrauen ihm, dass er etwas Passendes für Sie findet. Man denkt da an ein Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffauto. Dann stellt man aber fest, dass der Verbrennungsmotor-Teil des neuen Autos von einem deutschen Hersteller geliefert wird, der unrichtige Angaben über die jeweiligen Emissionen machte (siehe Abgasskandal rund um die Volkswagen AG). Die Zeit nimmt ihren Lauf, und ein paar Jahre später merken Sie, dass es zu Schäden an Ihrem Auto kommt, da es aufgrund eines mangelnden Korrosionsschutzes Rost ansetzt. Nicht mehr lange, und es ist reif für den Schrottplatz. Beschäftigen sich Anleger näher mit nachhaltigen Geldanlagen und Investments, so werden die meisten Anleger ähnliche Erfahrungen machen. Welchen Begriff Sie auch immer verwenden, um diese nachhaltigen Veranlagungen zu beschreiben – es sind damit grüne, ethische und sozial verantwortliche Anlagen gemeint.

Auf Wachstumskurs

ESG-Investitionen (Geldanlagen in Umwelt, Soziales und Governance), die oft auf eine Anfang der 2000er-Jahre gestartete Initiative der Vereinten Nationen zurückgeführt werden, haben in den letzten zehn Jahren schnell zugenommen. Ist dieses nachhaltige Investieren jedoch nur eine Modeerscheinung, und wie viel "Grün" steckt wirklich drinnen? Alle scheinen darüber zu sprechen – nicht zuletzt die Produktanbieter, die uns gerne davon überzeugen möchten, dass ihre nachhaltigen Fonds so viel besser, ethischer oder moralischer sind als die aller anderen.

Wir erleben derzeit einen Boom bei (vermeintlich) grünen Investments. Laut einem aktuellen Morningstar-Bericht gibt es weltweit mehr als 530 Index-Investmentfonds und Exchange Traded Funds (ETFs), die ihre Bestände auf ESG-Kriterien hin überprüfen. Zusammen verfügen diese Fonds über ein Vermögen von an die 250 Milliarden Dollar – mehr als doppelt so viel wie drei Jahre zuvor, und auch in Europa befinden sich mittlerweile elf Prozent des verwalteten Vermögens in nachhaltigen Fonds. So stieg in Österreich die Gesamtsumme der Veranlagungen in nachhaltige Geldanlagen letztes Jahr auf knapp 39 Milliarden Euro. Vor zehn Jahren wurden hierzulande lediglich etwas über zwei Milliarden Euro in nachhaltige Veranlagungen gesteckt.

Positive Korrelation

Abgesehen von den moralischen Gründen für Investitionen in Fonds, die einen ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen bringen, ist nachhaltiges Investieren finanziell eine gute Idee? Liefern nachhaltige ESG-Fonds höhere Anlagerenditen als ihre etablierten Pendants?

Wirft man einen Blick auf europäische und US-amerikanische Studien, so zeigen diese, dass es eine positive Korrelation von hohen ESG-Werten (sehr nachhaltige Unternehmen) und der finanziellen Rendite von Unternehmen gibt und diese im Zeitverlauf stabil erscheint und sich über verschiedene Sektoren und Regionen hinweg manifestiert. Bisher sind die Beweise also ermutigend, und Unternehmen mit hoher Nachhaltigkeit schneiden in der Regel auch gut ab. Um aber auch die Gegenseite zu beleuchten: Es gibt einen Fonds (Vitium Global Fund), der seine Investitionen auf "Laster-Branchen" ausrichtet. Damit sind zumeist sozial unverantwortliche und moralisch verwerfliche Investitionen oder "Sündenaktien" angesprochen. Der Fonds investiert hauptsächlich in Aktien, die den Großteil ihrer Einnahmen aus der Alkohol-, Tabak-, Glücksspiel- und Verteidigungsindustrie erwirtschaften, und es zeigt sich, dass sich auch dieser Fonds in den letzten Jahren gut entwickelte.

Bringen grüne Aktien auch gleich eine bessere Rendite?
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Grüner Anstrich

Jemand, der nicht in diese Aktien investieren möchte, könnte annehmen, dass nachhaltige Fonds Sektoren wie Treibstoffe und andere Sündenbestände wie Waffen, alkoholische Getränke und Tabak gänzlich ausschließen. Es mag überraschen, dass fast alle nachhaltigen Fonds keine harten Sektorausschlüsse vornehmen. Schauen Sie sich den Dow-Jones-Sustainability-World-Index an, der von vielen als der Goldstandard für die Erfassung der Nachhaltigkeit von Unternehmen angesehen wird. In diesem Index ist British American Tobacco gelistet. Oder nehmen Sie den SRI European Stock Fund (Vanguard). Dieser "grüne" Fonds investiert einen Teil seines Vermögens in Öl- und Gasaktien, und so werden Anleger durch Marketingmaterialien "in die Irre geführt". Es kann ebenso der Vanguard's-FTSE-Social-Index-Fund angeführt werde, worin sich Unternehmen wie Tesla befinden. Dieses Unternehmen gilt als führend im Bereich der Elektroautos, dennoch stand es bis vor kurzem aufgrund der Möglichkeit des Bezahlens mittels Bitcoin massiv in der Kritik, da Bitcoin enorme Energieressourcen verschlingt (es wird geschätzt, dass die Bitcoin-Produktion zwischen 22 und 22,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr erzeugt).

Nachhaltige Anlagestrategien von Fonds und Mandaten fokussieren sich häufig auf die Stimmrechtsausübung, normbasierte Screenings oder die ESG-Integration. Dingen wie wie fundamental nachhaltig das jeweilige Unternehmen, Investitionen oder Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind, wird hingegen keine Beachtung geschenkt. Ohne diese Maßnahmen wird Ihre nachhaltige Investition jedoch scheitern, egal wie viele Ethikausschüsse sich dem Thema annehmen.

Anleger bekommen nicht, was sie wollen

Der Klimawandel und die globale Erderwärmung sind Themen, die immer mehr Menschen beschäftigen, und so versuchen auch die Marktteilnehmer an den Finanz- und Kapitalmärkten, ihren Teil für einen grüneren Planeten beizutragen. Ich bin mir sicher, dass viele Anleger es in Kauf nehmen würden, einige Prozentpunkte weniger an Rendite zu erzielen, um in nachhaltige Veranlagungen zu investieren und um so etwas Gutes zu tun. Dennoch können Anleger nicht immer sicher sein, dass ihre ESG-Fonds die gewünschte Wirkung erzielen. Darüber hinaus gibt es trotz der starken jüngsten Renditen grüner Investments keine Garantie dafür, dass die zukünftige Performance mit den breiten Indizes mithalten wird.

Wenn wir einen Blick auf den zuvor erwähnten vermeintlich "grünen" Dow-Jones-Sustainability-World-Index werfen, so erzielte dieser über die vergangenen zehn Jahre in etwa neun Prozent an Rendite. Der herkömmliche MSCI-World-Index warf an die zehn Prozent an Rendite für die Anleger ab. Aber sind diese vergangenen Ergebnisse ein guter Wegweiser für die Zukunft?

Es ist eine offene Frage, ob die starken Renditen nachhaltiger Fonds ein Luxus vergangener Tage waren, der von einem allgemein steigenden Markt gewährt wird, der Wachstumswerte begünstigt, die viele ESG-Fonds besitzen. Sicher ist jedoch, dass die mangelnde Fokussierung auf geeignete Parameter und Anlagestrategien von ESG-Fonds (unter anderem die erläuterten Investitionen oder Ausgaben für Forschung und Entwicklung) und kein gänzlicher Ausschluss bestimmter Sektoren nicht nur zu mangelnden, unterdurchschnittlichen Erträgen für die Anleger führen, sondern diese ebenso zu ethischen und moralischen Veranlagungen geführt werden, welche es bei genauerem Hinsehen erst gar nicht sind. Sie bekommen somit die zweifache Kehrseite der Medaille. (Bernhard Führer, 6.7.2021)