Momentan werden Genesene im Restaurant ein halbes Jahr lang wie Geimpfte behandelt.

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Das Angebot, ein Genesungszertifikat zu bekommen und damit wieder ins Alltagsleben zurückzukehren, sei zu verlockend gewesen, schrieb die Polizei Oberösterreich kürzlich recht lapidar über die Beweggründe eines Mannes, der möglicherweise eine Straftat begangen hat. Er habe sich, so heißt es, Speichel von einer Corona-positiven Person geholt, daraufhin wurde er angezeigt. Berichte über derartige Fälle häufen sich: Da wird über "Corona-Jäger" geschrieben und über Annoncen für Positiv-Speichel, in der Schweiz gibt es Berichte über eine Politikerin, die sich fremden Speichel um die Nase geschmiert haben soll. Sie dementierte das.

Phänomene wie diese führen dazu, dass Journalistinnen, Juristen und Virologinnen nun über Rotz und Spucke sprechen, um die Frage zu klären: Wie gefährlich ist das? Und: Was bedeutet das für die 2G-Regel, ergibt die momentan überhaupt noch Sinn?

Absichtliches Anstecken

Kavaliersdelikte sind Fälle von erschlichenen Zertifikaten jedenfalls nicht. Die rechtlichen Folgen können unterschiedlich ausfallen, wie theoretische Beispiele illustrieren. Etwa folgendes: Angenommen, Frau X. weiß, dass Herr Y. gerade infiziert ist, besucht ihn deswegen und atmet ein paarmal tief durch, in der Hoffnung, sich anzustecken und damit bald einer geimpften Person gleichgestellt zu sein.

Bleibt Frau X. zu Hause, bis sie weiß, ob ihr Plan geklappt hat und bis sie wieder gesund ist, macht sie sich damit noch nicht strafbar. Geht sie aber weiter unter Leute, dann könnte der Strafrechtsparagraf über "die Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten" greifen. Darauf stehen – je nachdem, ob das vorsätzlich oder unabsichtlich geschieht – zwischen einem und drei Jahren Haft oder hohe Geldstrafen.

Dasselbe gilt für Herrn Y.: Indem er Besuch empfängt, könnte es sein, dass er, neben Verwaltungsübertretungen, auch wegen der Gefährdung durch übertragbare Krankheiten oder Körperverletzung angezeigt oder verurteilt wird, sagt der Jurist Christoph Engelmann.

Gekaufte Spucke

Noch heikler wird es, wenn man sich eigentlich gar nicht infiziert hat, aber so tut, als ob. Etwa wenn Herr A. sich Speichel von der infizierten Frau B. kauft, den auf einen Test tröpfelt und den Behörden schickt. Damit, sagt Engelmann, erfülle Spuckekäufer A. wohl den Paragrafen 293 im Strafgesetzbuch: Beweismittelfälschung. Denkbar seien dazu noch Anzeigen wegen Täuschung und Urkundenfälschung – übrigens unabhängig davon, ob Geld geflossen ist. Auf alle drei Delikte stehen bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder bis zu 720 Tagessätze. Ausjudiziert ist das noch nicht, sagt Engelmann, aber: "Das wird wohl Thema werden in den nächsten Wochen und Monaten."

Bei der Urkundenfälschung gilt das ganz besonders, denn unter dieses Delikt fallen auch gefälschte Impfpässe. Bislang, so zeigt eine Abfrage beim Justizministerium, sind die Zahlen derartiger Delikte, die bei den Staatsanwaltschaften anfielen, noch nicht rasant gestiegen. Das kann zwei Gründe haben: Entweder ist das Phänomen nicht so weit verbreitet, wie es momentan in den Medien scheint. Oder aber die Behörden entdecken viele Fälschungen nicht.

Zu alldem kommt noch, dass der nur vorgegeben infizierte Herr A. Verwaltungsstrafen fürchten muss, wenn er in Bars geht oder sich ab März, wenn die Impfpflicht gilt, nicht impfen lässt. Verstößt er etwa gegen die 2G-Regel, dann sind das bis zu 1450 Euro Strafe oder bis zu vier Wochen Haft. Umgeht er die Impfpflicht, können viermal pro Jahr bis zu 600, eventuell sogar bis zu 3600 Euro fällig werden.

Mangelnder Schutz

Auf der anderen Seite stehen die gesundheitlichen Konsequenzen – für sich und die Allgemeinheit. Mit einer Infektion geht vor allem für Ungeimpfte immer die Gefahr einher, im Spital zu landen oder sogar zu sterben. Die nimmt man in Kauf, wenn man sich absichtlich ansteckt, und auch, wenn man ungeschützt voll am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, indem man so tut, als ob.

"Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, wie Omikron bei Menschen, die gar nicht immun sind, abläuft", so formuliert das die Virologin Dorothee von Laer.

Und: Immunität ist nicht gleich Immunität, schon gar nicht angesichts von Varianten. Wer sich absichtlich infiziere, sagt von Laer, "wird gegen wiederkehrende und eventuelle kommende Varianten nicht geschützt sein". Auch der Schutz nach der Genesung von früheren Varianten hält laut von Laer nur drei Monate lang. "Da muss man mittlerweile umdenken: Am Anfang hat man gesagt, die Genesenen haben nicht genug Freiheiten, das gilt nun bei Omikron nicht mehr", sagt sie.

Das betrifft natürlich auch jene, die sich nicht absichtlich infiziert haben, auch sie sind momentan rein rechtlich in den meisten Bereichen sechs Monate lang den Geimpften gleichgestellt. Das deutsche Robert-Koch-Institut hat diese Spannen kürzlich auf drei Monate gesenkt, von Laer würde Österreich dringend raten nachzuziehen.

Und den Genesenen, sich zu impfen: "Dreimal geimpft und genesen, das ist der beste Schutz", sagt sie. "Wobei drei Impfungen auch ohne Genesung deutlich besser schützen würden, als nur eine Genesung."

Politisch ist das derweil aber kein Thema, auch nicht im Gecko-Gremium. Auf Anfrage heißt es von einer Sprecherin dazu: "Diese Frage wurde nicht an Gecko gestellt, wird also auch nicht vom Gremium diskutiert." (Gabriele Scherndl, 28.1.2022)