Sigrid Pilz ist Patientenanwältin in Wien und mit der aktuellen Strategie der Bundesregierung, was die Bekämpfung der Pandemie betrifft, unzufrieden.

Foto: Newald

Die Ampelkommission ist ob der hohen Corona-Neuinfektionszahlen für die Umsetzung geeigneter Maßnahmen – wie berichtet war zunächst von einer "Wiedereinführung" die Rede, nach einem "wichtigen Anruf" wurde die Formulierung aber abgeschwächt –, das Gesundheitsministerium und das Bundeskanzleramt sehen allerdings keinen Grund zu handeln. Das ist einerseits paradox, weil Katharina Reich sich in der Kommission für Maßnahmen ausgesprochen hat. Reich ist die oberste Gesundheitsbeamtin im grünen Gesundheitsministerium und Chefin des anderen staatlichen Corona-Gremiums: Gecko.

Sigrid Pilz: "Das sorgt für Verunsicherung"

Auf der anderen Seite sorgt die Diskrepanz zwischen der Kommissionsempfehlung und der Regierung für Unverständnis. Patientenanwältin Sigrid Pilz sagte im Ö1-"Morgenjournal" am Freitag: "Ich verstehe nicht, wie man in der jetzigen Situation keinen Handlungsbedarf sehen kann." Auch dass die Impfpflicht ausgesetzt wurde, obwohl die Neuinfektionen eine Rekordhöhe erreicht haben und die Normalstationen stark belastet sind, verstehe sie, aber auch die Bevölkerung, nicht. "Das sorgt für Verunsicherung."

Stark belastete Normalstationen

Tatsächlich wird aus einigen Bundesländern wieder gemeldet, dass Operationen wegen Überlastung bzw. Personalmangels verschoben werden müssen, etwa in Oberösterreich und in Wien, wo zuletzt 594 Patientinnen und Patienten mit Covid auf einer Normalstation lagen, tags zuvor waren es mehr als 600 – ein Höchstwert. "Wir können nicht zulasten von Menschen, die herzkrank sind oder eine Krebserkrankung haben, schon wieder Operationen verschieben. Das ist unethisch", sagt Pilz. Außerdem sorge die Überlastung in den Spitälern für eine Überforderung des Personals, was ebenfalls vermieden werden müsse.

Schulen und Pflegeheime besonders betroffen

Große Cluster gibt es laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) in Pflegeheimen und in Schulen. Dort wurde zuletzt die Maskenpflicht ja abgeschafft, die Anwesenheitspflicht wiedereingeführt. In Pflegeheimen gelten nach wie vor G-Regeln und Maskenpflicht.

Apropos Masken: Pilz ist hier für eine Pflicht in allen Innenräumen, "also auch in den Schulen". Außerdem fordert sie Homeoffice, wo es möglich ist, und gute Lüftungsanlagen in öffentlichen Gebäuden. Pilz ist außerdem der Meinung, dass die Gratistests nicht abgeschafft werden sollten. Eine Entscheidung, wie es hier weitergeht, dürfte Ende des Monats fallen.

Pilz vermisst Solidarität bei Rauch

Auch in einem anderen Punkt übt Pilz, die selbst nach dem Rücktritt Rudolf Anschobers als Gesundheitsministerin im Gespräch war, Kritik an Rauch. Dieser hat im Interview mit dem STANDARD zwar gesagt, er werde bemüht sein, den Schutz besonders schützenswerter Bevölkerungsgruppen sicherzustellen. Allerdings: "Trotzdem kann ich die Maßnahmenplanung nicht ausschließlich daran ausrichten, was für die am meisten gefährdete Gruppe gerade notwendig ist. Ich bin schon jemand, der darauf schaut, auch Vorsicht walten zu lassen. Aber Gesundheit in meiner Welt ist nicht nur die Abwesenheit von Covid." Pilz hält das für eine unsolidarische Einstellung – und wünscht sich das Gegenteil. (Lara Hagen, 11.3.2022)