Heutzutage geht alles spielerisch. Die freundliche Stimme im Navi sagt, es sei ratsam, nach 100 Metern rechts abzubiegen, der Zielort befinde sich links. Das war’s. Früher musste noch während der Fahrt nervös in einem Stadtplan genestelt werden, um punktgenau die Abfahrt zu finden.

Das Grazer Stadtparlament beschloss, die Kernstockgasse und die Max-Mell-Allee umzubenennen.
Foto: Alexander Danner

Was aber, wenn es die Zielstraße gar nicht mehr gibt? Wenn sie einen neuen Namen bekommen hat? Europaweit werden regelmäßig Namen von Straßen geändert. Aktuell sind es in Graz zwei Straßen. Wie überall, so hängt auch hier ein Rattenschwanz an aufwendigen bürokratischen, organisatorischen und logistischen Änderungen daran. Von neuen Stadtplänen bis zu aktualisierten Postabläufen. Und eine zentrale Frage muss ebenso geklärt werden: Wer zahlt’s?

Aber warum werden Straßennamen, wie derzeit in Graz, eigentlich geändert?

Belastete Biografien

Es geht substanziell meist um Orte, die Persönlichkeiten mit schwer belasteten Biografien gewidmet wurden, Anhängern und Anhängerinnen der NS-Ideologie, Rassisten oder Kriegstreibern. "Dieses Thema beschäftigt die Stadt Graz seit vielen Jahren", sagte die Grünen-Politikerin Manuela Wutte in ihrem zuletzt eingebrachten Antrag auf Änderung der Straßennamen Kernstockgasse und Max-Mell-Allee. Es ist der Startschuss für eine ganze Reihe von Straßenumbenennungen in Graz. Doch es wird dauern. Denn der bürokratische Aufwand schon allein für diese beiden kleinen Straßen ist beachtlich.

Nicht nur neue Straßenschilder braucht es, auch die Hausnummern tragen den Namen der Gasse auf ihrem Schild.
Foto: Alexander Danner

Es müsse vorerst ein Beratungsgremium einberufen werden, in dem alle Parteien, das zuständige Stadtvermessungsamt plus externe Experten sitzen, die die weitere Vorgangsweise abklären werden, sagt Wutte. Was muss besprochen werden? Etwa wie die Straßen zu ihren neuen Namen kommen werden. Sollen die Bewohner befragt werden, soll es ein Diktum geben, das eher ausgeschlossen wird, oder soll eine Liste mit Vorschlägen vorgelegt werden? Schließlich muss geklärt werden, wie viele Straßen- und Haustafeln ausgetauscht werden müssen und vor allem wer dies alles finanziert. Müssen etwa auch Privatpersonen für die Änderung zahlen?

Umstellungen bei der Post

Die neuen Adressen bedeuten freilich auch eine erhebliche Umstellung im Postsystem. Markus Leitgeb von der Post AG erklärt: "Eine Änderung von Straßennamen oder Postleitzahlen – die sogenannte Umpostung – kommt auf ganz Österreich gesehen regelmäßig vor und ist damit Teil unserer Arbeit." Eine Umstellung bedeute vorrangig organisatorischen Aufwand, das heißt konkret: "Es muss ein Abgleich aller betroffenen Adressen mit der Gemeinde oder Stadt gemacht werden, die Datenbanksysteme, von der Zustellung bis hin zu Filialen und Postpartnern, müssen aktualisiert werden, auch die Sortieranlagen in unseren Logistikzentren müssen umgestellt werden." Die Verknüpfung der neuen Adresse mit dem vorhergehenden Namen, damit in den ersten Monaten nach der Umstellung auch Sendungen an die "alte" Adresse zustellen können, müsse organisiert werden. Diese Umorganisation müsse bis zu den jeweiligen "Zustellbasen" orchestriert werden. Die Zusteller und Zustellerinnen müssen informiert werden. Änderungen an den Sortiertischen seien notwendig und auch Umbeschriftungen der jeweiligen Fächer.

Der Grazer Bezirksrat Geidorf will die Max-Mell-Allee in Oktavia-Aigner-Rollett-Allee umbenennen.
Foto: Alexander Danner

Der Grazer Bezirksrat Geidorf hat jedenfalls bereits den Beschluss gefasst, den Gemeinderat um die Umbenennung zumindest der Max-Mell-Allee in Oktavia-Aigner-Rollett-Allee zu ersuchen. Oktavia Auguste Aigner-Rollett ist die erste Frau, die in Graz als Ärztin eine Praxis eröffnet hatte.

Wiens vielschichtige Umbenennung

Straßen sind bald umbenannt, aber es gibt auch vielschichtige Beispiele, wie die Adresse der Wiener Universität. Die Diskussion über ihre Adresse Dr.-Karl-Lueger-Ring 1 begleitete die Universität Wien über viele Jahre. Immer wieder gab es Initiativen in der Hochschule – insbesondere von den Studierenden –, die eine Umbenennung anstrebten. Die Universitätsleitung hatte in diesem Zusammenhang immer ein ergänzendes Anliegen, nämlich die Erhaltung einer eigenen "Ring-Adresse". Mit der Umbenennung des Ringabschnitts vor dem Hauptgebäude griff die Stadt das jahrelange Anliegen kurz vor dem 650-Jahr-Jubiläum auf. Seit 2012 lautet die Adresse: Universitätsring 1.

Für die Hochschule zeigte die Benennung eines Teils des Rings nach der Universität die "Bedeutung, die die Universität für die Stadt hat". Visitenkarten, Schilder und dergleichen wurden an der Uni übrigens sukzessive geändert, heißt es aus dem Rektorat. Da das alles Schritt für Schritt gemacht wurde, waren die Kosten dafür "überschaubar". Größeren Aufwand bezüglich Nachsendungen gab es nicht: "Das Hauptgebäude blieb ja, wo es war." (Oona Kroisleitner, Walter Müller, 29.3.2022)