Gesundheitsminister Rauch präsentierte den Variantenmanagementplan.

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Ex-Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte die Corona-Ampel, sein Nachfolger Wolfgang Mückstein (Grüne) hatte den Intensivbetten-Stufenplan. Der dritte amtierende Gesundheitsminister in der Pandemie hat nun ebenfalls einen abgestuften Plan, der Österreich vor weiteren tausenden Toten bewahren soll: den Variantenmanagementplan.

Genauer genommen sind das vier verschiedene Szenarien, die im Herbst eintreten könnten. Der VMP, wie das Wortungetüm abgekürzt wird, wurde von 80 Experten und Expertinnen erarbeitet; Stand jetzt soll er 100 Seiten umfassen. Die Eckpunkte dessen wurden am Freitag von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) präsentiert. Er will sich damit gegen Vorwürfe wehren, er würde den Herbst verschlafen.

Der VMP soll, wenn er fertig ist, "aufzeigen, welche Maßnahmen zu setzen sind". Welche genau das sein werden, ist noch unklar. Die vier Szenarien sind nach Dramatik der Situation gestaffelt und gestalten sich wie folgt:

  • Szenario 1: Idealfall

Dieses lässt sich am einfachsten mit dem Begriff "Schnupfenvirus" bezeichnen, den der Biologe Andreas Bergthaler, der ebenfalls bei der Präsentation anwesend war, verwendet hatte. In diesem Szenario gäbe es keine schweren Erkrankungen und damit auch keine Einschränkungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens.

  • Szenario 2: Günstiger Fall

In diesem Fall würde eine zunehmende Immunität zu einer geringeren Heftigkeit der Welle führen. Durch Varianten wie Omikron würde es aber weitere Wellen geben, dazu – das kennt man in Österreich bereits – saisonale Unterschiede. Schwere Verläufe würden in dem Fall vor allem vulnerable Gruppen betreffen, damit wären auch Einschränkungen nur partiell in Risikosettings zu setzen.

  • Szenario 3: Ungünstiger Fall

Dieser beinhaltet viele Infektionen, und zwar global, dazu "noch viele Jahre" unvorhersehbare und häufig auftretende Varianten, die auch schwere Verläufe zur Folge hätten. Impfung und Immunitäten würden in dem Fall dennoch vor vielen schweren Verläufen schützen, davon wäre dann auch die Belastung der Gesundheitseinrichtungen abhängig. Infektionswellen würden "weitereichende Störungen des gesellschaftlichen und sozialen Lebens" zur Folge haben.

  • Szenario 4: Sehr ungünstiger Fall

Dabei geht man von Varianten aus, die nicht nur ähnlich infektiös wie Omikron, sondern auch virulenter als Delta sind. Das beutetet: viele sehr kranke Menschen. Damit einher gehen viele Hospitalisierungen und viele Menschen mit Langzeitfolgen, außerdem eine hohe Sterblichkeit und eine sinkende Lebenserwartung. Die Folge wären in diesem Fall "starke" Einschränkungen im gesellschaftlichen und sozialen Leben.

Finaler Plan im Juni

Der VMP durchläuft nun noch einige Schleifen, diese Woche soll er an die Gecko gehen. Im Anschluss will das Ministerium einen finalen Plan als Grundlage für politische Entscheidungen präsentieren. Auf welcher Stufe etwa die Impfpflicht wieder aktiviert werden soll, wollte Rauch am Freitag noch nicht angeben. Das müsse die zuständige Kommission entscheiden, die Ende Mai einen Bericht veröffentlichen soll. Wichtig sei aber, im August und September die Menschen zur Impfung zu bringen, sagte er, da plane man eine Kampagne. Die soll nicht "von oben herab" erfolgen, sondern in Betrieben, Apotheken und bei Ärztinnen und Ärzten ansetzen.

Selbst die Experten, die bei der Präsentation anwesend und in die Erstellung involviert waren, betonten aber, dass ein Schriftstück nicht genug sei. Bergthaler sagte, man dürfe den VMP nicht im Juni präsentieren und dann "Ferien machen". Außerdem habe man Baustellen, die von Szenarien unabhängig seien, etwa dass man endlich eine solide Datengrundlage schaffe.

Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich GmbH sagte, die Wissenschaft habe keine Glaskugel, momentan beurteile sie die Situation aber eher positiv. Dennoch müssten Planungsüberlegungen "jetzt" beginnen.

Gesundheitsminister Rauch betonte einmal mehr, dass sämtliche Maßnahmen verfassungskonform sein müssten. Dass das beim zweiten Lockdown für Ungeimpfte der Fall war, bestätigte am Freitag der Verfassungsgerichtshof. Die dazugehörige Verordnung stammte allerdings noch aus der Feder von Ex-Gesundheitsminister Mückstein.

Eines fällt im Vergleich zwischen Rauch und seinen Vorgängern sowie ihrer Stufenpläne aber auf: Rauch ist früher dran. Die Corona-Ampel wurde im Sommer 2020 präsentiert und im September implementiert, der Intensivbetten-Plan im Oktober des Vorjahres. Beide Konzepte wurden nur kurz nach ihrem Anlaufen von der Realität überholt. (Gabriele Scherndl, 6.5.2022)