Die Vorsitzende der Bioethikkommission, Christiane Druml, hätte sich eine Beibehaltung der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr erwartet.

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Die Corona-Impfpflicht liegt auf Eis, und die Masken fallen – vorerst. Diese von der Bundesregierung am Dienstag verkündeten Regeln, die ab 1. Juni gelten, stoßen bei Christiane Druml, der Vorsitzenden der Bioethikkommission, auf wenig Begeisterung. Zum einen forderte sie im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch einmal mehr die Impfpflicht für Gesundheitsberufe und Menschen ab 60 Jahren, weil die Pandemie eben "keine Privatsache" sei. Auch die Maskenpflicht hätte sie im öffentlichen Verkehr belassen. Indes hat Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) diesen Sonderweg bei den Masken – in den Wiener Öffis werden sie weiterhin getragen – verteidigt. Er kritisiert in Ö1 eine fehlende Abstimmung und Kontinuität vonseiten des Bundes.

Druml sieht Gefahr im Herbst

Dass viele in der Bevölkerung über den Maskenwegfall erfreut sind, kann die Bioethikerin nachvollziehen. "Es ist verständlich, dass die Menschen, wenn es heiß ist, nicht sehr gerne eine Maske tragen", sagt Druml. Sie sieht in erster Linie eine Gefahr für den Herbst: Falls dann eine gefährlichere Variante auftauchte, werde es schwierig sein, die Bevölkerung wieder vom Maskentragen zu überzeugen. Die Beibehaltung der Maskenpflicht in "gewissen Bereichen" wie dem öffentlichen Verkehr hätte sie daher begrüßt.

Auch an der Ansprache des Gesundheitsministers übte Druml Kritik: Dieser habe am Vortag von mehr Eigenverantwortung und weniger staatlichen Eingriffen gesprochen. "Jeder Mensch ist imstande, unvernünftig zu handeln. Auch das ist Eigenverantwortung, wenn auch keine, die geprägt ist von Solidarität und Fürsorge", wendet die Bioethikerin ein. Deswegen: Eigenverantwortung ja, "aber nur mit Solidarität".

Impfpflicht für Gesundheitsberufe

Diese Solidarität fordert sie auch im Rahmen "spezieller Impfpflichten" ein: Weil Menschen in Gesundheitsberufen für sich selbst und ihre Patienten Verantwortung tragen, hält sie bei dieser Gruppe eine Impfpflicht für angebracht. Das schlage die Bioethikkommission schon seit vielen Jahren vor, auch für andere Krankheiten, doch bisher sei nichts geschehen.

Druml spricht sich auch für eine Impfpflicht für Menschen über 60 Jahren aus: "Eine Pandemie ist keine Privatsache. Wir sind alle in einer Gesellschaft, und hier müssen wir an verschiedene Dinge denken. Und wenn ich selbst gefährdet bin, dann muss ich mich selbst schützen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Und in einer Situation wie jetzt in einer Pandemie, kann einem der Staat diese Entscheidung aus der Hand nehmen."

Hacker verteidigt Wiener Masken-Sonderweg

Wenig Verständnis für die Vorgehensweise des Bundes hat auch Wiens Gesundheitsstadtrat Hacker. Auf Ö1 verteidigte er am Mittwoch die Beibehaltung der Maskenpflicht in Wiener Öffis und warf dem Bund fehlende Kontinuität vor: Die Verordnung hätte ursprünglich bis 8. Juli gelten sollen. Aber, so Hacker, "kaum dreht man sich zweimal um, gibt's schon wieder eine neue Entscheidung – das kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen".

Dass Wien stets einen Sonderweg gehe, sei eine "inhaltliche Frage" und keine politische, versicherte Hacker. Dass die Pandemie vorbei sei, sei die falsche Botschaft. Er verstehe auch nicht, warum in den Schulen mit dem Testen aufgehört wird. Von der Entscheidung des Bundes, dass die Maskenpflicht auch in den Öffis ausgesetzt wird, zeigte sich der Stadtrat überrascht. Es sei "etwas Erstaunliches in diesem Land, dass es nicht und nicht möglich ist, zum Telefonhörer zu greifen und sich miteinander abzusprechen", kritisierte er Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Auch das weitere Aussetzen der Impfpflicht hält Hacker "grundsätzlich" für einen Fehler, denn wenn man es schon beschlossen habe, solle man es auch durchziehen, alles andere sei "unlogisch". (etom, APA, 25.5.2022)