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Die Schauspielerin Amber Heard nach der Urteilsverkündung.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/WIN MCNAMEE

Es war der meistbeachtete Fall seit Harvey Weinstein, der im Zuge der #MeToo-Enthüllungen vor Gericht stand. Nun waren es Amber Heard und Johnny Depp, und schier die ganze Welt verfolgte den Prozess, in dem sie sich gegenseitig wegen Verleumdung klagten. Nun haben sich knapp eine Woche nach Prozessende die Laienrichter:innen auf das Urteil geeinigt. Johnny Depp hat den Prozess gewonnen – obwohl beide wegen Verleumdung schuldig gesprochen wurden. Er muss allerdings nur zwei Millionen zahlen, sie erhält eine erstinstanzliche Strafzahlung von 8,35 Millionen Dollar*.

Das ist ein Urteil, das Opfern von Gewalt die Rute ins Fenster stellt – und deshalb weitreichende Folgen haben wird. Es festigt die ohnehin schon bei so vielen Frauen große Sorge darüber, was alles schiefgehen, kann wenn sie öffentlich über Gewalterfahrungen sprechen. Dass Depp den Verleumdungsprozess gegen Heard gewonnen hat, ist ein herber Rückschlag für alles, was #MeToo angeblich ins Rollen gebracht hat. Denn in dem Prozess ging es längst nicht mehr um die Einzelpersonen Depp und Heard. Sie haben sich zweifelsohne nichts geschenkt – doch darum ging es nicht. Es ging darum, ob Heard mit ihrem Artikel in der "Washington Post" von 2018 Depp verleumdet hat – obwohl sie nie seinen Namen genannt hat. Er hatte sie auf 50 Millionen Dollar geklagt, sie ihn – ebenfalls wegen Verleumdung – auf 100 Millionen.

DER STANDARD

Fürchterlicher Prozess

Es waren schreckliche und brutale Details, die in diesem fürchterlichen Prozess zutage traten. Von Nachrichten mit Gewaltfantasien, Flaschen als Wurfgeschoßen und als Vergewaltigungsutensil. Trotzdem vertraten Depps Anwälte den 58-jährigen Schauspieler kühn mit der Position vor der Jury, Heards Aussagen über Gewalt in ihrer Ehe seien "kategorisch und nachweislich falsch". Dass die Laienrichter:innen nun angesichts dieser Schilderungen ihrer Ehe dieser Darstellung folgen, ist nicht nachvollziehbar und wohl auch vielen anderen Faktoren geschuldet.

So wurde die 36-jährige Schauspielerin in sozialen Medien etwa schnell als durchtriebene Lügnerin dargestellt. Dass es ihr nur darum gehe, seine Karriere zu zerstören. Im Laufe des Prozesses wurde es noch schlimmer. Depp-Fans mobilisierten auf diversen sozialen Medien mit Hashtags wie #JusticeForJohnnyDepp, #AmberIsALiar oder #AmberHeardIsAPsychopath. Jene hingegen, die sich auf Twitter oder auf der Straße mit "I Stand With Amber" positionierten, waren deutlich weniger. Das Absurde an dem Prozess war somit auch, dass die Welt in diesen Prozesssaal hineinsehen konnte, aber auch die Laienrichter:innen die Meinung der Welt über diesen Fall sehen konnten. Und diese Meinung ist offenbar noch immer eine hochgradig sexistische und stellt an Männer und Frauen völlig andere Erwartungen. Es ist kaum vorstellbar, dass das auf das Urteil keinen Einfluss hatte.

Es ist im Grunde alles derart klassisch, dass man kaum glauben will, dass sich das gerade im Jahr 2022 abspielt. Eine jüngere, weniger berühmte Frau legt sich – wenn erst auch nur indirekt – mit einem prominenteren, älteren und lange Zeit deutlich erfolgreicheren Mann an. Sie kommt nicht nur mit ihrer Darstellung der Geschehnisse nicht durch – das kann bei einem Prozess nun mal passieren. Aber nein, das reicht nicht, sie wird auch noch öffentlich durch den Dreck gezogen. Sie muss am Ende voraussichtlich gut acht Millionen Dollar zahlen – und zahllose andere Frauen zahlen ebenso einen hohen Preis. (Beate Hausbichler, 1.6.2022)