Katharina Reich ist die Vorsitzende der Gecko-Kommission. Und diese Kommission legte nun einen neuen Bericht vor.

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In ihrem neuen Bericht fordert die Gecko-Kommission eine bessere Überwachung der Corona-Zahlen. Und: Sie geht von bis zu 70.000 Neuinfektionen am Tag aus – vielleicht sogar schon im Sommer. Die Bevölkerung sei außerdem so viel unterwegs wie schon lange nicht mehr, gleichzeitig trage sie immer seltener Masken.

Die Gecko aktualisiert in dem Bericht ihre Einschätzungen für die nächsten Monate. Noch Mitte Mai ging man für den Sommer von einer maximalen Neuinfektionenzahl von 30.000 aus. Jetzt nicht mehr. Der Verlauf der nächsten 100 Tage, so schreibt die Gecko, hänge von drei Dingen ab: der Dominanz von BA.4 und BA.5, dem Verlauf der Immunisierung in der Bevölkerung und den individuellen Verhaltensänderungen. Daraus ergeben sich drei Szenarien.

Höhepunkt im Sommer oder Herbst

Was sie gemein haben: Die Welle wird einen Höhepunkt erreichen, und der wird zwischen 35.000 und 70.000 Neuinfektionen am Tag liegen. Die Szenarien unterscheiden sich nur in dem Zeitpunkt, wann dieser Höhepunkt erreicht wird.

Im ersten Szenario werden die "eigenverantwortlichen" Kontakte der Menschen nur um 15 Prozent reduziert. Das werde nicht ausreichen, um die nächste Welle frühzeitig abzuflachen, schreibt die Gecko. Dann würde Österreich schon im Sommer Spitzenwerte von bis zu 70.000 Neuinfektionen pro Tag erreichen. Würden die Kontakte aber um zusätzliche 20 Prozent reduziert, würde die Welle schon im Juli auf 20.000 bis 30.000 Infektionen abflachen, bevor der Peak im Herbst erreicht werden würde.

Sollten die Kontakte um 30 Prozent reduziert werden, dann wäre der "Zwischenpeak" sogar geringer als bei der BA.1-Welle: Diese hatte ihren Peak mit knapp 40.000 täglichen Neuinfektionen im Jänner. Dann käme nach dem Sommer aber noch ein Höhepunkt, der mit der BA.2-Welle vergleichbar wäre – da lag der Peak mit knapp unter 60.000 täglichen Neuinfektionen im März. Welches Szenario wahrscheinlicher ist, kann die Gecko nicht beurteilen.

Ferieneffekt erwartet

Abhängig ist all das vom sogenannten Ferieneffekt, der sich laut Gecko aus mehreren Faktoren zusammensetzt: den urlaubsbedingten Abwesenheiten am Arbeitsplatz, den Sommerferien und generell eben der Tatsache, dass viele auf Urlaub sind. Fraglich ist aber ebenso, ob das Risikobewusstsein in der Bevölkerung wieder steigt. Gecko nimmt in seinen Modellrechnungen an, dass dieser Effekt erst dann seinen Höhepunkt erreicht, wenn wieder 20.000 tägliche Neuinfektionen gezählt werden.

Plausibel ist jedenfalls, so schreibt Gecko, dass die Belastung des Gesundheitssystems ähnlich hoch sein wird wie zu den Spitzenzeiten der BA.2-Welle. Das heißt: 2.500 bis 4.500 belegte Betten im Normalbereich, 150 bis 300 belegte Betten auf Intensivstationen. Bei den Normalstationen ist ein derartiger Wert systemkritisch.

Dazu kommt wohl erneut eine "Massenquarantäne", bei der massiv Personal ausfallen wird – sofern die Isolations- und Quarantäneregeln so bleiben, wie sie derzeit sind. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) denkt seit Wochen laut darüber nach, die Quarantäne irgendwann zu erleichtern oder abzuschaffen.

Mehr Überwachung gefordert

All diese Prognosen gelten unter der Annahme, dass sich das Testregime nicht maßgeblich ändern wird. Gleichzeitig – auch das steht im Gecko-Bericht – geht das Prognosekonsortium bei den Corona-Erkrankungen von einem Dunkelzifferanteil von 50 Prozent aus. "Sinnvoll wäre eine Surveillance der aktuellen Dynamik, die sich zuletzt verschlechtert hat", heißt es in dem Bericht.

In Befragungen habe die Mehrheit der Befragten angegeben, sich in den vergangenen vier Wochen gar nicht getestet zu haben. Auch der Anteil jener, die keine Maske mehr tragen, steigt: Im April war das schon ein Fünftel, bei Gecko geht man davon aus, dass das mittlerweile noch mehr sind. So niedrig wie noch nie war der Anteil an Leuten, die in der vergangenen Woche keine Freunde oder Verwandten getroffen hatten: Das waren nur zwölf Prozent. 36 Prozent der Probandinnen hatten in der vergangenen Woche Kontakt zu mehr als zehn Personen.

Medikamente sollen einfacher verfügbar sein

Das Beratungsgremium empfiehlt außerdem, die Verfügbarkeit von Medikamenten gegen das Coronavirus zu erleichtern. So soll die Ausgabe zum Beispiel durch E-Rezepte erleichtert werden, Hausärzte und Hausärztinnen sollen die Medikamente direkt ausgeben.

Im Report geht es auch um die Nebenwirkungen von Impfungen. Daten aus Israel, so heißt es, würden zeigen, dass ein vierter Stich keine gravierenden Nebeneffekte mit sich bringt. Ob ein Impfstoffwechsel bei der vierten oder weiteren Impfungen Veränderungen der Verträglichkeit bringt, könne noch nicht beurteilt werden. (Gabriele Scherndl, 30.6.2022)