Unfallursache Raserei
Wenig regt die Österreicher so auf wie das "Hintendraufpicken", zeigen regelmäßig Umfragen zu den Frustfaktoren beim Autofahren. Und wenig ist so gefährlich wie der Temporausch: Bei über einem Drittel aller tödlichen Verkehrsunfälle spielt überhöhte Geschwindigkeit die Hauptursache. Warum aber ist das zivilisierte Miteinander auf den Straßen eigentlich so schwierig?
"Raser und Drängler sind immer die anderen", fasst Verkehrspsychologin Lilo Schmidt die Forschungsergebnisse zusammen. Beispiel Rasen: Sitzt man selbst am Steuer und hat man es in der Selbstwahrnehmung eilig oder ist ungeduldig, begeht man maximal eine Tempoüberschreitung. Sieht man dagegen einen anderen Verkehrsteilnehmer, der ebenfalls um 20 km/h zu schnell fährt, mutiert der plötzlich zum Raser.
Reich und männlich
Lydia Kasper-Ninz, Sprecherin des Autofahrerclubs ARBÖ, teilt diese Einschätzung. Das eigentliche Problem seien jene Lenker, die offensichtliche Gefahren völlig ignorieren - und mit Tempo 90 in eine dichte Nebelwand rasen. Generell seien riskante Temposünder gut situierte Männer mit größeren Autos, denen das Unrechtsbewusstsein völlig fehle.
Eine Gruppe, zu der sich Manager und Rallyepilot Kris Rosenberger nicht zählt. "Ich glaube gewisse Bedingungen einschätzen zu können, im Ortsgebiet fahre ich nie schneller als erlaubt", erzählt der 36-Jährige. Allerdings war er auf schnurgeraden Autobahnen auch schon mit 300 Stundenkilometern unterwegs. Aus seiner Sicht ein viel größeres Thema: das hohe Aggressionsniveau der Österreicher. "In Italien herrscht eher das Prinzip ,leben und leben lassen‘ und die Reglements und Gesetze werden großzügiger ausgelegt."
Praxisferne Fahrausbildung
Auch Motorjournalistin Pechmann ist "jemand, der mit Umsicht 160 fährt, lieber, als jemand, der gedankenlos mit 120 dahingondelt und keine Ahnung hat, was vor ihm und hinter ihm gerade passiert". Kritischer sind aus ihrer Sicht die mangelnde Kontrolldichte durch die Exekutive, um wirklich gefährliche Lenker zu erwischen, und falsche Schwerpunkte bei der Fahrausbildung, die noch immer zu wenig Wert auf Praxisnähe legt.
An der Ausbildung scheiden sich generell die Geister, wie auch die Fragen aus dem Publikum beweisen. Der im Jahr 2003 eingeführte "Mehrphasenführerschein", bei dem nach der eigentlichen Führerscheinprüfung ein Fahrsicherheitstraining und ein gruppenpsychologisches Gespräch verpflichtend sind, habe sich bewährt, ist ARBÖ-Sprecherin Kasper-Ninz überzeugt. Ersten Untersuchungen zufolge gehe das Unfallrisiko bei den 18-Jährigen um fast acht Prozent zurück.
Wenig Interesse an Verkehrspsychologie
Allerdings: Die verkehrspsychologischen Gespräche würden bei den Teilnehmern oft auf Desinteresse stoßen. Was Lilo Schmidt so nicht im Raum stehen lassen will. Obwohl sie eingesteht, dass die vorgeschriebenen zwei Stunden zu wenig sind, um umfassend auf psychologische Hintergründe eingehen zu können. Zusätzlich sei es schwierig, nach dem spektakulären Fahrsicherheitstraining auf dem Testparcours noch genügend Aufmerksamkeit bei den Jugendlichen zu erregen.
Fehlendes Gefahrenbewusstsein spielt dabei wohl auch eine Rolle, ist Kris Rosenberger überzeugt. Hat er doch selbst zwei Tage nach dem Führerscheinerwerb den ersten Unfall gebaut. "Ehrlich gesagt hatte ich Glück, dass ich diese Zeit überlebt habe", gesteht der Rallyefahrer ein.