Dr. Rebecca Gomperts setzt sich für das Recht auf Abtreibung ein: "Sie ist ein Faktum, Frauen brauchen sie".
Foto: Women on waves/Willem Velthoven
Mit ihrer 1999 gegründeten Organisation "Women on Waves" hat die Niederländerin Rebecca Gomperts bereits die Häfen von Irland, Polen und Portugal angesteuert, um gegen deren restriktive Abtreibungsgesetze zu protestieren. Die Organisation nimmt Frauen an Bord, um ihnen auf internationalem Gewässer eine Abtreibung zu ermöglichen. Der Hauptteil ihrer Arbeit besteht aber in Aufklärung und Bewusstseinsarbeit, erklärt die frischgebackene Mutter und entschlossene Frauenaktivistin im Interview mit die Standard.at.

dieStandard.at: Wie kam es zur Entstehung von "Women on Waves"?

Rebecca Gomperts: Ich hatte meine Ausbildung als Ärztin abgeschlossen und arbeitete für Greenpeace als Teamärztin. Damals waren wir in Mexiko und ich habe erstmals mitbekommen, welche Auswirkungen ein Abtreibungsverbot auf das Leben von Frauen hat. Der Kapitän des Greenpeaceschiffes, mit dem wir damals unterwegs waren, brachte mich schließlich auf die Idee mit dem internationalen Gewässer. Dort gilt nämlich nicht mehr das hiesige Gesetze, sondern die gesetzlichen Grundlagen des Herkunftslandes des jeweiligen Schiffes. Das war also die Ursprungsidee, aber es brauchte ein bisschen, bis wir schließlich unser erstes eigenes Schiff hatten.

Laut Schätzungen gibt es jährlich 90 Millionen illegale Abtreibungen und eine von 300 Frauen stirbt durchschnittlich an dieser ‚Behandlung’. Andererseits ist die Abtreibung an sich eine der sichersten medizinischen Eingriffe überhaupt. Aber nur hier in Österreich und in anderen Ländern, wo der Eingriff legal ist und von ausgebildeten Menschen durchgeführt wird. Insofern ist es eine Verletzung der Menschenrechte, wenn Frauen der Zugang zu einer sicheren Abtreibung vorenthalten wird.

dieStandard.at: Welche Behandlung führen Sie auf dem Schiff durch?

Gomperts: Auf dem Schiff wird kein chirurgischer Eingriff vorgenommen. Wir bieten den Frauen aber einen medikamentösen Abbruch an. Von den holländischen Behörden haben wir die Erlaubnis, dies innerhalb der ersten 6,5 Schwangerschaftswochen zu tun.

dieStandard.at: Wieviele Frauen haben Sie bisher behandelt?

Gomperts: Nicht sehr viele. Sie müssen bedenken, dass wir erst drei Kampagnen gemacht haben. Bei der letzten, in Portugal, durften wir gar nicht in den Hafen einschiffen, weil wir angeblich 'eine Bedrohung für die nationale Sicherheit' darstellten. Man muss sich das einmal vorstellen: Wenn der Zugang zu Abtreibung die nationale Sicherheit bedroht, dann muss das wirklich ein sehr frauenfeindlicher Staat sein. Gegen diese Entscheidung haben wir aber bereits eine Klage beim europäischen Menschrechtsgerichtshof eingereicht. Einige andere EU-Länder haben sich auch auf unsere Seite gestellt.

Wir sehen unsere Aufgabe auch weniger in der Durchführung von Abtreibungen, weil das ja das Problem im jeweiligen Land nicht dauerhaft lösen würde. Der einzige Weg, den Frauen zu helfen, ist, die Gesetze zu verändern. Deshalb ist es notwendig, eine Diskussion in Gang zu bringen und Aufklärung zu betreiben.

dieStandard.at: Wie beurteilen Sie die aktuelle Abtreibungsdiskussion?

Gomperts: Wir spüren einen Rechtsruck mit religiösem Einfluss nicht nur in den USA, sondern auch hier in Europa. In den USA wird ja viel Geld in Anti-Abtreibungskampagnen investiert und mit der Neubesetzung von zwei neuen Höchstrichtern durch Präsident Bush könnte es gut sein, dass in zwei Jahren die Abtreibung in den USA verboten wird. In der EU ist die Vorsitzende des Frauenausschusses eine deklarierte Abtreibungsgegnerin und Kommissionspräsident Barroso kommt aus einem Land, in dem Abtreibung verboten ist. Was soll man da erwarten?

dieStandard.at: Ihre letzte Kampagne liegt ein Jahr zurück. Woran arbeiten Sie derzeit?

Gomperts: Wir haben die Homepage zu einer Art Infopoint ausgebaut, wo Frauen Informationen bekommen, wie sie abtreiben können, wenn in ihrem Land der Abbrauch nicht erlaubt ist. Diese Seiten werden sehr häufig aufgerufen und wir haben viele Anfragen dazu.

Wir bieten jetzt auch mehrsprachige Beratung an, und die Frauen kommen wirklich von der ganzen Welt zu uns. Vor zwei Tagen erreichte uns ein Email von einer im Irak stationierten Soldatin aus den USA, die schwanger wurde und nicht weiß, wie es weitergehen soll.

dieStandard.at: Planen Sie auch eine neue Reise mit dem Schiff?

Gomperts: Ja, es ist eine weitere geplant, nur kann ich jetzt noch nicht bekannt geben, wohin wir fahren werden. Das würde das Projekt gefährden. Außerdem müssen diese Reisen ja sehr lange vorbereitet werden. Wir brauchen ÄrztInnen, AnwältInnen und Security und mit den Organisationen aus den jeweiligen Ländern muss auch viel geklärt werden.

dieStandard.at: Das kostet sicher nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Wie finanzieren Sie sich?

Gomperts: Ausschließlich über private Spenden. Allerdings war unserer finanzielle Situation auch schon einmal besser. Besonders den schwachen Dollar bekommen wir zu spüren, weil die Hälfte der Spenden aus den USA kommen. Und dann brauchen die US-Amerikanerinnen das Geld ja auch immer mehr selbst, um zu verhindern, dass die Abtreibung in ihrem eigenen Land illegal wird.

dieStandard.at: Arbeiten Sie auch mit internationalen Organisationen zusammen?

Gomperts: Das ist nicht immer einfach. Amnesty International spricht sich zum Beispiel nicht für das Selbstbestimmungsrecht der Frau aus, weil es Angst vor finanziellen Konsequenzen hat. Auf die World Health Organisation war der politische Druck ebenfalls sehr stark, die Abtreibungspille Mifegyne nicht auf die Liste der notwendigen Medikamente zu setzen. Nach langem Hin und Her kam sie dann doch hinauf. Wir arbeiten eigentlich hauptsächlich mit kleinen lokalen Frauenorganisationen und engagierten Einzelpersonen zusammen.

dieStandard.at: Noch eine letzte Frage: Gibt es eine Geschichte zu ihrem Namen?

Gomperts: Wir machen Wellen, versuchen, die Dinge in Bewegung zu bringen. Und dabei geht es uns nicht nur um das Recht auf Abtreibung, sondern viel grundlegender um die Anerkennung der Autonomie von Frauen.