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Vista

Während Microsoft in der Vergangenheit - entgegen allen anderslautenden inoffiziellen Berichten - immer darauf beharrte, dass bei der Entwicklung von Windows Vista (oder damals noch: Longhorn) bisher alles reibungslos abgelaufen ist, hat der Konzern nur erstmals eingestanden, dass dem zumindest bis vor einem Jahr noch bei weitem nicht so war. In ungewohnter Offenheit wurden dem Wall Street Journal Informationen zur Verfügung gestellt, die das totale Chaos rund um die Windows-Entwicklung der letzten Jahre dokumentieren, die schließlich im Sommer 2004 zum endgültigen Crash und dem faktischen Neustart des Longhorn/Vista-Projekts geführt haben.

Über die...

Foto: APA / Erik S. Lesser/Ho

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Jahre

hat sich bei Microsoft ein Entwicklungsprozess durchgesetzt, der nun endgültig an seine Grenzen gestoßen war: Tausende ProgrammiererInnen arbeiten weitgehend unabhängig an ihrem Stück Code, am Ende wird dies alles in ein Gesamtpaket zusammengewürfelt. Was in den 90iger-Jahren noch zur schnellen Kreierung neuer Features - und damit neuer Windows-Versionen - nützlich war, erwies sich mit dem stetig wachsenden Umfang der Code-Basis von Windows nun aber als vollkommen untaugliche Produktionsweise.

Doch trotz aller...

Foto: REUTERS /

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Schwierigkeiten

wurde auch nach der Veröffentlichung von Windows XP an diesem Modus festgehalten, der zu immer stärkeren "Unverträglichkeiten" zwischen einzelnen Code-Teilen führte. Es bedurfte schon des wachsenden Drucks der Konkurrenz, um die Redmonder zum Umdenken zu bewegen. Denn in den letzten Jahren hatte die Konkurrenz von Apple, Linux oder Google vorgeführt, dass es auch anders geht und Innovationen wesentlich schneller vorangetrieben, als es Microsoft möglich war. Nicht zu unterschätzen wohl auch der wachsende Druck der eigenen GeschäftspartnerInnen, die sich von den stetigen Sicherheitsproblemen der Microsoft-Produkte alles andere als erfreut zeigten.

Im Sommer 2004 kam dann der große...

Foto: REUTERS / ANTHONY BOLANTE

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Bruch

In einem Meeting überbrachte Vizepräsident Jim Allchin seinem Chef, Bill Gates, die schlechte Nachricht: "So funktioniert das nie" soll Allchin Gates versucht haben klar zu machen. Longhorn sei mittlerweile so komplex geworden, dass die EntwicklerInnen es nie schaffen würden, es wirklich zum Laufen zu bringen. Also mussten große Änderungen her: Künftige Versionen sollten rund um einen soliden Kern gestaltet, die einzelnen Features nach und nach hinzugefügt werden. Zusätzlich wurden eine Reihe von Tools entwickelt, die den Entwicklungsprozess und vor allem die Code-Qualität überwachen sollten.

De facto bedeutete dies einen vollkommenen...

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Neustart

der Entwicklung von Longhorn / Vista, wie tief gehend dieser war, verdeutlicht MS-Entwickler Robert Scoble in seinem Weblog. Man habe auf einer vollkommen anderen Code-Basis - der des Windows Server 2003 - neu anfangen müssen. In einem recht schmerzhaften und langwierigen Prozess seien dann die einzelnen Features "neu" hinzugefügt.

Dem Longhorn-Reboot fiel auch eins von Bill Gates persönlichen...

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Lieblingsprojekten

zum Opfer: Im August 2004 musste er verkünden, dass das Next Generation-Dateisystem WinFS nicht wie geplant Teil von Longhorn sein sondern später nachgereicht würde. Gerade an WinFS manifestierten sich die Probleme des Windows-Entwicklungsprozesses wie bei keiner anderen Komponente des Softwareherstellers. Die Zweifel an der Umsetzbarkeit der Gateschen Vision - die er selbst in der Vergangenheit als "Heiligen Gral" bezeichnet hat - wurden zuvor intern so stark, dass regelmäßig Witze darüber gemacht wurden, ob man es wirklich schaffen würde ein "Schwein zum Fliegen zu bringen". Auch entsprechende Zeichnungen mit fliegenden Schweinen sollen sich Microsoft-intern zu dieser Zeit einer gewissen...

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Beliebtheit

erfreut haben.

Der Umstieg auf die neue Produktionsweise verlief natürlich nicht völlig friktionsfrei, immerhin habe es intern auch gewisse Ängste zu beseitigen zu geben, so Bill Gates. Seine Rolle sei es jedoch gewesen den Leuten klar zu machen: "Lasst uns nicht Sachen rauswerfen, die wir nicht rauswerfen sollten, sondern Sachen behalten, die wir behalten wollen".

Doch wie zentral der Umbau für Microsoft war, verdeutlicht auch...

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Chris Jones

"Was passiert mit der amerikanischen Autoindustrie als sie es nicht schaffte ihre Produktionsweise zu erneuern? Es entwickelten sich effizientere Wege Autos für einen niedrigeren Preis zu produzieren und sie verloren ihren Markt." so der Microsoft Vizepräsident. "Wir sind zwar in einer etwas anderen Industrie, aber im Prinzip ist es das Gleiche", präzisiert Jones.

Im Zentrum der Umbauten standen dabei zwei Personen: Windows-Veteran Brian Valentine, der vor allem für seine...

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Motivationsfähigkeiten

bekannt ist, sowie Amitabh Srivastava, ein Purist unter den Software-EntwicklerInnen, der neu zur Windows-Gruppe stieß. Srivastava beauftragte sein Team mit einer ungewöhnlichen Aufgabe, sie sollten eine "Karte" der einzelnen Windows-Subsysteme - und wie sie zusammenarbeiten - erstellen. Fertig gestellt ergab sich daraus eine 1,50 mal 2,40 Meter großes Gebilde mit hunderten von Querverbindungen - ein Mahnmal für das Monstrum zu dem Windows mittlerweile geworden war.

Srivastava entwickelte in Folge auch einige...

Foto: Archiv

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Tools

die den Windows-Produktionsprozess nachhaltig verändern sollten. Darunter ein Programm, das automatisch die Code-Qualität analysiert und Teile mit zu vielen Fehlern ablehnt, EntwicklerInnen, die zu viele Bugs produzieren, werden ins virtuelle "Bug-Gefängnis" und dürfen fürs erste keinen neuen Code mehr produzieren. Auf diese Weise sollen sie dazu gebracht werden, es schon "beim ersten Mal richtig zu machen".

Nach einiger Zeit konnten dann auch die ersten...

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Früchte

dieser Anstrengungen geerntet werden, die Zeit, die die Erstellung eines neuen Windows-Builds benötigte, fiel auf wenige Tage, der Zyklus in dem neuer Code geschrieben und getestet wurde, beschleunigte sich.

Mittlerweile zeigt sich auch Bill Gates - der anfangs einige Vorbehalte gegen die Veränderungen vorgebracht hatte - von den Vorteilen der neuen Produktionsweise...

Grafik: Microsoft

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überzeugt

"Es ist großartig, was diese Leute weitergebracht haben", so der Microsoft-Gründer. "Ich wünschte wir hätten dies früher gemacht".

Ausgehend von den Umbauten in der Windows-Abteilung soll sich nun jedenfalls einiges bei Microsoft ändern, die erst unlängst angekündigt Reorganisation des Konzerns stellt dabei einen weiteren Schritt in diese Richtung dar.

Ob Microsoft damit allerdings wirklich der immer wieder konstatierten...

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Midlife Crisis

entkommen kann, und der innovativeren Konkurrenz gewachsen bleibt, ist freilich eine andere Frage, die sich erst über die Zeit erweisen wird. Immerhin ist sich zumindest Jim Allchin bewußt, dass damit noch lang nicht aller Probleme beseitigt sind: "Es gibt Schächen in allem, was wir im Moment tun", aber: "Es ist ein riesiger Fortschritt zu dem wo wir einmal waren. (red)

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