Ein wenig sauer ist Linda Holm schon auf Elton John, denn der stiehlt ihr, der Standesbeamtin in Brighton, heute, Mittwoch, die Show. In kleinem Kreis, dafür mit umso glamouröseren Gästen, lässt der Popstar seine Beziehung mit David Furnish, einem Filmemacher, im Rathaus zu Windsor besiegeln.

Medienvertreter und hunderte, wenn nicht tausende Schaulustige, sie alle werden wie ein Schwarm in das Residenzstädtchen einfallen. Dabei hat Windsor mit der Homosexuellen-Bewegung so wenig zu tun wie seine prominenteste Bewohnerin, Queen Elizabeth II, mit dem Pop.

Das Zentrum schwuler und lesbischer Paare ist Brighton, und Linda Holm ist ihre Mutter Courage. Das Seebad mit dem Flair einer alternden Diva hatte schon immer den Ruf eines Orts, in dem das Leben leicht ist und frei.

Rosa Passhüllen

In dieser Tradition sieht sich auch Linda Holm, wenn sie rosa Luftballons ans Rathaus bindet, über dem Rathaus die Regenbogenflagge hisst und stolz vom Höhepunkt der Saison erzählt: In einem Nobelhotel stellte die Firma Pink Weddings jüngst alles für eine perfekte "Homo-Hochzeit" aus: rosa Stretchlimousinen, rosa Jacken, rosa Konfetti, sogar rosa Hüllen für den Reisepass.

In den North Lanes, Brightons alternativer Einkaufsmeile, stapeln sich in den Regalen Glückwunschkarten, die den Aufdruck "Mr and Mr" oder "Mrs and Mrs" tragen.

Sechzehn gleichgeschlechtliche Paare werden heute, Mittwoch, vor Linda Holm treten, bis Mitte Januar werden es mehr als 500 sein; die ersten in Englands Geschichte, die eine "Civil Partnership" schließen dürfen. "Sind Sie frei, eine Partnerschaft einzugehen?", wird die Standesbeamtin sie fragen.

Von Heirat, von Ehe ist nicht die Rede, doch im Grunde, meint Holm, sei das Wortklauberei. "Die meisten verstehen das, worauf sie sich verpflichten, als eine Ehe wie jede andere auch." Irgendwann, prophezeit sie, werden auch bei so einer Zeremonie die Kirchenglocken läuten, werden die Anglikaner ihren Widerstand aufgeben; alles nur eine Frage der Zeit.

Es hat lange gedauert, ehe Großbritannien homosexuelle Beziehungen legalisierte, länger als anderswo in Europa. Ende 2004 verabschiedete das Parlament mit 426 gegen nur 49 Stimmen den Civil Partnership Act, ein Gesetz, das Lesben und Schwulen weit gehend die gleichen Rechte einräumt wie heterosexuellen Ehepaaren.

Auch sie dürfen nun Steuervorteile genießen, haben Anspruch auf Hinterbliebenenrente und brauchen als Hinterbliebene keine Erbschaftssteuer für die übernommene, vorher gemeinsame Wohnung zu zahlen.

Lange vorbei die Zeit, als Oscar Wilde, der Schriftsteller, wegen seiner Liaison mit dem Adelsspross Alfred Douglas zwei Jahre im Zuchthaus schmachten musste, bevor er 1900 verarmt im Pariser Exil starb. Kaum ein Brite findet heute noch etwas dabei, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Peter Mandelson, EU-Kommissar in Brüssel, ist der Prominenteste in den Politiketagen, die Popstars Elton John und George Michael sind es im Showbusiness.

"Nicht vor der Zeit"

Fragt man Linda Holm, wie sie die Reform einstuft, antwortet einem die waschechte Engländerin mit Understatement - wie es typisch ist für die Inselbewohner, die einen Orkan mit den Worten kommentieren, dies sei "quite a breeze", eine ziemliche Brise. "Es ist nicht vor der Zeit", sagt die Beamtin.

Aufgekratzt erzählt sie von Erlebnissen, "die einem das Herz zerreißen". Von Menschen, deren Partner todkrank im Spital lagen, die aber keine Auskunft von Ärzten bekamen; sie hatten keinen Anspruch darauf. Bei Holm, eine Zeit lang fürs Sterberegister zuständig, machten die Verzweifelten ihrem Frust Luft.

Sie sind meist mittleren Alters, die Paare, die sie demnächst vermählen wird. Viele gehen bereits auf die fünfzig zu. Die beiden Veteranen, der Händler Barry Elston und der Anwalt Charles Morrow, der eine 79, der andere 82, leben seit 55 Jahren zusammen.

"Nein, es ist wirklich nicht vor der Zeit", wiederholt Linda Holm. (DER STANDARD - Printausgabe, 21. Dezember 2005)