Der Amoklauf eines 18-Jährigen an der Realschule in Emsdetten hat eine Debatte um das Verbot gewaltverherrlichender Computerspiele und den Umgang mit Gewalt in der Gesellschaft ausgelöst.

Initiativen gegen "echte" Killerspiele

Die Regierungen in Bayern und Niedersachsen kündigten Initiativen im Bundesrat an, um ein Verbot einschlägiger Computerspiele und von "echten" Killerspielen zu erreichen, bei denen mit Farbpatronen oder Weichgummi-Bällen auf Mitspieler geschossen wird. Politiker aller Parteien zeigten sich zwar offen für schärfere Gesetze zum Jugendschutz, plädierten zugleich aber für eine tiefergehende Debatte um Gewalt in der Gesellschaft. Unterdessen ergab die Obduktion des Täters, dass er sich nach dem Amoklauf mit einem abgesägten Gewehr durch einen Schuss ins Gesicht selbst tötete. Die Polizei korrigierte die Zahl der bei dem Überfall des Jugendlichen auf seine frühere Schule am Montag verletzten Menschen auf 37 nach oben. Der 18-Jährige war in die Schule eingedrungen, hatte um sich geschossen, Sprengfallen gelegt und sich anschließend selbst erschossen.

"Wir müssen die Frage der Gewaltbereitschaft im Lande neu diskutieren"

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers besuchte am Dienstag Opfer, Angehörige und Polizisten in der Kleinstadt im Münsterland. Der Amoklauf müsse Anlass sein, über das Thema Gewalt in der Gesellschaft nachzudenken, forderte er. Wie andere Länder-Politiker trat er dafür ein, zu prüfen, wie Gewalt verherrlichende Computerspiele aus Kinderzimmern verbannt werden könnten. "Wir müssen die Frage der Gewaltbereitschaft im Lande neu diskutieren", bilanzierte der CDU-Politiker. Der jugendliche Täter hatte mehrere Videos ins Internet gestellt, auf denen er in Killerpose und bewaffnet zu sehen ist. Bei der Durchsuchung seines Zimmers im Elternhaus fand die Polizei auch eine Soft-Air-Waffe, die bei Killerspielen verwendet wird.

"Killerspiele gehören in Deutschland verboten."

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber kündigte eine Neuauflage einer Bundesratsinitiative gegen Killerspiele an und verwies auf die Koalitionsvereinbarung von SPD und Union, nach der in dieser Wahlperiode ein Verbot Gewalt verherrlichender Spiele erreicht werden solle. Es dürfe keine Ausreden mehr geben, sagte der CSU-Chef. "Killerspiele gehören in Deutschland verboten. Sie animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten." Auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann kündigte eine Bundesratsinitiative an, mit der auch erreicht werden solle, dass die Selbstkontrolle bei der Verbreitung von Unterhaltungssoftware zugunsten einer staatlichen Aufsicht abgeschafft wird.

Hartes Vorgehen

SPD-Chef Kurt Beck signalisierte Unterstützung für ein hartes Vorgehen gegen einschlägige Gewaltspiele. "Ich kämpfe schon seit vielen Jahren dagegen, dass wir diese Videos und Spiele nicht einfach so behandeln wie irgendeine Ware", sagte er in Mainz. Sollte dies nun ernsthaft in Angriff genommen werden, sei er dabei. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz warnte dagegen wie Politiker der Linkspartei vor "kurzschlussartigen Panik-Reaktionen" "Wir brauchen Frühwarnsysteme, und nicht diese vordergründige Diskussion um das Verbot von Killerspielen", sagte er. Die Grünen nannten es kurzsichtig, die Schuld für die Tat allein bei Computerspielen zu suchen. Computerspiele würden reflexartig als Sündenbock herangezogen, wenn die Bildungs- und Jugendhilfepolitik der Länder kaschiert werden solle.

"Ein Problem ist, dass es im Bereich der Jugendhilfe zu wenig funktionierende Netzwerke gibt. Man muss mehr in Frühwarnsysteme investieren."

Auch Wissenschaftler zweifelten am Sinn eines Verbotes von Gewalt-Spielen. "Damit würde man das Ganze nicht in den Griff bekommen. Es könnte für jüngere Leute einen noch größeren Anreiz bieten, sich das Spiel zu besorgen", sagte der Berliner Psychologie-Professor Herbert Scheithauer der Nachrichtenagentur Reuters. Sein Kollege Hans Merkens plädierte für mehr Vorbeugung. "Ein Problem ist, dass es im Bereich der Jugendhilfe zu wenig funktionierende Netzwerke gibt. Man muss mehr in Frühwarnsysteme investieren." Ein Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und der Nutzung von Computerspielen ist auch nach einer Studie der Bundesregierung bislang nicht klar belegt. Zwar gäben die gewalttätigen Inhalte vieler Spiele Anlass zur Sorge und ließen stärkere negative Wirkungen als beim Fernsehkonsum erwarten, heißt es in der Studie "Medien und Gewalt" des Familienministeriums. Für eindeutige Aussagen reiche die Forschungslage aber nicht aus. (Reuters)