Das Ausrasten eines Betrunkenen zum "Bürgerkrieg" zu stilisieren, fällt unter "Vorurteil"

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Nicht alles, was nach Klischee aussieht, ist auch eines. Afrikanische Lokale in Wien-Simmering wurden tatsächlich gesperrt, weil es keine Gewerbeberechtigung gab.

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Medien und Politik bedienen die diffusen Ängste, bis die Realität keine große Rolle mehr spielt. Wie das Bild vom verbrecherischen Ausländer entsteht, lässt sich am Fall der Wiener Geiselbergstraße und des Asylwerberheims "Haus Jupiter" nachvollziehen - Von Michael Möseneder

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Wien – Für den amtsführenden Landespolizeikommandanten spricht die Statistik eine klare Sprache: "Die Kriminalitäts_rate ist hier nicht signifikant höher als im Wiener Durchschnitt", rechnet Karl Mahrer vor. "Hier" ist dabei der 400-Meter-Radius um das Asylwerberheim "Haus Jupiter" an der Grenze zwischen dem dritten und dem elften Wiener Gemeindebezirk. Ein Haus, das in den vergangenen Wochen zum Kristallisationspunkt vager Ängste, Vorurteile und handfester Interessen geworden ist.

Betrunkener rastete aus

Begonnen hat die Geschichte am Abend des 22. Juli, einem Sonntag. In der nahe dem "Haus Jupiter" gelegenen Geiselbergstraße kommt es vor einem Lokal zu einer Schlägerei. Ein betrunkener Gast rastet aus und beginnt einen vermeintlichen Nebenbuhler zu attackieren. Andere Gäste versuchen den Tobenden zu beruhigen, er schlägt einen Kontrahenten k.o., erst die alarmierte Polizei kann ihn festnehmen.

Nun passiert so etwas in jeder größeren Disco immer wieder. Das Besondere an diesem Fall: Die Beteiligten waren gebürtige Afrikaner. "Schwarze" also. Und schon beginnt die Geschichte vor Klischees zu strotzen. Vorurteile, die sich bei näherer Betrachtung doch als Tatsachen herausstellen.

Xenophobie

Denn natürlich hört es sich wie ein Klischee an, wenn man dem Anrainer, der die Szenen fotografiert und seine Bilder an die Kronen Zeitung verkauft hat, als xenophoben Pensionisten beschreibt, der sich "umzingelt" fühlt. Der zwar lästert, aber sich nicht traut, mit seinem Namen dafür einzustehen. Der zwar persönlich kein schlechtes Erlebnis mit einem Afrikaner gehabt hat, aber viele Gerüchte über Zwischenfälle kennt: Drogen, Razzien in den illegalen afrikanischen Lokalen, ständig Schlägereien. Österreicher würden attackiert – der einzige, dem das bisher passiert sein soll, ist allerdings ein praktisch blinder Beiselgast, in dessen Richtung von der anderen Straßenseite etwas geworfen worden ist. Was, kann offenbar ebenso wenig bezeugt werden wie von wem.

Stammtischgeplauder

Nicht minder klischeehaft, wenn die Krone das Stammtischgeplauder übernimmt und Fotos von dem Zwischenfall vor dem Lokal (siehe Faksimile oben) dann mit "Wie im Bürgerkrieg: Hochaggressiv und in Schlägerlaune laufen die Schwarzafrikaner aufeinander zu" beschreibt. Um einige Tage später das benachbarte Asylwerberheim und die Schlägerei zu junktimieren – offenbar weil die Anrainer im Heim den Hort des Unheils orten. Obwohl weder die fünf Leichtverletzten noch der Tobende dort wohnen.

Liste der Vorurteile

Die Liste der Vorurteile, die in diesem Fall doch die Wahrheit sind, lässt sich fortsetzen: Dass die beiden afrikanischen Lokale in der Geiselbergstaße innerhalb einer Woche behördlich geschlossen worden sind, weil die Betreiber gar keine Gewerbeberechtigungen hatten, etwa. Dass FPÖ-Obmann Hans Christian Strache sofort von der "Schwarzafrikaner-Straßenschlacht" spricht und die Schließung des "Haus Jupiter" fordert. Dass weder die Anrainer noch die Bewohner des Asylwerberheims jemanden aus der anderen Gruppe persönlich kennen.

Subjektive Sicherheit

Es ist exakt diese Mixtur aus tatsächlichen Verhaltensweisen und Denkmustern, die schließlich zum fast unüberwindbaren Klischee erstarrt. Die die von Bewohnern in der eher tristen Gegend um die Geiselbergstraße tatsächlich gefühlte Angst vor den Fremden verbreitet. Objektiv berechtigt ist diese "Angst vorm schwarzen Mann" nicht, wie die kartengestützte Kriminalstatistik der Exekutive eben zeigt. Nur weiß Landespolizeikommandant Mahrer, dass "das subjektive Sicherheitsgefühl der Bewohner nicht immer mit den Daten korrelieren muss." (Michael Möseneder/ DER STANDARD Printausgabe 9.8.2007)