Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz.
Pocht auf mehr Geld von den EU-Mitgliedsstaaten: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Reuters/Johanna Geron

Die Neuaufstellung des Haushaltes sei ein Muss, erklärte die EU-Kommissionschefin am Dienstag. Fast 66 Milliarden Euro müssten zusätzlich von den 27 Mitgliedsstaaten bereitgestellt werden, sagte Ursula von der Leyen. Insbesondere die Kosten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine würden dies unumgänglich machen. Weitere Bereiche mit Finanzierungsbedarf seien die Wettbewerbsfähigkeit und Migration.

Während von der Leyen zwar inhaltlich Zustimmung erhält, ist die Sicht der Mitglieder, insbesondere der Nettozahler, differenzierter. Schließlich ist nicht nur die EU klamm, sondern sind auch die einzelnen Regierungen krisengeschüttelt. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner monierte, dass es der falsche Zeitpunkt sei, um weitere Gelder einzufordern. Von der Leyen solle besser Gelder umschichten.

Verständnis für Ukraine

Ähnlich äußerte sich auch die niederländische Amtskollegin Sigrid Kaag, die für zusätzliche Gelder auch Kürzungen verlangt. Die Notwendigkeit der Gelder für die Ukraine sieht sie jedoch als gegeben an. Auch Frankreich wird für weitere Zahlungen nur schwer zu begeistern sein – erst am Montag hat Finanzminister Bruno Le Maire Budgeteinsparungen über zehn Milliarden Euro angekündigt. Und Österreichs Finanzminister Magnus Brunner erteilte einer Aufstockung mit Hinweis auf eine "angespannte Budgetsituation" eine Abfuhr. Ihm sekundierte am Freitag sein Chef: Kanzler Karl Nehammer erklärte, die Umschichtung vorhandener Gelder sei prioritär. Für Wien geht es um rund 1,6 Milliarden Euro. Die EU-Kommission hofft auf eine Einigung zum neuen Budget bis Dezember.

Angelika Winzig, ÖVP-Delegationsleiterin und schwarze Budgetsprecherin im Europaparlament, bestärkt gegenüber dem STANDARD Nehammers und Brunners Vorstoß: Die EU-Kommission habe aus ihrer Sicht richtig erkannt, "dass wir im EU-Budget auf Schwerpunkte wie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, den Kampf gegen die illegale Migration und die Unterstützung der Ukraine fokussieren müssen". Dennoch sei es ein "falscher Reflex, deshalb einfach die Nettozahler zusätzlich zur Kasse zu bitten".

Krisen brauchen Budget

Dem widerspricht Monika Vana, Delegationsleiterin der heimischen Grünen im Europaparlament: Es brauche ein starkes EU-Budget und neue Eigenmittel, um Krisen zu bewältigen: "Klimakatastrophe, Solidarität mit Ukraine, soziale Verteilungsfragen". Ohne Anstrengungen der Mitglieder würde das "nicht gehen". "Ich würde mir wünschen, dass Österreich hier nicht wieder auf der Seite der Bremser steht. Die EU in der derzeitigen Situation zu schwächen heißt, den Gegnern der europäischen Integration weiteren Boden aufzubereiten", sagt Vana.

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder könne die erste Zurückhaltung gegenüber der Erhöhung des Budgets verstehen, eine von Nehammer ins Spiel gebrachte Umschichtung aus den Kohäsions- und Wiederaufbautöpfen sei aber der falsche Ansatz: "Das wäre eine Kürzung des EU-Budgets genau in dem Bereich, der direkt bei den Menschen ankommt: beim sozial gerechten Klimaschutz, bei den Regionalförderungen und der Energieunabhängigkeit. Also weniger Geld für die zentralsten politischen Herausforderungen."

Harald Vilimsky, FPÖ-Delegationsleiter im Europäischen Parlament, begrüßt als Einziger die Forderung der Volkspartei, befürchtet aber, dass es "die ÖVP nur bei Lippenbekenntnissen belässt und der Bundeskanzler dann in Brüssel einen faulen Deal aushandelt". Die Freiheitlichen hätten sich ein ähnliches Vorgehen gewünscht, "als es um Aufstockungen von finanziellen Mitteln an die Ukraine ging". Österreich stelle auf EU-Ebene Gelder zur Verfügung, mit denen Ausrüstung und Material an ukrainische Streitkräfte gelangen – somit würden Waffen "für eine Kriegspartei mitfinanziert" werden.

Kritik auch von den Neos

Die Krisen der vergangenen Jahre, allen voran der Krieg in der Ukraine, hätten die "EU und ihre Budgetierung vor unvorhersehbare Herausforderungen" gestellt, sagte Claudia Gamon, EU-Parlamentsabgeordnete der Neos.

"Die konsequente Verweigerung dieses Diskurses in der ÖVP zeigt, dass hinter den Aussagen des Kanzlers lediglich populistische Hintergedanken stehen", kritisiert Gamon. "Wer seit Jahren wie die ÖVP das Steuergeld mit der Gießkanne zum Fenster hinausleert, ist nicht besonders glaubwürdig, wenn er dann gegenüber 'denen in Brüssel' plötzlich den großen Sparefroh gibt." (Muzayen Al-Youssef, Michael Vosatka, 23.6.2023)