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Dass mit Doris Lessing erst die insgesamt elfte Frau in der 106-jährigen Geschichte des Nobelpreises für Literatur diese Auszeichnung erhält, ist ein Skandal. Punkt. Und auch für die 87-jährige Britin selbst mag der Nobelpreis reichlich spät, aber zumindest folgerichtig kommen. Folgerichtig zumindest auch für die nicht immer ein ausgezeichnetes künstlerisches Werk, sondern manchmal die Politik ins Auge fassende Schwedische Akademie der Wissenschaften. Diese dokumentiert mit der Auswahl der diesjährigen Preisträgerin wohl auch ihr doppelt schlechtes Gewissen.

Sie ehrt eine nicht nur politische Frau, sondern vor allem auch eine feministische - oft wider Willen. Und gräbt damit zusätzlich einen längst zur Ruhe gebetteten, unglücklichen Begriff wieder aus: "Frauenliteratur". Dieser führte einst in den späten 70er-Jahren zu einer ungewollten Marginalisierung. Der Feind im Bett wollte zentrale feministische Romane wie Lessings Das goldene Notizbuch nicht einmal mit der Beißzange anrühren - geschweige denn, sich mit ihnen auseinandersetzen.

Abgesehen von nicht immer durchgängiger stilistischer Brillanz, aber großen moralischen und politischen, um Gewalt und Unterdrückung kreisenden Themen hat Lessing eine Biografie aufzuweisen, aus der sie teils unmittelbar ihre Stoffe bezieht.

Geboren 1919 in Persien als Tochter eines britischen Offiziers, wächst Doris May Taylor nach der Übersiedlung der Eltern im heutigen Simbabwe auf einer Farm auf. Sie bricht mit 14 Jahren die Schule ab und arbeitet unter anderem als Kindermädchen.

1939 bis 1943 ist sie mit dem Kolonialoffizier Frank Wisdom verheiratet. Ihn und zwei gemeinsame Kinder verlässt sie und heiratet 1944 das aus Deutschland geflüchtete KP-Mitglied Gottfried Lessing, einen Onkel des deutschen Politikers Gregor Gysi. Nach der Scheidung 1949 behält sie - "als Omen für meine schriftstellerische Karriere" - den Namen ihres Mannes und einen Sohn aus dieser Verbindung. Sie veröffentlicht nach ihrer Übersiedlung nach England erste Kurzgeschichten und engagiert sich bis zum Einmarsch der Russen in Ungarn 1956 in der Kommunistischen Partei Großbritanniens: "Vermutlich der neurotischste Akt meines ganzen Lebens."

Sie kann dank des Erfolges ihrer ersten Romane schon bald als freie und mit bis dato gut 50 veröffentlichten Büchern fleißige Schriftstellerin leben. Nach zahlreichen wichtigen literarischen Auszeichnungen (unter anderem auch dem Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur 1981) hat die in Nordlondon lebende Lessing zuletzt einen Adelstitel des britischen Königshauses abgelehnt - und gerade eben mit The Cleft erstmals einen dezidiert feministischen Roman geschrieben. Er spielt im alten Rom. Und es kommen auch Amazonen vor. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.10.2007)