Finden Sie es fair, dass jemand, der fünf oder gar 13 Jahre länger arbeitet als ein "Hackler" weit weniger Pension erhält? Ist es vernünftig und leistbar, dass bald hunderttausende Frauen mit 55 als "Hacklerinen" mit Kind nach 35 Jahren in Frühpension gehen, um vielleicht länger als 35 Jahre 80 Prozent Pensionsbemessung zu kriegen, zu der sie (mit Arbeitgeber) 22,8 Prozent Beitrag leisteten? Also 350 Prozent ihrer Beiträge als Pension erhalten? Ist es klug, Langzeitbeschäftigte durch Ausstiegsprämien bis über 200.000 Euro für die Frührente zu subventionieren, anstatt sie wie anderswo mit Anreizen im Job zu halten? Ist es mit der von allen Parteien geteilten Friedensformel 65-45-80 vereinbar, dass Männern rund 20 Prozent und Frauen bis über die Hälfte der Pensionsbeiträge erspart wird – während wir zugleich Jahr für Jahr 122 Lebenstage hinzugewinnen, die in der Friedensformel noch gar nicht voll berücksichtigt sind?

Als Jungsozialist hätte ich einen Sozialminister mit altbacken gruppenegoistischen Ideen von "sozialistisch" und "gerecht" regelrecht gegrillt. Und wie können die Herren christian socialists im ÖAAB, die Westenthaler und Strache rechts und Buchinger und Lafontaine links überholen wollen, das als fair oder gar bildungs- und "leistungsfreundlich" erklären? Und irgendwer als nachhaltig finanzierbar erweisen?

Wir Österreicher haben einen fatalen Hang, nicht nur gelegentliche geniale Erfindungen wie die Sozialpartnerschaft, sondern auch populäre Fehler wie eben die "Hacklerei" seit 2000 als Dauerprovisorien zu verewigen. Wir plappern gerne eingängige Volksverblödungsslogans wie "45 Jahre sind genug" nach; so als könnte man nicht bereits mit 7 Arbeits- und 15 Versicherungsjahren eine Pension und selbstredend lange vor 35, 40, 45 Jahren in aller Ruhe den Ruhestand pflegen – nur eben ohne Maximalansprüche. Denn für "abschlagsfreie" Höchstpensionen reichen 45 Jahre halt erst mit 65 und nicht mit 60! Und nicht 35 Beitragsjahre mit 55, wie die Amons und Neugebauers sich das so kundig und helle zusammenreimen.

Sie zeigen übrigens schmerzlich, weshalb (mit steirischen Ausnahmen) der ÖAAB jetzt ist, wo er ist, nämlich im geistigen und politischen Abseits, weshalb die ÖVP mit gescheiten Bauern- und Wirtschaftsvertretern so viel besser, realistischer und in Migrationsfragen auch humaner dasteht als mit ihren "christlichen" Arbeitnehmerfunktionären, die schon 2003 gemeinsam mit der FPÖ den "Krieg" gegen die mit ÖGB, AK und SPÖ akkordierte Friedensformel 65-45-80 probten. Dass die SP jetzt mit ihrem linken Flügelstürmer durch Abrücken davon und vom Regierungsprogramm 2006 Zwist in die ÖVP trägt ist taktisch schlau aber strategisch noch gefährlicher als andere "Sozialfighter"-Versprechen: man müsste sie vielleicht einmal verwirklichen, ohne es zu können oder wollen sollen. Rocard geißelte diese Kinderkrankheit eines großsprecherischen Enttäuschungs-Sozialismus feinsinnig doppeldeutig als "molletiste".

P.S.: Gestern fragte der Direktor einer der größten europäischen Lebensversicherungen nach dem Dauerrecht für "Hackler" nach 2010, hat er doch seit seinem 14. Lebensjahr Polizzen verkauft, aber erst nach 2011 seinen 60er zu feiern. Ich fürchte, der arme Mann, den ich sehr schätze, wird noch ein wenig weiter "hackeln" - oder ohne ASVG-Höchstpension seine Betriebsrente und private Vorsorge verbrauchen müssen. So hart kann das Leben für wohlverdiente "Hackler" werden. Außer wir zahlen 560 Millionen Euro Frühpensions- Mehrkosten jährlich. (Bernd Marin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. Oktober 2007)