Zur Person

Stefan Lindinger (39) ist Mitarbeiter und Lehrbeauftragter des Interfakultären Fachbereiches Sport- und Bewegungswissenschaft/USI der Universität Salzburg. Sei 2004 ist der gebürtige Osttiroler im Christian Doppler Labor "Biomechanics and Skiing" für den Bereich Biomechanische Analysen im Skilanglauf zuständig.

Wissenschaftliche Auszeichnungen erhielt er unter anderem für seine biomechanischen Analysen moderner Skating-Techniken.

Foto: privat
Skilanglauf galt im Breitensport lange Zeit als langweilig. Heute wird der "Pensionistensport" von damals zum populären Programm im Schnee. Der Sport- und Bewegungswissenschafter Stefan Lindinger sieht im Gespräch mit Regina Philipp den allgemeinen Trend zur Bewegung als möglichen Motivationsschub: "Außerdem ist Skilanglauf ein Naturerlebnis und es besitzt eine soziale Komponente", so der Sportler im Interview.

derStandard.at: Langlaufen sieht so einfach aus. Ist es auch einfach?

Lindinger: Das hängt von den eigenen Ansprüchen ab. Wenn man gerne draußen ist und sich ein bisschen bewegen will, dann braucht man ein Minimalniveau an Technik zum Langlaufen. In diesem Fall reicht es aus, wenn man die Grobform einer Bewegungstechnik beherrscht.

Im Detail bedeutet das für diesen so genannten Skiwanderer: Er muss den Diagonalschritt und den Doppelstockschub lernen und er sollte ein bisschen abfahren und kontrolliert bremsen können. Ganz ohne Alpinskifahrqualitäten geht es nicht.

derStandard.at: Dem ambitionierten Hobbysportler ist das zu wenig?

Lindinger: Der Hobbylangläufer hat Spaß daran sein Spektrum an möglichen Langlauf-Techniken zu erweitern. Es gibt sehr viele Techniken, neben den klassischen auch freie, so genannte Skating-Techniken. Aber auch der Hobbyläufer muss sie nicht alle kennen und können, denn es gibt auch reine Renntechniken.

derStandard.at: Was versteht man unter klassischer Technik?

Lindinger: Die Bezeichnung klassisch wird im Sinne von althergebracht verstanden. Früher gab es auch im Rennlauf nur diese Techniken. Der Diagonalschritt zählt beispielsweise dazu. Das ist Nordic Walking auf Schiern. Arme und Beine werden diagonal zueinander bewegt. Eine andere klassische Technik ist der Doppelstockschub. Dabei erzeugen die Beine keinen Vortrieb. Man steht auf den Skiern, macht eine starke Rumpfbeuge und schiebt mit den Stöcken nach hinten. Im flachen Gelände ist diese Technik sehr brauchbar.

derStandard.at: Ist Skaten die Langlauftechnik für fortgeschrittene Skilangläufer?

Lindinger Skaten ist eine Variante, die aus dem Eislauf kommt, darum wird sie auch als Schlittschuhschritt bezeichnet. Auch Rennschiläufer verwenden skaten am Start. Der Vorteil ist, mit der Skatingtechnik ist man ganz einfach schneller und dynamischer. Aber generell würde ich nicht behaupten, dass es sinnvoller ist mit klassischem Langlauf zu beginnen und erst dann zu skaten. Es gibt hier keine Regel. Jeder soll das machen wie er will.

derStandard.at: Wie wichtig ist Koordination im Skilanglauf?

Lindinger: Extrem wichtig. Skilanglauf ist ein Ausdauersport und die Dauerleistungsfähigkeit ist in dieser Sportart auch besonders stark vom Koordinationsniveau abhängig. Je besser die Koordinationsfähigkeit ist, desto weniger Energieverbrauch und desto mehr Spaß macht Langlaufen, weil man sich ganz einfach nicht mehr so anstrengen muss. Das ist der große Unterschied zu reinen Ausdauersportarten wie beispielsweise Laufen: Im Skilanglauf gibt es allein zwölf verschiedene Lauftechniken. Der koordinative Aspekt ist also sehr wichtig. Deshalb bezeichne ich den Skilanglauf auch gerne als technikorientierten Ausdauersport.

derStandard.at: Wie unterscheidet sich der klassische Langlauf-Ski vom Skating-Ski?

Lindinger: Es gibt auch unter den Klassik-Skiern bereits erhebliche Unterschiede. Es gibt Wachs- und No-Wachs-Modelle. Zweitere besitzen spezielle Beläge, die unter bestimmten Schneebedingungen eine bessere Haftung erzeugen. Wachsen kann nicht und will auch nicht jeder selber. Mit einem Ski, der nicht haftet macht das Langlaufen aber keinen Spaß. Skating-Skier sind kürzer und besitzen eine andere Spannungsverteilung. Das bedeutet, sie haben eine höhere Biege- und Torsionssteifigkeit. Es gibt auch Kombinations-Skier, die sich für alle Techniken eignen.

derStandard.at: Wie sehen die Unterschiede bei den Schuhen aus?

Lindinger: Skating-Schuhe sind höher und innen steifer, weil beim Kanten mehr Kraft übertragen wird. Beim klassischen Lauf wird, außer in Kurven, nicht gekantet. Der Klassik-Schuh muss biegeweich sein, weil der Fuß wie beim Laufen abgerollt wird. Aber auch hier gibt es Kombinationsmodelle.

derStandard.at: Wie hoch müssen die Stöcke sein?

Lindinger: Hier sind folgende Angaben vorgegeben. Beim Skaten 0,89 mal der Körpergröße und beim klassischen Ski 0,84 mal der Körpergröße. Aus meiner Sicht sind beide Werte zu hoch angesetzt. Ich empfehle dem klassischen Langläufer eine Stockhöhe zwischen unter der Achsel bis Schulterkante – je nach Oberkörperkraft, und dem Skater etwas über Schulterhöhe bis maximal Nasenhöhe.

derStandard.at: Gleichen die Loipen einander?

Lindinger: Heute wird die Mitte einer Loipe breit planiert. Das ist die Skating-Spur und links und rechts davon ist jeweils eine Klassikspur für beide Richtungen. Früher hat man zwei Klassikspuren im Abstand von einem dreiviertel Meter gemacht. Und Skatingspuren hat man separat irgendwo anders gemacht.

derStandard.at: Empfehlen Sie Langlaufen erst ab einem bestimmten Alter oder ist es auch ein Sport für Kinder?

Lindinger: Langlaufen kann man in jedem Alter. Leider sieht man das in Österreich im gesamten Schischulbetrieb anders. Schischulen sind ausschließlich alpin geprägt. Das ist sehr schade, denn wir haben sehr gute Kinderkonzepte entwickelt. Meine Versuche diese auch umzusetzen, sind bisher leider gescheitert. Skilanglauf wird nach wie vor medial und auch in den Skischulen mehr als "Beiwagerl" betrachtet und entsprechend schlecht präsentiert. Wir bemühen uns aber trotzdem an der Einbindung aller Schneesportarten in ein Konzept und hoffen, dass es die Unterscheidung Schifahrer, Snowboarder und Skilangläufer irgendwann nicht mehr in der Form geben wird. (Regina Philipp, derStandard.at, 11.2.2008)