Projekt "mitSprache" Teil 1

Bist du eine echte Autorin?

Schriftstellerin Ilse Kilic über das Schreiben, Überlebenskämpfe und den Literaturbetrieb im Rahmen des Projekts "mitSprache" der österreichischen Literaturhäuser

Foto: Imago / Westend61 / Albrecht Weißer
Foto: Imago / Westend61 / Albrecht Weißer

Als ich vor längerer Zeit in einer Gruppe von Bekannten an einem Wirtshaustisch davon sprach, dass viele SchriftstellerInnen, darunter auch ich, mit sehr wenig Geld ihr Auslangen finden müssten, lag ein Verdacht in der Luft, nämlich der Verdacht, jene seien vielleicht ganz einfach nicht gut genug und hätten es daher gar nicht so richtig verdient, dass sie davon leben könnten, und überhaupt: Wer kann schon davon leben, was sie oder er gerne macht? (...) Es war also, als würde die Antwort auf die Frage, ob (und wie) jemand vom Schreiben leben kann, eine Aussage darstellen, ob er oder sie gute Literatur schreibe, mehr noch, ob er oder sie sich überhaupt zweifelsfrei SchriftstellerIn nennen dürfte. Die Frage "Kannst du davon leben?", die gestellt wurde, bedeutete auch: "Bist du eine echte Schriftstellerin, oder schreibst du halt einfach ein bisschen?" Ist es also Beruf (...) oder eine Art Berufung ohne finanzielle Interessen, ohne finanzielle Aussichten? Es gab aber auch: "Ach, so viel bekommst du für eine Lesung? Das möchte ich auch mal in einer Stunde verdienen!" Ich wusste dann nicht recht, was ich sagen soll, es ging ja nicht nur um die Lesezeit, ich hatte den Text natürlich vorher geschrieben und die Lesung vorbereitet, aber wie ich meine Arbeit in einen Geldbetrag umrechnen sollte, wusste ich nicht, es sollte sich halt "irgendwie ausgehen". Im Jahr 2013 hat der Kollege Bernhard Kathan einen Text geschrieben, für den er die Sterbedaten der Mitglieder der Grazer Autorinnen Autorenversammlung über einige Jahre recherchiert hat. Er stellte fest, dass die Mitglieder in diesem Zeitraum durchschnittlich im Alter von 63,69 Jahren gestorben sind. Er führt das u. a. auf prekäre Lebensbedingungen und den dadurch schlechteren Zugang zu medizinischer Versorgung zurück, billige Brillen, billiger Zahnersatz, wenig Support bei Problemen. Jetzt, da ich diesen Beitrag schreibe, bin ich fast genau 63,69 Jahre alt. Ein bisschen erschrecke ich.