Inland Lobbying & Korruption

Schuldspruch: Vier Jahre unbedingte Haft für Ernst Strasser

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Richter: Kein Zweifel, dass Strasser eine monetäre Leistung für Einfluss auf Gesetzgebung gefordert hat - Elektronisch überwachter Hausarrest ausgeschlossen, Urteil nicht rechtskräftig


Der frühere ÖVP-Innenminister und Europaabgeordnete Ernst Strasser ist am Montag wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Elektronisch überwachter Hausarrest ist laut dem Urteil des Wiener Straflandesgerichts für die ersten zwei Jahre (Hälfte der Haftstrafe) ausgeschlossen.

Nach dem Urteil: Ernst Strasser verlässt den Gerichtssaal (Foto: APA/Fohringer)

Strasser hatte verdeckt agierenden Journalisten der britischen Zeitung "Sunday Times" die Veränderung von EU-Gesetzesentwürfen für 100.000 Euro im Jahr angeboten. Videoaufzeichnungen der Journalisten belegten das.

Richter Georg Olschak sagte in seiner Begründung, es bestehe kein Zweifel, dass Strasser "eine monetäre Leistung dafür gefordert hat, dass er Einfluss auf den Gesetzgebungsvorgang nimmt". Strasser habe vorsätzlich gehandelt. "Sie waren willens und haben in Aussicht genommen, Abänderungsanträge zu stellen", sagte der Richter.

Video-Analyse: STANDARD-Kolumnist Hans Rauscher zum Urteil

Zu Strassers Behauptung, er habe einen Geheimdienst hinter den Journalisten vermutet und diesen aufdecken wollen, sagte Olschak: "Es gehört zum Abenteuerlichsten, was mir in meiner 20-jährigen Laufbahn untergekommen ist." Das Schöffengericht habe den Aussagen keinen Glauben geschenkt. Zudem habe Strasser nur seine Lebensgefährtin ins Vertrauen gezogen und nicht seinen Steuerberater oder seinen Anwalt eingeweiht.

Als Strafzumessung wurde die britische Bestimmung (bis zu sieben Jahre Haft) herangezogen. Mildernd sei der Lebenswandel, erschwerend die Stellung von Strasser als Europaabgeordneter. "Es macht einen Unterschied, ob der Bürgermeister eines Kuhdorfs sich für eine Baubewilligung bestechen lässt oder ob ein MEP cash for law nimmt", so Olschak.

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf.

Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna sagte in ihrem Plädoyer, dass sie die "Angst vor dem Geheimdienst" beiseitelassen und sich lediglich auf die Fakten konzentrieren wolle. Diese würden zeigen, dass Strasser mit dem Unternehmen der vermeintlichen Lobbyisten von Bergman & Lynch Geschäfte machen wollte. Das würden die Aussagen in den Videos und der Versuch, Gesetzesänderungsvorschläge bei seinen Kollegen einzubringen, zeigen. Maruna bezeichnete den Vertrauensmissbrauch, den Strasser in seiner Funktion als EU-Abgeordneter begangen habe, als Erschwerungsgrund: Der Schaden sei bereits eingetreten, auch wenn es keinen Geldfluss gegeben habe.

Strasser Anwalt Thomas Kralik betonte, dass sein Mandant keine strafbare Handlung begangen habe. Er habe sich bei seinen Kollegen nur erkundigt, ob die Vorschläge der Lobbyisten "Sinn machten", und nicht gesagt, dass diese umgesetzt werden sollten. (red, derStandard.at, 14.1.2013)

Der Livebericht zum letzten Prozesstag zur Nachlese: