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Zwangspause für das britische Parlament laut Höchstgericht unrechtmäßig

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Die Regierung habe keine Rechtfertigung für "extreme Maßnahme" vorgelegt. Das Unterhaus soll bereits am Mittwoch wieder zusammentreten


London – Das oberste britische Gericht hat die von Premierminister Boris Johnson verhängte Parlamentspause für unrechtmäßig erklärt. Die Regierung habe keine Rechtfertigung für eine solch extreme Maßnahme vorgelegt, urteilte der Supreme Court am Dienstag. Die Aussetzung habe das Parlament daran gehindert, seine Aufgaben wahrzunehmen. Die Unterbrechung sei deshalb nichtig und habe keine Auswirkungen.

Es liege nun in der Hand des Parlamentspräsidenten zu entscheiden, wie es weitergehe. Speaker John Bercow meldete sich unverzüglich zu Wort und forderte, dass das Unterhaus "ohne Verzögerung" zusammenkomme. Er werde diesbezüglich unmittelbar mit den Parteichefs beraten. Wie wenig später bekannt wurde, soll das Parlament bereits am Mittwoch wieder zusammentreten.

Der Chef der schottischen Nationalisten im Unterhaus, Ian Blackford, forderte den sofortigen Rücktritt Johnsons. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte den Premierminister auf, sein Amt zu überdenken, und sprach sich für Neuwahlen aus. Johnson sagte, er sei "überhaupt nicht einverstanden" mit der Entscheidung des Gerichts. Sein Anwalt hatte zuvor erklärt, der Premier werde das Urteil respektieren. Er forderte am Dienstag eine Neuwahl, zurücktreten will er Regierungskreisen zufolge nicht.

Zwei Klagen, zwei Urteile

Bei der dreitägigen Anhörung in der vergangenen Woche war über mehrere Klagen im Berufungsverfahren verhandelt worden, bei denen Gerichte in erster Instanz auf den ersten Blick sehr unterschiedlich geurteilt hatten.

Das oberste schottische Gericht hatte auf eine Klage der schottisch-nationalistischen Abgeordneten Joanna Cherry und dutzender weiterer Mandatarinnen und Mandatare die Ansicht vertreten, Johnson habe die Königin über seine wahren Absichten für die Parlamentspause getäuscht. Ziel des Regierungschefs sei gewesen, die Abgeordneten kaltzustellen, damit er seine Pläne für einen möglicherweise ungeregelten Brexit durchziehen könne.

Der High Court in London hatte dagegen eine Klage der Geschäftsfrau Gina Miller gegen die Zwangspause abgelehnt. Dem Gericht zufolge handelt es sich um eine rein politische Angelegenheit, in der Gerichte nicht zuständig seien. Neben der Frage der Zuständigkeit ging es bei der Verhandlung vor dem Supreme Court aber auch um einen Disput über einen anderen Bereich der Rechtsauslegung, nämlich den Vorrang des Parlaments und dessen Recht, regelmäßig tagen zu dürfen. (mesc, maa, 24.9.2019)