93,18 Prozent zeigten sich mit dem Koalitionsabkommen einverstanden. Nun ist der Weg zur Angelobung der türkis-grünen Regierung durch den Bundespräsidenten frei
Salzburg – Das Ergebnis war am Ende des fünfstündigen Bundeskongresses der Grünen im Salzburger Kongresshaus sehr eindeutig: 93,18 Prozent sagten "Ja" zur türkis-grünen Koalition. Österreich bekommt damit seine erste türkis-grüne Bundesregierung.Trotz der teils deutlich geäußerten Kritik aus den eigenen Reihen gab es nur 15 Gegenstimmen und drei Enthaltungen für den Regierungspakt mit der ÖVP.
Auch das grüne Regierungsteam wurde mit einer Zustimmung von 99,25 Prozent abgesegnet, mit nur einer Gegenstimme. Dass das Ergebnis des Bundeskongresses besser als erwartet ausfallen könnte, hat sich schon beim Einmarsch des Verhandlungsteams angekündigt. Sie wurden mit Standing Ovations der Delegierten, Applaus und vereinzelt Jubel begrüßt. Der die 29 Delegierten des erweiterten Bundesvorstands der Grünen hatte am Freitagabend die Koalition mit der ÖVP bereits einstimmig abgesegnet.
"Die österreichischen Grünen sind reif für diese Zeit"
Die Rede von Werner Kogler dauerte, wie erwartet, doppelt so lange wie geplant. Fast eine Stunde lang verteidigte der Parteichef das Verhandlungsergebnis: "Wir haben es uns nicht so leicht gemacht, wie manche vielleicht vermuten", war Kogler bemüht den Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen. Und der Parteivorsitzende kündigte weitere Gespräche im ersten Quartal 2020 mit den aktuell besonders kritischen Tiroler Grünen und der Grünen Jugend an.
Die nächste Jahre Opposition zu machen wäre bequemer gewesen. Aber man habe sich für Verhandlungen entschieden. "Ob es wegweisend ist, wissen wir nicht. Es ist ein Risiko, es ist klassische Pionierarbeit – aber wir wollen diesen Weg jetzt gehen", sagte Kogler zur Koalition. Und über seinem Partner: "Sebastian Kurz ist ja kein Erzkonservativer, sondern ein Neu-Konservativer." Kogler versicherte auch auf den Frauenbereich zu schauen und bei der Migration immer kritisch weiterzuarbeiten. "Wir haben das Gewissen nicht an der Garderobe abgegeben", betonte der Parteichef.
"Entschlossen, kampfeslustig und zuversichtlich"
"Es gibt keine hundertprozentige Gewissheit über die Zukunft, das hat die Zukunft so an sich. Aber Zukunft wird aus Mut gemacht – wir sind entschlossen, kampfeslustig und zuversichtlich. Es ist die Zeit gekommen – es ist auch unsere Zeit. Wir, die österreichischen Grünen sind reif für diese Zeit", sagte Kogler zum Abschluss. Abschließend überreichte er die grüne Brille, die er über den gesamten Wahlkampf hindurch trug, der Tochter seiner Lebensgefährtin.
Danach hatten sich die Verhandler Birgit Hebein, Josef Meichenitsch, Sigi Maurer, Rudi Anschober, Alma Zadic, Leonore Gewessler an ihre fünf Minuten Zeitangabe zu halten. Sie stellten auszugsweise Punkte aus dem Programm vor, wo die "grüne Handschrift" sichtbar sei. Zum viel kritisierten Thema Asyl sagte Verhandler Anschober: "Wir haben rund 30 Grauslichkeiten rausverhandelt. Ohne Grüne wären diese Grauslichkeiten in den nächsten Jahren gekommen."
Kritik und "Grauslichkeiten" im Programm
Das Wort Grauslichkeiten bedienten dann auch einige Delegierte in der Debatte – doch auch für die Dinge, die noch im Regierungsprogramm stehen. Besonders kritisch äußerte sich die Grüne Jugend, von der wohl auch einige der Gegenstimmen kamen. Flora Lebloch erklärte sie könne das Programm nicht mittragen. "Kurz ist ein Blender, ein eiskalter Schwindler." Scharfe Kritik zum Programm kam auch von den Grünen Andersrum und dem sogenannten 10. Bundesland, in dem die ethnischen Minderheiten bei den Grünen vertreten sind.
Andere Delegierte sahen das differenzierter, wie Grün-Verhandlerin Eva Blimlinger: "Natürlich gibt es da grausliche Dinge drinnen. Wir werden die Krot aber nicht schlucken. Wir sind ja keine Frosch-Mörder. Aber wir werden sie unter Kontrolle halten." Die grüne Europaabgeordnete Monika Vana betonte, dass Europa auf die Entscheidung der Grünen schaue. "Ginge es nur um diesen Text würde mir die Zustimmung schwerfallen. Aber es geht um eine Weichenstellung nicht nur für Österreich, sondern auch für Europa. Alle, die den rechten Vormarsch und der Orbanisierung etwas entgegenhalten wollen, die schauen auf uns." Sie hatte damit nicht unrecht. Beim Bundeskongress waren auch Vertreter von Botschaften und viele internationalen Medien.
Nach den Abstimmungen schwenkten Kogler und die designierten Regierungsmitglieder Leonore Gewessler, Rudi Anschober, Alma Zadic und Ulrike Lunacek Blumensträuße. Zum Abschied versprach Kogler eine neue, jedenfalls grüne Welt. (Stefanie Ruep, Markus Rohrhofer, 04.01.2020)