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Vizekanzler Kogler verspricht "wehrhafte Demokratie"

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Kurz und Kogler präsentierten den Abgeordneten ihr Team und Programm. FPÖ-Klubchef Kickl bekam in einer aggressiven Rede zwei Ordnungsrufe. Die SPÖ kritisierte soziale Schieflagen, die Neos sehen eine grüne "Bankrotterklärung"


Wien – Die neue Bundesregierung hat sich Freitagmorgen dem Nationalrat präsentiert. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in seiner Regierungserklärung ein weiteres Mal betont, dass ein neues Kapitel in Österreich aufgeschlagen werde. Die Regierung werde dafür arbeiten, dass die Menschen in Sicherheit leben, ihre Talente frei entfalten und in einem sozialen Netz leben können.

Zur Regierungserklärung waren zahlreiche politische Prominente gekommen, angeführt von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Altkanzlerin Brigitte Bierlein. Die Regierung war komplett vertreten, auch die Abgeordnetenreihen waren fast zur Gänze besetzt.

Lösung für Pflegekrise

Kurz würdigte, dass es mit den Grünen erstmals möglich geworden sei, in einer Koalition keine Minimalkompromisse zu bilden. Vielmehr werde beiden Parteien die Möglichkeit gegeben, ihre Vorhaben auch umzusetzen.

Zu seinen Zielen zählte der VP-Chef eine Steuersenkung, die Reduktion der Schuldenquote Richtung 60 Prozent, den Kampf gegen Schlepperei bei gleichzeitigem Ausbau der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, die Einführung der Bildungspflicht sowie eine Lösung der Pflegefinanzierung über eine Versicherung.

Wehrhafte Demokratie

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) würdigte das Regierungsabkommen als guten Pakt, den zwei weltanschaulich sehr unterschiedliche Parteien zusammengebracht hätten. Die türkis-grüne Koalition werde für eine "wehrhafte Demokratie" sorgen.

Am Schluss sei es egal, wer sich wo durchgesetzt habe, solle doch die österreichische Bevölkerung die Gewinnerin sein. Kogler kündigte an, dass abgasarme Autos "relativ billiger" und große "Stinker" "relativ teurer" werden. Brennpunktschulen würden zusätzliche Mittel erhalten können. Im Transparenzbereich lobte Kogler die Ausweitung der Rechnungshof-Kompetenzen sowie die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Für einzelne dieser Projekte wird es die Unterstützung der Opposition brauchen, um eine Zweidrittelmehrheit zu erhalten. Kogler streckte daher schon jetzt einmal seine Hände in Richtung SPÖ, Freiheitliche und Neos aus.

SPÖ kritisiert Steuerentlastung für Konzerne und will Hacklerregelung beibehalten

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nahm dieses Angebot in ihrer Rede teilweise an. Sie lobte den angekündigten Kampf gegen den Klimawandel und die ambitionierten Ziele im Umweltbereich, obgleich die Maßnahmen noch vage formuliert seien. Auch den hohen Frauenanteil in der Regierung erwähnte sie positiv. Der grünen Justizministerin Alma Zadić, die in den vergangenen Tagen zur Zielscheibe einer rechten Hasskampagne geworden war, sicherte die rote Parteivorsitzende ihre Solidarität zu: "Frau Bundesminister, wir stehen hinter Ihnen!"

Inhaltlich kritisierten die SPÖ-Redner im Plenum die türkis-grüne Wirtschaftspolitik heftig. Diese nütze vor allem Konzernen und Reichen, so der Tenor. Auch die Aufstockung des Familienbonus behandle nicht alle Kinder gleich: Eltern mit höheren Einkommen würden bevorzugt. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch brachte außerdem einen Antrag ein, der die Regierung zur Beibehaltung der neuen Hacklerpension auffordert, die im September im Nationalrat beschlossen wurde, nun aber wieder abgeschafft werden könnte.

FPÖ-Klubobmann Kickl attackiert Regierung und freut sich für Zadić

FPÖ-Klubobmann Kickl ging in seiner Rede mit gewohnt rabiaten Worten ans Werk. Die FPÖ werde der "rot-weiß-rote Stachel" in einer schwarz-grünen "Greta-Koalition" sein. Die neue Regierung wolle mit den geplanten Maßnahmen gegen Hasskampagnen im Internet in Metternich'scher Manier die Meinungsfreiheit einschränken. Es gehe bei diesem Vorhaben um die Zensur "patriotischer Meinungen", vermutet der ehemalige Innenminister.

Dass die Koalition beim Kampf gegen den politischen Islam eine Institution nach Vorbild des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) ins Leben rufen will, brachte Kickl in Rage. Das DÖW sei "eine kommunistische Tarnorganisation", wiederholte er einen alten blauen Anwurf. Dafür setzte es von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka prompt einen Ordnungsruf. Auch für seine Attacken auf den ORF ("Bonzen am Küniglberg") handelte sich Kickl einen Ordnungsruf ein.

Neue Ministerien

Nach den Reden stehen zwei erste Beschlüsse auf der Tagesordnung. Um die Ressortverteilung der türkis-grünen Regierung zu fixieren, braucht es eine Novellierung des Bundesministeriengesetzes. Vorsorglich haben ÖVP und Grüne bereits im Dezember einen entsprechenden Antrag eingebracht. Formal wird es laut Gesetzesentwurf künftig 13 Ministerien – und damit eines mehr als bisher – geben. Dazu kommen laut Koalitionsvereinbarung zwei dem Bundeskanzleramt zugeordnete Ministerinnen, die zum einen für Integration und Frauen und zum anderen für EU-Fragen zuständig sind.

Die größte Neuheit unter den Ministerien stellt das geplante Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie dar, das von der grünen Ministerin Leonore Gewessler geführt werden soll. Sie wird demnach sowohl für die Agenden des bisherigen Infrastrukturministeriums als auch jene des Umweltministeriums zuständig sein.

Neu ist unter anderem auch, dass die Agenden für Arbeitsmarkt, Arbeitsrecht und Arbeitnehmerschutz vom Sozialministerium in das neue Ministerium für Arbeit, Familie und Jugend wandern und dass für Integration künftig nicht mehr das Außenministerium, sondern das Bundeskanzleramt verantwortlich sein wird.

Gesetzliches Budgetprovisorium

Als zweiter Beschluss in der Nationalratssitzung am Freitag muss ein Budgetprovisorium für 2019 beschlossen werden, da der Nationalrat aufgrund der Neuwahlen im Herbst kein Budget für dieses Jahr beschlossen hat. Mit dem Budgetprovisorium wird ein Haushalt für das laufende Jahr fortgeschrieben, bis der Nationalrat ein neues Budget beschließt, was nicht vor April sein wird.

In einer außerplanmäßigen Sitzung am Donnerstag billigte der Budgetausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen bereits sowohl die neue Ministerienverteilung als auch das gesetzliche Budgetprovisorium. Nach Angaben der Parlamentskorrespondenz soll am Freitag im Nationalrat auch die Wahl der restlichen Ausschüsse in Aussicht genommen werden. (red, APA, 10.1.2020)