Die Staatsanwälte werfen Grasser Lügen und Verschleierung vor, der Verteidiger von Buwog-Verlierer CA Immo sezierte die Geldflüsse. Das Urteil soll im November fallen
Wien – Der Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die beiden früheren Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger sowie Ex-Immobilienmakler Ernst Plech und weitere Angeklagte nähert sich seinem Finale. Das Verfahren hat im Dezember 2017 begonnen, also vor knapp drei Jahren, heute, am 166. Verhandlungstag, wurde das Beweisverfahren geschlossen.
Diese Woche sind noch drei Verhandlungstage anberaumt – ob sie alle stattfinden, hängt unter anderem von der Dauer der Plädoyers ab. Am Dienstagvormittag hat noch ein Angeklagter eine Stellungnahme abgegeben: jener Anwalt und Wirtschaftsprüfer, der einst die Selbstanzeige für Walter Meischberger eingebracht hatte.
Ainedter rechnet mit Freispruch
Nach der Mittagspause haben die Schlussplädoyers begonnen. Die Rechtsanwälte von Grasser, Norbert Wess und Manfred Ainedter, haben angekündigt, in Summe rund vier Stunden sprechen zu wollen, bei den Verteidigern der übrigen Angeklagten dürften die Schlussplädoyers kürzer ausfallen. Grassers Verteidiger Ainedter geht von einem Freispruch aus, es sei von den Vorwürfen aus der Anklage "nichts übrig geblieben", sagte er in einer Prozesspause zum STANDARD. Ob sich am Dienstag auch noch das Plädoyer von Grassers zweitem Anwalt Wess ausgehen wird, ist nicht klar – aber unwahrscheinlich.
"Bei Grasser brannte der Hut am meisten"
Den Plädoyer-Reigen gestartet haben die Staatsanwälte. Sie sagten, Grasser sei im Lauf des Verfahrens gemäß seiner Aussage "von einem Unwissenden zu einem Wissenden" geworden, der Verteidigung unterstellte er, Nebelgranaten geworfen und verschleiert zu haben. Grasser habe das Konto 400.815 gehört, er lüge. Kurzum: "Die vier Freunde haben kassiert", so die Staatsanwälte in Bezug auf Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und Ernst Plech.
Beim Aufkommen des Skandals habe dann aber bei Minister Grasser "der Hut am meisten gebrannt", was zu Verschleierungsverhandlungen durch gefälschte und rückdatierte Verträge geführt habe.
CA-Immo-Anwalt "Schein und Verschleierung"
Ähnlich argumentierte der Anwalt der CA Immo, die das Rennen um die Bundeswohnungsgesellschaften verloren hatte und sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hat. Anwalt Johannes Lehner sagte, der Zuschlag hätte bereits nach der ersten Runde erteilt werden sollen, habe die CA Immo doch um rund zehn Prozent mehr geboten als das Österreich-Konsortium. Er zählte vor, wie viele Scheinverträge es gegeben habe – und ortete "Verschleierung, Verschleierung, Verschleierung".
Es sei klar, dass Konto 400.815 Grasser gehört habe, der habe so lange nicht über das Geld verfügen können, bis es auf Konto Cathrin Pacific gelandet sei. Er sezierte die Geldflüsse und untermauerte seine Ausführungen mit anschaulichen Folien, die Schöffen hörten ihm aufmerksam zu. "Schein und Verschleierung", ortete er immer wieder.
Am Mittwoch Ainedter und Wess
Am Mittwoch werden Grassers Anwälte Ainedter und Wess ihre Plädoyers halten, danach die übrigen Verteidiger. Nach den Plädoyers wird sich der Schöffensenat, der aus zwei Berufs- und zwei Laienrichtern besteht und dessen Vorsitz Richterin Marion Hohenecker innehat, zur Beratung zurückziehen. Das Urteil über die insgesamt 15 Angeklagten wird vermutlich im November fallen – wann genau, das weiß man nicht. Die vorsitzende Richterin hat für die Urteilsverkündung den Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Straflandesgericht reserviert – und zwar für alle Freitage im November und für den ersten Freitag im Dezember.
Das Verfahren besteht eigentlich aus vier Strängen: Korruptionsverdacht bei der Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften (darunter die Buwog) sowie bei der Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower, Causa Telekom/Parteienfinanzierung sowie die Causa Meischberger-Villa, in deren Rahmen dem Exlobbyisten schwerer Prozessbetrug vorgeworfen wird. Am Dienstag findet der 166. Prozesstag statt. (gra, 13.10.2020)