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Mattersburger Bürgermeisterin: "Die Tragödien, die sich abspielten, waren ein Wahnsinn"

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Ex-Commerzialbank-Chef Martin Pucher sprach von Goldgeschenken an burgenländische Politiker. Notenbank-Vize Gottfried Haber verteidigte die Bankenaufsicht


Wien – Die Mattersburger Bürgermeisterin Ingrid Salamon (SPÖ) hat am Mittwoch im Untersuchungsausschuss zur Commerzialbank Mattersburg (Cb) angegeben, dass sie in der Causa anonym angezeigt worden sei. Deshalb werde sie "keinerlei Fragen zu Geschenken, VIP-Tickets und Geburtstagen" beantworten, sagte Salamon in ihrer einleitenden Stellungnahme. Die Vorwürfe seien aber nicht zutreffend und sie gehe davon aus, dass die Ermittlungen eingestellt würden.

Derzeit werde sie aber als Beschuldigte geführt. "Die anonyme Anzeige liest sich wie die Aussendung einer bestimmten Partei", deutete die SPÖ-Politikerin in Richtung der anderen Fraktionen im U-Ausschuss an. Genauso wenig, wie sie zu Geschenken Auskunft geben werde, werde sie Fragen zur Stadt Mattersburg beantworten. "Es handelt sich um einen Untersuchungsausschuss des Landes und nicht um einen der Stadtgemeinde Mattersburg", betonte Salamon.

Die Stadt sei jedenfalls durch die Insolvenz der Commerzialbank nicht unmittelbar geschädigt worden, dennoch sei "natürlich die gesamte Region und somit auch mittelbar die Stadt Mattersburg vom Untergang der Bank betroffen". Sie appellierte an die Abgeordneten im U-Ausschuss, mit "diesen Schicksalsschlägen nicht Politik zu machen", sondern den Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben. Salamon ist seit 1999 Bürgermeisterin von Mattersburg und wird Ende des Jahres aus diesem Amt ausscheiden. Sie wird 2022 nicht mehr zur Kommunalwahl antreten und übergibt bereits zuvor an Claudia Schlager.

Pucher befragt

Am Mittwoch nahm als erster der frühere Bankchef Martin Pucher im U-Ausschuss Platz. Er hatte die Bank, die Anfang der 1990er-Jahre aus dem Raiffeisensektor geflogen war, quasi neu gegründet und dann jahrzehntelang Bilanzen aufgeblasen. Das hat Pucher im Vorjahr sinngemäß gestanden und das tat er auch vor den Landtagsmandataren. Im Sommer waren die Malversationen dank einer Whistleblower-Meldung anlässlich einer Vor-Ort-Prüfung aufgeflogen. Die Aufsicht sperrte die Bank zu, inzwischen ist sie pleite.

Auf ein Eingangsstatement verzichtete der frühere Bankchef, er bat jedoch, zum Abschluss eine Stellungnahme abgeben zu dürfen. Da sagte er dann weinend, dass ihm alles sehr leid tue und er sich bei den Geschädigten entschuldige. Als Erstes wollte Verfahrensrichter Walter Pilgermair von Pucher wissen, wie es dazu kam, dass das Land Burgenland den Revisionsverband für die aus der Raiffeisen losgelöste Commerzialbank übernahm.

Zwei Möglichkeiten

Pucher erklärte, es habe zwei Möglichkeiten gegeben: Entweder übernehme das Land den Revisionsverband, oder man wechsle zu einem anderen Revisionsverband. Mit dem damaligen Landeshauptmann Karl Stix (SPÖ; verstorben 2003) habe er mehrere Gespräche gehabt und ihm die Situation erklärt. Am 12. Oktober 1993 habe er den Bescheid bekommen, dass das Land die Revision übernimmt. Warum Stix dazu bereit war, dass das Land diese Funktion übernimmt, konnte Pucher nicht beantworten: "Fragen können S' ihn nimmer."

Pucher sagte auch, dass Ex-Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) zum 50er und zum 60er sowie bei seinem Ausscheiden aus dem Amt Goldplättchen geschenkt bekommen habe. Niessl dementierte eine Geschenkannahme. Auch Mattersburgs Bürgermeisterin Ingrid S. (SPÖ) habe zu runden Geburtstagen Geschenke erhalten. Auch da werde wohl ein Goldplättchen dabei gewesen sein, meinte Pucher, der etliche Politiker aufzählte, die er beschenkt habe. Generell hätten Politiker Matches und den VIP-Klub besuchen können: "Ich habe mich immer gefreut, wenn Politiker gekommen sind", sagte Pucher. Nach Parteien habe er dabei keinen Unterschied gemacht. Vor Jahren sei er einmal ÖVP-Mitglied gewesen. S. habe auch eine VIP-Jahreskarte gehabt, die sie aber selbst bezahlt habe.

Selbstanzeige

Pucher machte am 14. Juli des Vorjahrs eine Selbstanzeige. Die Vorgänge an diesem Tag schilderte er unter Tränen: "Es war ein Dienstag, ich bin mit meiner ältesten Tochter in die Bank gefahren." Dort habe er bei den zwei Prüfern aus der Aufsicht Selbstanzeige erstattet: "Alles, was ich damals gewusst habe, habe ich ihnen gesagt." Zurück daheim habe er dann die anderen beiden Töchter und seine Frau darüber informiert. Diese sollten dann den Aufsichtsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter sowie Puchers Bruder informieren.

Außerdem habe er mit einem Vertreter der Finanzmarktaufsicht über das weitere Prozedere telefoniert. Im Vorfeld habe er mit niemandem darüber gesprochen. Zur Tätigkeit der Bankenaufseher befragt, meinte er, ihm wären die Malversationen aufgefallen, wäre er Prüfer gewesen.

"Kein Versagen der Aufsicht"

Gottfried Haber, Vizegouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), war am Mittwoch nach Pucher geladen. Er betonte, dass es sich bei der Causa um einen Kriminalfall und um "kein Versagen der Bankenaufsicht" handle. Die OeNB habe im Rahmen ihrer Vorortprüfungen keine Befugnisse, Saldenbestätigungen einzuholen und zu kontrollieren. Sie habe auch nicht die Möglichkeit, Dritte zu befragen oder Hausdurchsuchungen durchzuführen.

Die Bankenaufsicht sei "nicht auf die Aufdeckung krimineller Machenschaften ausgerichtet, sondern auf die Prüfung seriöser, aber möglicherweise zu risikofreudiger Banken", sagte Haber, der sich damit auf einer Linie mit den bisher im U-Ausschuss befragten Vertretern der Bankenaufsicht präsentierte.

Vier Augen besser als zwei

Zum Land Burgenland und der Revision der Mehrheitseigentümerin der Bank habe er keine Wahrnehmungen. Zu einer Doppelprüfung, wie im Fall der Commerzialbank durch den Wirtschaftsprüfer TPA, gebe es "Pro und Contra". Sie habe Vorteile bei der Effizienz. "Auf der anderen Seite: Vier Augen sehen natürlich auch manchmal besser als zwei."

Zur Whistleblower-Meldung 2020 betonte Haber nur, dass "wann immer uns eine entsprechende Kenntnis zuteilwird, diese Informationen selbstverständlich genutzt" würden. Er sagte außerdem, dass die Kontrolle von Banken engmaschiger gestaltet werden könnte, um diese zu verbessern.

Bei den Vertretern der OeNB, die auf der Geschenkeliste von Ex-Bankchef Martin Pucher stehen, handle es sich um Personen, die "seit rund 20 Jahren nicht in Prüfungshandlungen in Zusammenhang mit der Commerzialbank involviert waren. Wenn Namen genannt werden von Personen, die seit fast 20 Jahren in Pension oder nachweislich überhaupt nicht im Bereich der Bankenaufsicht tätig sind, zeigt das, dass es sehr schwer ist, hier einen Verdacht aufrechtzuerhalten, dass es zu einer Beeinflussung von Prüfungsergebnissen oder Ähnlichem gekommen wäre", betonte Haber. Die Compliance-Richtlinien in der Nationalbank seien auf einem hohen Niveau.

Kriminelle Machenschaften

Die Hauptverantwortung liege bei den "kriminellen Personen in der Bank, die gemeinschaftlich tätig geworden sind", sagte Haber. In zweiter Linie müsse man sich anschauen, ob das System gut funktioniert habe oder nicht – "zuerst sind einmal alle internen Kontrollinstanzen gefragt und als externe Instanz der Wirtschaftsprüfer". (red, 3.2.2021)