Aufregung am Dienstagabend im U-Ausschuss: Der Kabinettschef des Kanzlers, Bernhard Bonelli, wurde von den Neos angezeigt, wegen Verdachts auf Falschaussage vor dem Ausschuss. Allerdings wusste davon bisher kaum jemand, der Verfahrensrichter schlug daher vor, dass man Bonelli nicht befragen solle. Bonelli, für den die Unschuldsvermutung gilt, kann sich nämlich entschlagen – die Frage ist, ob das auch bei Aussagedelikten gilt. Das Problem, das sich am Dienstagabend stellte: Die Justiz bestätigte der Parlamentsdirektion eine Anzeige, informierte aber nicht darüber, um welchen Vorwurf es geht. Neos-Mandatarin Stephanie Krisper hatte bereits in der Früh bei ihrem Statement vor Journalisten erwähnt, dass man den Kabinettschef angezeigt habe.

So endet der erste U-Ausschuss-Tag dieser Woche turbulent. Er begann am Dienstag im Camineum der Nationalbibliothek mit der Befragung von Helmut Kern. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der staatlichen Beteiligungsholding Öbag.

Im Ausschuss erklärte Kern, dass ihn Sebastian Kurz' Kabinettschef Bernhard Bonelli Ende Jänner 2019 erstmals wegen des Postens als Öbag-Aufsichtsratschef kontaktiert habe. Am 15. Februar dann habe sich der Aufsichtsrat konstituiert, damit sei man recht knapp an die Hauptversammlung von Beteiligungsgesellschaften gekommen. "Wir haben daher sehr schnell den Nominierungsausschuss gewählt", die Ausschreibung sei gemacht worden, Hearings hätten stattgefunden, und dann habe man sehr schnell die Auswahl getroffen, sehr schnell Schmids Vertrag gemacht, und am 29. März sei er ins Amt gekommen.

"Keine Gründe" für Abberufung Schmids

Schmid und Löger habe er einmal bei einer Besprechung im Restaurant Motto am Fluss getroffen, sagt Kern. Es könne sein, dass Schmid schon damals gesagt habe, dass er sich für den Job als Öbag-Geschäftsführer interessiere. Dass Schmid selbst an der Ausschreibung mitgeschrieben hat, habe er nicht gewusst, wenn das so gewesen sein sollte.

Von den Ermittlungen gegen Schmid seien im Aufsichtsrat alle überrascht, dem Geschäftsführer selbst sei die Sache auch sichtlich unangenehm gewesen. Aber nach gründlicher Prüfung sei man zum Schluss gekommen: "Es hat keine Gründe für den Aufsichtsrat gegeben, Thomas Schmid abzuberufen."

Abendessen von Kern mit Schmid vor Hearing

Kern will bei seiner Befragung ein gängiges "Narrativ" zurechtrücken: nämlich jenes, dass sich Schmid seinen Aufsichtsrat selbst ausgesucht habe. Er zählt alle auf, die sich Schmid sicher nicht ausgesucht habe – und beruft sich da auf die Chats, aus denen er all das nicht ableiten könne. "Bitte gebt mir einen guten Aufsichtsratschef", schrieb Schmid an Blümel, zitiert Brandstätter, das belege aber doch das Gegenteil, meint die Auskunftsperson.

Für Diskussionen sorgte ein gemeinsames Abendessen von Kern und Schmid, das laut SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer am 12. März – also kurz vor dem Hearing der drei Vorstandsbewerber für die Öbag – stattgefunden haben soll. Kern bestätigte den konkreten Termin nicht, er könne sich auch nicht erinnern, ob es ein Vieraugengespräch war. Jedenfalls hätten er und Schmid aber "Themen der Bewerbung ausgeschlossen aus unseren Gesprächen", meinte Kern. Mit den anderen Öbag-Bewerbern sei er nicht essen gegangen, sagte Kern.

Überraschung über Timeline, keine Erinnerung an Bussis

Verwundert gab sich Kern über eine mit November 2018 datierte Timeline aus dem Finanzministerium, die ihm vorgelegt wurde. In diesem Zeitplan wird Schmid bereits als Öbag-Alleinvorstand per April 2019 genannt. Er sei ehrlich überrascht, dass "diese Daten so in dieser Unterlage aus dem Finanzministerium stehen", sagte Kern. Er blieb aber bei der Darstellung, dass Schmid unabhängig als bester Bewerber bestellt worden sei.

Die Tragweite der berühmten SMS "Kriegst eh alles, was du willst" von Bundeskanzler Kurz an Thomas Schmid stufte Kern als gering ein: Kurz habe keine Zuständigkeit für die Entsendung von Aufsichtsräten in Öbag-Beteiligungen. Er, Kern, habe mit Schmid nie über die publikgewordenen Chats gesprochen, weil diese aus der Vor-Öbag-Zeit stammten. Ob Schmid ihm je Bussi-Emojis geschickt habe, konnte sich der Aufsichtsratchef nicht erinnern.

Kneissl über die Koalitionsarbeit

Nach Kern kam Ex-Außenministerin Karin Kneissl, sie soll über die Zusammenarbeit der Türkisen mit den Blauen (auf deren Ticket sie von Ende 2017 bis Juni 2019 in der Regierung saß) und die Gewohnheiten der damaligen Koalition berichten. Kneissl war einst vor allem durch ihre Hochzeit im August 2018 aufgefallen, genauer durch Wladimir Putin, den sie eingeladen und vor dem sie nach einem gemeinsamen Tänzchen geknickst hatte. Heute ist Kneissl geschieden, seit März ist sie im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft und seit Mai 2020 Gastautorin für den russischen Staatssender Russia Today.

Sie berichtete in ihrem Eingangsstatement, dass Kurz sie Mitte 2017 vor der Nationalratswahl gefragt habe, ob sie auf seiner Liste stehen wolle. Sie habe abgelehnt, weil sie nicht parteipolitisch aktiv werden habe wollen. Bei der türkis-blauen Regierungsbildung habe sie das Angebot von FPÖ-Chef Strache aber dann angenommen, unabhängige Außenministerin zu werden, "weil ich es als feig erachtet hätte, es nicht zu machen".

Ihr Kabinett habe sie selbst zusammengestellt, die FPÖ habe nicht mitgeredet. Als einen ihrer ersten Schritte habe sie Ende 2017 das Inseratenbudget des Außenministeriums um 80 Prozent gekürzt – "zum Schrecken vieler". Auch Strache habe sie gebeten, das Inseratenbudget beizubehalten. Doch der Zweck von Regierungsinseraten bestehe darin, sich gutmütige Berichterstattung zu kaufen, meint Kneissl. In ihrer Ära hätten sich Bestellungen nur an der Qualifikation orientiert, so die 56-jährige, die aktuell auch als Energieanalystin arbeitet.

Aufregung um Bonelli-Befragung

Knapp aber doch geht sich auch die Befragung des Kabinettschefs von Kanzler Sebastian Kurz noch am Dienstagabend aus. Er kommt schon zum zweiten Mal. Ende Jänner wurde er vor allem zur Schredderaffäre befragt, inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft erneut in dieser Angelegenheit.

Rund um Bonellis Befragung entwickelte sich eine turbulente und lautstarke Debatte im Ausschuss. Denn gegen ihn liegt eine Sachverhaltsdarstellung der Neos wegen falscher Zeugenaussage vor, wegen der ihm die Verfahrensrichterin zur Aussageverweigerung riet. Ob Bonelli überhaupt befragt werden sollte, über diese Frage kam es dann zum Streit. Mittlerweile wurde die Befragung fortgesetzt, wobei sich Bonelli umfangreich entschlägt.

ÖVP-Tag mit ÖGB-Chef

Auch für Mittwoch sind drei Auskunftspersonen geladen – dieser Tag ist ein sogenannter ÖVP-Tag. Das heißt, dass die ÖVP für die Ladungen zuständig ist. Geladen ist ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und ein früherer Politiker des Liberalen Forums (LIF), dem das Ibiza-Video angeboten worden sein soll. Zudem geladen: der Compliance-Manager der Novomatic.

DER STANDARD berichtet live. (gra, sefe, ta, 4.5.2021)

Kurz' Kabinettschef von Neos angezeigt, entschlägt sich umfangreich