Inland Lobbying & Korruption

"Bargeld-Fetischist" Strache sprach vor Gericht über Spenden, Flüge und eine Beduinen-Party

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Für die Reform des Privatkliniken-Fonds habe er sich aus Überzeugung eingesetzt, sagte der Ex-Vizerkanzler. Sein Freund, Klinikbetreiber Walter Grubmüller, will der FPÖ wegen deren Programm Geld gegeben haben


Am Dienstag ging am Wiener Landesgericht der erste Tag im Strafprozess über die Bühne, der auf den Ermittlungen rund um das Ibiza-Video basiert. Bis mindestens Freitag steht Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache vor Einzelrichterin Claudia Moravec-Loidolt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat den Ex-Vizekanzler und seinen Freund Walter Grubmüller, den Betreiber der Privatklinik Währing in Wien, angeklagt.

"Initiativantrag ist ein Amtsgeschäft"

Zu Beginn der Verhandlung trug die Staatsanwältin der WKStA im Großen Schwurgerichtssaal ihr Plädoyer vor. Für die Korruptionsstaatsanwältin ist eine 10.000-Euro-Spende Grubmüllers an die FPÖ vom 29. August 2017 der Beleg für einen Gesetzeskauf. Strache, damals Oppositionsabgeordneter, soll im Abtausch kurz davor FPÖ-Mandatare zur Einbringung eines Initiativantrags verleitet haben, demzufolge auch die Klinik Währing in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) aufgenommen werden sollte. Damit habe Strache für Grubmüllers lange gehegtes Anliegen lobbyiert. Zu Straches parlamentarischer Betriebsamkeit in Sachen Prikraf-Reform hielt die Staatsanwältin fest: "Ein Initiativantrag ist ein Amtsgeschäft." Ob der Vorteil oder das Amtsgeschäft – also in dem Fall die Einbringung des Antrags im Nationalrat – zeitlich zuerst erfolgt, das sei für den Gesetzesverstoß egal. Die Motivation für Straches politischen Einsatz sei jedenfalls in geldwerten Vorteilen für die FPÖ und für sich gelegen.

Denn Strache soll sich im Konnex mit diesem Gesetzesantrag Anfang Mai 2018 – damals schon in seiner Funktion als Vizekanzler – gemeinsam mit seiner Frau Philippa von Grubmüller zu einem Flug im Privatjet und einem Aufenthalt in dessen Haus auf Korfu einladen haben lassen.

Grubmüller-Anwalt: Gesetzesänderung war für Klinik nicht nötig

Nach der Staatsanwältin ergriff Helmut Grubmüller das Wort, der Anwalt ist der Verteidiger seines Bruders Walter. Er argumentierte, dass es von vornherein keine Änderung des Prikraf-Gesetzes gebraucht hätte, um der Klinik Währing die Abrechnung von Leistungen aus dem Fonds zu gestatten. Ein Zusatzvertrag des Prikraf mit dem Privatspital hätte dafür laut Grubmüllers Rechtsansicht gereicht, "darum hat mein Mandant nie eine Gesetzesänderung angestrebt". Es sei Grubmüller auch nie nur um seine eigene Klinik gegangen, sondern um die Teilhabe aller Privatkliniken an den Vorteilen des Prikraf.

Der Prikraf habe auf einem "korrupten System" basiert, weil jene, die schon drinnen waren, sich mit Händen und Füßen gegen eine Reform gewehrt hätten, weil sie von ihrem Teil des Kuchens nichts abgeben wollten.

Zum Korfu-Flug Straches sagte Anwalt Grubmüller: Einen solchen habe es nur 2016 gegeben, nicht aber – wie von der WKStA dargestellt – 2018. Die Spende an die FPÖ habe Grubmüller aus Ärger über die restlichen Parteien geleistet, mit der erhofften Prikraf-Reform habe der Geldfluss von 10.000 Euro nichts zu tun.

Straches Anwalt legt SMS vor

Danach hielt Straches Anwalt Johann Pauer sein Plädoyer. Auch er sagte, dass Straches Korfu-Aufenthalt mit Grubmüller 2016 und nicht 2018 über die Bühne ging. Außerdem habe der damalige Oppositionspolitiker seinen Flug nach Griechenland selbst bezahlt. Die Hinreise habe er per Linienflug mit eigenem Ticket absolviert, beim Rückflug sei er zwar im Privatflieger der Grubmüllers mitgeflogen, habe sich aber an den Kosten beteiligt. Zum Beleg legte Pauer dem Gericht einen SMS-Verlauf vor. Grubmüller bot Strache demnach sogar an, ihn einzuladen: "Kostet nichts." Das soll Strache aber explizit abgelehnt haben: "Das geht nicht. Gute Rechnung, gute Freundschaft." Für Straches Anwalt zeigt das, dass Strache auch bei Freundschaften darauf bedacht war, keine ungebührlichen Vorteile für sich entstehen zu lassen.

Außerdem fehle im Vorwurf der Bestechlichkeit der WKStA das wesentliche Tatbestandsmerkmal, wonach ein pflichtwidriges Amtsgeschäft vorliegen muss, argumentierte Pauer. Es habe aber kein Amtsgeschäft bezüglich Prikraf in Straches Zeit als Amtsträger gegeben, daher könne auch keine Strafbarkeit bestehen. Der Initiativantrag zum Prikraf aus der Opposition heraus sei bloß ein politisches Statement ohne Aussicht auf Gesetzwerdung gewesen. Der Antrag hätte bei realistischer Sicht auf das parlamentarische Prozedere mithin für Grubmüller überhaupt keine finanzielle Verbesserung herbeiführen können.

Angeklagte befragt

Zu Mittag begann die Richterin mit den Befragungen der Angeklagten, den Beginn machte Grubmüller. Er habe in die Klinik Währing investiert, weil er nach Erfolgen als Glücksspielunternehmer auf sehr viel Cash gesessen sei, erklärte der. Vom Fachverband in der Wirtschaftskammer sei dann aber seine Aufnahme in den Prikraf boykottiert worden. Den Vorwurf des Gesetzeskaufes qualifizierte der Ex-Rennfahrer als "lächerlich" ab und fügte hinzu: "Ich hätte mir das Gesetz schon vor zehn Jahren kaufen können."

Seine Spende an die FPÖ habe nichts mit seiner Freundschaft zu Strache oder gar einer Bestechung zu tun, sondern müsse auf seine Zustimmung zum blauen Wahlprogramm zurückgeführt werden. Besonders die Forderung nach Abschaffung der "Zwangsmitgliedschaft" in der Wirtschaftskammer sei nach seinem Gusto gewesen.

Vom wenige Monate vor der Spende seitens der FPÖ eingebrachten Initiativantrag zum Thema Prikraf will Grubmüller nichts mitbekommen haben. Der Chat im Zuge der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen im Herbst 2017, als Strache Grubmüller um einen Entwurf einer Gesetzesänderung bat, kommentierte Letzterer vor Gericht so: Es sei ihm um eine "Gleichbehandlung" aller Privatspitäler gegangen, nicht um spezifische Vorteile für seine Klinik Währing. WKStA-Staatsanwältin Silvia Thaller hielt Grubmüller allerdings Chats vor, wonach er einst an Strache schrieb, es gehe nur um "eine Kleinigkeit, 20 Betten". Grubmüllers dazu: Seine Klinik Währing wäre zwar die erste gewesen, letztlich sei es aber um die Öffnung des Prikraf für alle gegangen.

Straches Ohr für Grubmüller

Nach einer Pause hob schließlich Strache am frühen Nachmittag zu einer etwa zehnminütigen Erklärung an. Sein Freund Grubmüller habe ihm seit 2013 immer wieder von der "Ungerechtigkeit" im Prikraf erzählt. Am Anfang seien ihm Grubmüllers Lamentos beim einen Ohr rein und beim anderen wieder raus gegangen, über die Jahre habe er sich dann aber davon überzeugt. Für ihn habe sich die Mitsprache der Wirtschaftskammer bei der Prikraf-Liste so dargestellt, als würde "der Hofer (der Supermarkt, nicht Norbert, Anm.) darüber entscheiden, ob der Spar wo aufsperren" könne.

Um dieses unfaire System zu bekämpfen, habe FPÖ den Prikraf etwa bei einer Pressekonferenz im Februar des Wahljahrs 2017 thematisiert. Er habe die Direktverrechnung für alle Privatkliniken öffnen wollen, wobei er mit anderen Betreibern abgesehen von Grubmüller keinen Kontakt gehabt habe. Dazu, dass die Klinik Währing in dem FPÖ-Antrag im Unterschied zu anderen genannt wurde, meinte Strache, diese sei eben ein "plakatives Beispiel". Auf Nachhaken der Richterin räumte Strache zudem ein, sich nicht "so richtig" mit der Materie beschäftigt zu haben, dafür habe er seine Experten in der Partei gehabt.

Mit Initiativantrag will Strache nichts zu tun haben

Beim parlamentarischen Initiativantrag habe er nicht selbst die Fäden gezogen, sagte Strache dem Gericht. Und widersprach damit Zeugen aus den Reihen der FPÖ, die das im Rahmen der Ermittlungen so dargestellt hatten. Der Antrag sei wohl von der Presseabteilung oder Klubmitarbeitern vorbereitet worden: "Das war ein Selbstläufer." Man habe ihm den Antrag auch gar nicht vorgelegt, sonst hätte er ihn auch unterschrieben, sagte Strache, der damals Klubobmann war. Politisch sei das Papier aber ohnehin sinnlos gewesen, weil die FPÖ als Oppositionspartei keine Chance auf Durchsetzung gehabt habe.

Monate später, in den türkis-blauen Regierungsverhandlungen Ende 2021, habe hingegen die ÖVP das Thema Prikraf in die Untergruppe für Gesundheitsfragen eingebracht, glaubt sich Strache zu erinnern. Die ÖVP habe nämlich die Steuergelder für den Prikraf erhöhen wollen.

Dichter Fahrplan

Die Richterin, die 2013 etwa die Causa Immofinanz rund um Karl Petrikovics oder im Vorjahr die Causa Stadterweiterungsfonds (endete mit Freisprüchen) verhandelt hatte, hat einen straffen Prozessfahrplan vorgegeben. Jeden Tag wird von 9 Uhr in der Früh bis 17 Uhr verhandelt (eine Mittagspause wird es wohl geben).

Am Mittwoch geht es bereits mit den Zeugenbefragungen weiter, etwa mit jener des Chefs der Privatkliniken-Gruppe der Uniqa, der Premiqamed, und dem Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer Österreich, Matthias Krenn. Da wird es wohl um die Gesetzeswerdung der entsprechenden ASVG- und Prikraf-Novellen gehen. Zudem soll am Mittwoch eine FPÖ-Buchhalterin aussagen.

Ex-Gesundheitsministerin als Zeugin

Am Donnerstag wird dann ehemalige FPÖ-Prominenz "in der Mitte" Platz nehmen, wie Sessel und Tischchen vor dem Richtertisch im Großen Schwurgerichtssaal genannt werden, von dem aus Angeklagte und Zeugen aussagen: Ex-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, Ex-FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, der Gesundheitsreferent im FPÖ-Parlamentsklub, Fritz Simhandl, sowie der ehemalige Kabinettschef Straches und Hartinger-Kleins.

Vorausgesetzt, das alles geht sich zeitlich aus und es kommen keine weiteren Zeugen dazu, ist der Freitag für die Schlussplädoyers reserviert – und fürs Urteil. Die Strafdrohung: sechs Monate bis fünf Jahre Haft.

DER STANDARD hat live berichtet. (Theo Anders, Renate Graber, 6.7.2021)

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