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"Regierungskrise ist beendet": Van der Bellen entschuldigt sich für Respektlosigkeit gegenüber der Bevölkerung

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Schallenberg wird am Montag um 13 Uhr als Kanzler angelobt. STANDARD-Informationen zufolge werden zwei Diplomaten als neuer Außenminister gehandelt


Der designierte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) ist Sonntagmittag in der Hofburg vorstellig geworden. Auf dem Weg zu seinem Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach er von einer "enorm herausfordernden Aufgabe und Zeit für uns alle". Laut STANDARD-Informationen vom Sonntagabend hatten zuletzt zwei Diplomaten die besten Chancen, Schallenberg als Außenminister nachzufolgen: der Generalsekretär im Außenministerium, Peter Launsky, und der Botschafter bei der EU in Brüssel, Nikolaus Marschik.

Dem Kanzlerwechsel steht jedenfalls nichts mehr im Weg, wie Bundespräsident Van der Bellen am Sonntagabend wissen ließ. Dieser erklärte die Regierungskrise für beendet, entschuldigte sich aber gleichzeitig für das "Bild, das die Politik abgegeben hat". Van der Bellen bestätigte, dass er am Montag um 13 Uhr Schallenberg als neuen Bundeskanzler angeloben wird.

Rücktritt Richtung ÖVP-Klub

Der bisherige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war am Samstagabend nach den Korruptionsvorwürfen gegen ihn zurückgetreten und wechselt als Klubchef der ÖVP in den Nationalrat. Er bezeichnete die Vorwürfe gegen ihn neuerlich als falsch. Kurz werde die Aufhebung der parlamentarischen Immunität selbst beantragen, hieß es vom ÖVP-Klub zum STANDARD.

Kurz war aufgrund der Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Inseratenaffäre zunehmend unter Druck geraten, auch durch den eigenen Koalitionspartner. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte Kurz zuletzt als "nicht amtsfähig" bezeichnet und ihm ein Ultimatum gestellt.

Laut dem Chef der Finanzprokuratur und ehemaligen Innenminister Wolfgang Peschorn hat Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die interne Revision mit der Prüfung der in der Inseratenaffäre von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe beauftragt. Bei dieser Prüfung sei die Finanzprokuratur unterstützend tätig, sagte Peschorn Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum".

"Mit ÖVP in Koalition, nicht mit einer Person"

Durch die Kanzlerrochade bleibt die türkis-grüne Regierung bestehen – wohl zur Freude der grünen Länderorganisationen. Darauf ließen jedenfalls die offiziellen Statements der steirischen Grünen-Chefin Sandra Krautwaschl und des Vorarlberger Grünen-Chefs Daniel Zadra am Sonntagvormittag schließen. "Wir als Grüne sind mit der ÖVP in einer Koalition, nicht mit einer Person", so Zadra.

Wenig Begeisterung herrscht hingegen bei der Opposition, die an einer Vier-Parteien-Regierung getüftelt hatte. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger meinte am Samstagabend, in den nächsten Monaten werde das Chaos nahtlos weitergehen. Auch SPÖ und FPÖ sehen das "System Kurz" fortgesetzt. Die ÖVP-Landeschefs zollten Kurz Respekt, wiewohl sie an seinem Schritt nicht ganz unbeteiligt gewesen sein dürften. Dem Vernehmen nach war der Druck der Landeschefs am Samstag größer geworden.

U-Ausschuss zur türkisen Causa zeichnet sich ab

Im Lauf des Sonntags nahm ein neuer Untersuchungsausschuss bereits Gestalt an. Der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker war schon Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss und bestätigte laufende Gespräche mit den anderen Oppositionsparteien. Man sei mit dem Untersuchungsgegenstand schon "relativ weit", im Großen und Ganzen werde es um die "Korruptionsanfälligkeit der ÖVP" gehen. Hafenecker glaubt, dass der Antrag auf den Ausschuss schon bald im Parlament eingebracht werden kann. Auch SPÖ und Neos plädierten für eine parlamentarische Aufklärung.

Einbringen will sich auch der Juniorpartner der Bundesregierung. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer ging "fix davon aus, dass es einen Untersuchungsausschuss geben wird, wo unsere Abgeordneten sich selbstverständlich in gewohnter Art und Weise an der Aufklärungsarbeit beteiligen werden". (red, 10.10.2021)

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