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U-Ausschuss nimmt Kloibmüller-Chats in seinen Aktenbestand auf

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Peter Pilz übergab den Abgeordneten ein Chatkonvolut und kritisierte Ermittler der Staatsanwaltschaft Wien scharf


Er habe sich lange gefragt, wie es so sei, einmal auf der anderen Seite zu sitzen – seit heute Nachmittag weiß es Peter Pilz. Der langjährige Abgeordnete (Grüne, Jetzt) war als Auskunftsperson in den ÖVP-U-Ausschuss geladen worden, um über Postenkorruption zu erzählen. Pilz hatte dazu ausführlich für seine Plattform Zackzack.at recherchiert, als Ausgangspunkt dienten Chats aus dem Smartphone von Michael Kloibmüller, einst Kabinettschef im Innenministerium.

Eine Auswahl dieser Chats überreichte Pilz auch dem U-Ausschuss, was gleich zu heftigen Debatten führte. Der Verfahrensrichter zeigte sich zuerst skeptisch; die ÖVP war vehement dagegen, diese anzunehmen – immerhin könnten sie aus krimineller Quelle stammen. Schließlich stimmten die Parteien mehrheitlich dafür, die Chats aufzunehmen.

Danach erzählte Pilz über seine Wahrnehmungen rund um die Kloibmüller-Chats. Diese seien ihm im Frühling 2021 überreicht worden. Er kritisierte, dass der Datenstick mit diesen Nachrichten zwar bei der Staatsanwaltschaft Wien lag, aber nicht inhaltlich ausgewertet wurde. Das liegt daran, dass Kloibmüller hier als Opfer geführt wird – seine Daten wurden ja mutmaßlich illegal von einem früheren Verfassungsschützer gestohlen.

Pilz bezeichnete den fallführenden Staatsanwalt S., der übrigens auch gegen Ibiza-Regisseur Julian Hessenthaler Anklage erhoben hatte, als Mann fürs Grobe. Das Verfahren gegen abtrünnige Verfassungsschützer, die offenbar Kloibmüllers Daten entwendet hatten, sei nach einiger Zeit überraschend zu S. gewandert.

"Mit Edi wegen der Sache reden"

Zuvor war mit Eduard Müller jemand geladen, der immer wieder in Affären im Finanzministerium aufgetaucht ist. In den Chatnachrichten dazu hieß es einmal, Thomas Schmid werde "wieder mit Edi wegen der Sache" reden; ein anderes Mal, dass Schmid ihn "bittet, ein Auge drauf zu haben". Mit "Edi" wurde "getüftelt" und gechattet. Kurzum: Der langjährige Sektionschef kam offenbar immer dann ins Spiel, wenn der damalige Generalsekretär Thomas Schmid einen Problemlöser brauchte.

Da es für Thomas Schmid viele Probleme zu lösen gab, war auch Müller mit einigen verschiedenen Fragestellungen befasst. Als Chef der Präsidialsektion saß Müller von 2015 bis 2019 an zentraler Stelle im Finanzressort. Befasst wurde er zum Beispiel mit einer Steuerangelegenheit rund um den Immobilienunternehmer René Benko. Worum es dabei ging? Laut Müller habe es hier "die längste Verfahrensdauer, die ich je erlebt habe", gegeben. Es habe sich um einen "komplexen Sachverhalt mit mehreren Strängen" gehandelt; am Ende sei sogar eine Verjährung im Raum gestanden – das wäre ein "Mega-GAU" gewesen. Mehr könne er dazu aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht sagen.

Involviert wurde Müller auch in die "Steuersache" rund um den Unternehmer Siegfried Wolf, in der nun gegen Wolf und Schmid wegen Bestechung ermittelt wird. Dazu sagte Müller, dass er von Schmid in der Sache kontaktiert worden sei, aber lediglich ans zuständige Finanzamt verwiesen habe. "Ich bin mit Wolf nicht per Du und habe ihn nicht getroffen", erklärte Müller.

Auch in anderen medienwirksamen Fällen spielte der Sektionschef eine Rolle: Nachdem Steuerdaten von ÖVP-Spender Stefan Pierer nach außen gedrungen waren, beteiligte sich Müller an der Suche nach dem internen Maulwurf. Als der Fall rund um den SPÖ-Berater Tal Silberstein den Wahlkampf 2017 dominierte, checkte Müller laut Chats, ob Silberstein "bei uns im Abgabeninformationssystem erfasst" sei. Die Versteuerung des Honorars für die SPÖ könne er nur "indirekt checken", schrieb er. Diesen Auftrag habe er vom damaligen Generalsekretär Thomas Schmid erhalten, sagte Müller vor dem U-Ausschuss. Er habe "keinen Grund gesehen, den Auftrag nicht anzunehmen".

Übergangsminister

Seiner Karriere dürfte die enge Zusammenarbeit mit der türkisen Ressortspitze zuträglich gewesen sein: In der Übergangsregierung unter Brigitte Bierlein wurde Müller sogar Finanzminister (und beriet Wolf noch rund um dessen Steuersache), seit Februar 2020 ist er Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA). Dass die Ausschreibung für diese Stelle für ihn maßgeschneidert wurde, wie von der SPÖ insinuiert, glaubt Müller nicht. Er habe jedoch "keine Ahnung", ob mit ihm über die Textierung der Ausschreibung gesprochen worden sei.

Obwohl er häufig in den Ermittlungen auftaucht, wird Müller von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht als Beschuldigter geführt. (red. 3.3.2022)

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