Auch wenn er offensichtlich nicht gern kommt und im konkreten Fall sogar schon eine Beugestrafe im Raum stand: Erfahrung als Auskunftsperson in U-Ausschüssen hat Unternehmer Siegfried Wolf durchaus. "Herr Wolf drückt sich nicht, wenn es um Wahrheitsfindung geht; selbst wenn der eine oder andere sich schon diebisch auf die Befragung des Herrn Wolf heute freut", mit diesen Worten wandte sich Wolf beim dritten Eurofighter-U-Ausschuss im September 2018 an die Abgeordneten.

Und heute, Mittwoch, war es wieder so weit sein: Für 10 Uhr war Wolf als erste Auskunftsperson des Tages im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss geladen. In seinem Eingangsstatement sprach er von einem "Tsunami an Desinformation" über seine Person, der in den vergangenen Wochen über ihn hinweggefegt sei.

Seine Befragung gestaltete sich als zäh, ist Wolf doch Beschuldigter in seiner Steuerangelegenheit – es gilt die Unschuldsvermutung. Auch zu Fragen rund um die Staatsholding Öbag wollte er nicht Stellung nehmen: Hier geht es darum, ob der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Wolf dort zum Aufsichtsratsvorsitzenden habe machen wollen und warum das nicht geklappt hat. Weil Kurz den U-Ausschuss nicht vollumfänglich in dieser Sache informiert haben soll, ermittelt die WKStA gegen den Altkanzler.

Wolf betonte lediglich, nie an die ÖVP gespendet und mit dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) Gespräche über die Strukturierung der Öbag geführt zu haben. Ein Problem rund um die Aufsichtsratsfrage sei womöglich gewesen, dass er zu viele andere Mandate wahrgenommen habe, sagte Wolf.

Den früheren ÖVP-Geschäftsführer Axel Melchior, der sich auch um Spenden kümmerte, kenne er aber – und zwar, zum Amüsement der Abgeordneten, weil Melchior einst als Caddy im Golfclub Fontana gearbeitet habe. Nicht äußern wollte sich Wolf zur Frage von SPÖ-Fraktionsvorsitzendem Jan Krainer, ob es gegen ihn ein Verfahren wegen des Transports von Goldbarren über eine Grenze gebe.

Auf Anfrage des STANDARD sagt die WKStA allgemein, dass dies im Rahmen der Ermittlungen gegen zwei Beschuldigte im Eurofighter-Verfahren eine Rolle spiele. Hier wird Wolf wie mehrfach berichtet als Beschuldigter geführt, deshalb wurde auch sein Smartphone sichergestellt – auf dem sich dann die Chats zu seiner Steuersache fanden.

Mit fortschreitender Befragung wurde der Unternehmer zunehmend genervter. Eine Frage von Krisper zu Interventionen für seinen Geschäftspartner Oleg Deripaska, wegen der US-Sanktionsliste steht, sei eine "Unterstellung". Alles, was er mache, werde kriminalisiert, klagte Wolf. Bei der Frage zu seinem Eurofighter-Verfahren sah er sich gar in seinen Menschenrechten verletzt; Krisper treibe "Besudelungen voran". Der grünen Fraktionsführerin Nina Tomaselli attestierte er, sie habe aus deren Studium der Volkswirtschaftslehre bereits alles wieder vergessen. Jetzt sei endlich etwas für Bestechung da, meinte Wolf zynisch, als er die Frage Krainers bejahte, dem ehemaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling einige Flaschen Wein abgekauft zu haben.

Entschlagungsorgie bei Schelling-Befragung

Der kam am späten Nachmittag in den U-Ausschuss und bezog sich bei vielen Fragen auf sein Entschlagungsrecht – obwohl das teils vom Verfahrensrichter infrage gestellt wurde. Deshalb kündigte der Vorsitzende Norbert Hofer, der für Wolfgang Sobotka eingesprungen war, die Beantragung einer Beugestrafe an. Sonst gab sich Schelling recht wortkarg: Das Arbeitsverhältnis mit seinem Kabinettschef und Generalsekretär Thomas Schmid sei ein gutes gewesen; mit dem ÖVP-Spender und Unternehmer Stefan Pierer habe er keinen Kontakt zu dessen Steuerangelegenheiten gehabt.

Oft wollte sich Schelling nicht klar festlegen: Etwa zur Frage, ob er mit der steuerlichen Einstufung des Palais Liechtenstein in der Wiener Bankgasse befasst worden sei. Mit Novomatic-Gründer Johann Graf habe es ein paar Gespräche gegeben, mehr nicht. Als einmalige Chance habe Schelling die Aussicht auf die Stelle als Eurogruppen-Chef gesehen. Der hätte er aber nur werden können, wenn er auch unter Türkis-Blau Finanzminister geblieben wäre. In einem Chat schrieb er, Kurz habe den Eurogruppen-Vorsitz "vermasselt"; das erklärte er als "Emotionsausbruch".

Die Steuercausa erklärt

Deren Hintergrund: Die spielt in den Jahren ab 2016, Chats aus den Smartphones von Wolf und Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, legen massive Interventionen zugunsten des Unternehmers nahe. Wolfs Handy hatten sich die Ermittler im Eurofighter-Verfahren geschnappt, in dem er immer noch als Beschuldigter geführt wird. Betont sei, dass für alle Genannten die Unschuldsvermutung gilt.

In ihren Ermittlungen zur Steuercausa nimmt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) immer wieder Bezug auf die Chats. Sie verdächtigt Wolf, die Chefin seines damaligen Finanzamts bestochen zu haben, indem er und Schmid ihr dabei geholfen hätten, ihren Karrierewunsch zu erfüllen – sie wollte Chefin in einem anderen Finanzamt werden. Allerdings ermittelt die Justiz nicht das erste Mal in dieser Angelegenheit. Aufgepoppt war die bereits 2019, als bei einer internen Prüfung aufgeflogen war, dass Wolf eine Steuernachsicht von rund 700.000 Euro gewährt worden war.

Die dafür notwendige Zustimmung aus der Fachabteilung im Finanzministerium hatte das für Wolf zuständige Finanzamt nicht eingeholt. Die zuständige Sektionschefin brachte deshalb Strafanzeige gegen die Finanzamtschefin und weitere Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ein. Das hat damals zu heller Aufregung geführt: Der damalige Finanzminister Eduard Müller soll die Sektionschefin laut deren Zeugenaussage gefragt haben, ob sie denn "wahnsinnig geworden" sei. "Da steckt ja der Thomas drin", sei er laut geworden, was er übrigens bestreitet.

Schmid hatte sich tatsächlich sehr für Wolf ins Zeug gelegt und intensiv mit ihm und mit Beamten aus seinem Haus über Wolfs steuerliche Angelegenheiten kommuniziert. Problematisch für Wolf war vor allem die Ansicht der Großbetriebsprüfer, wonach er wegen falscher Steuererklärungen zu Verdiensten in der Schweiz eigentlich elf Millionen Euro hätte nachzahlen müssen. Schmid im Juli 2016 an Wolf: "Das ist irre! Großbetriebsprüfung droht auch mit Korruptionsstaatsanwaltschaft. Kämpfen, aber dein Fall kam so verdammt spät zu uns (...). Die Unterstützung ging in beide Richtungen: "Ich kämpfe auch für euch mit allen Mitteln", schrieb der Unternehmer im August 2016 an Schmid. Damals begann dessen Vertrauter Sebastian Kurz gerade mit seinen Vorbereitungen für den Weg an die Spitze der ÖVP und ins Bundeskanzleramt. Wolf sei einer der Ersten gewesen, die für Kurz eine "Spendenrallye" ausgerichtet hätten, erzählte später der damalige ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner.

Zurück zu Wolfs Steuertroubles. Es ging um Einkünfte, die Wolf von der Magna Management AG in der Schweiz von 2006 bis 2010 erhalten hatte. Hintergrund war die Änderung eines Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz, die weder Wolfs Steuerberater noch das Finanzamt berücksichtigt hatten. Als das im Finanzamt auffiel, schaltete sich die Großbetriebsprüfung ein. Wolf und seinen Beratern gelang es, die ursprüngliche Vorschreibung von elf Millionen Euro auf sieben Millionen Euro zu reduzieren. Das reichte dem Unternehmer allerdings nicht. Er wollte dann auch noch eine Reduzierung der ihm vorgeschriebenen Zinsen; stattdessen erließ ihm sein Finanzamt dann weitere Steuernachzahlungen in der ungefähren Höhe der Zinsen von rund 700.000 Euro.

Erstes Verfahren wurde eingestellt

Und um genau diesen Nachlass ging es im ersten Verfahren, in dem wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch durch die Beamten ermittelt wurde. Wolf selbst war weder Beschuldigter, noch wurde er einvernommen. Die Finanzamtschefin hatte in ihrer Beschuldigtenvernehmung vor der StA Wiener Neustadt angegeben, "in keinster Weise" in die Beurteilungsvorgänge eingebunden gewesen zu sein. Die zwei anderen Beschuldigten vertraten die Rechtsansicht, dass sie das Ministerium im Zusammenhang mit der Steuernachsicht nicht hätten fragen müssen. Letztlich stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.

Die Ruhe währte jedoch nicht lang: Bei der WKStA langte eine anonyme Anzeige zur Causa ein, ihre Staatsanwälte fanden daraufhin die erwähnten Chats auf Schmids und Wolfs Handys und leiteten Korruptionsermittlungen ein. Mittlerweile hat das Verfahren auch den ehemaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling eingeholt. Er hatte sich laut Chats wiederholt mit Wolf über dessen Steuerproblem unterhalten und ihm auch zugesagt, sich um die Sache zu kümmern. Auch Schelling wird am Mittwoch vor dem U-Ausschuss zu all dem befragt werden. (Renate Graber, Fabian Schmid, 5.4.2022)

Beugestrafe angedroht: Ex-Finanzminister Schelling im Entschlagungsmodus