Mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) haben der nun suspendierte Justizsektionschef Christian Pilnacek und der Leitende Oberstaatsanwalt Johann Fuchs so einige Konflikte ausgetragen. Eine Rolle spielte da auch die Staatsanwältin Linda Poppenwimmer: Sie war eine Informantin für Fuchs und berichtete ihm in hunderten Chatnachrichten, was gerade in der WKStA passierte. Teils fotografierte sie auch handschriftliche Notizen ab, um sie Fuchs zu zeigen. "Ich bin kein Maulwurf", sagte Poppenwimmer dazu. Sie habe "über aufklärungswürdige Vorgänge in der WKStA informiert", die Mediendarstellung dazu sei skandalisierend gewesen.

Sie erlangte einige Aufmerksamkeit, als sie im Herbst 2021 medienwirksam von der WKStA zur Kanzlei Ainedter & Ainedter wechselte – und ihren neuen Job, gepaart mit einiger Kritik an den Verhältnissen in der Justiz, verkündete. Klaus Ainedter begleitete sie auch als Vertrauensperson in den U-Ausschuss. Er vertritt im Casag-Verfahren den einstigen Kurz-Berater Gerald Fleischmann.

Vor dem U-Ausschuss wiederholte Poppenwimmer ihre Kritik: In Teilen der Behörde gebe es ein "vergiftetes Klima", die Nerven seien rund um die Causa Eurofighter "blank gelegen". Die WKStA sei derzeit "nicht die Antikorruptionsbehörde, die wir brauchen", weil sie sich abschotten wolle.

Mit Fuchs, also dem Vorgesetzten ihrer Vorgesetzten, habe sie hingegen ein "friktionsfreies Verhältnis" gehabt. Der OStA Wien-Chef, gegen den ein Strafantrag wegen des Verdachts auf Falschaussage vor dem U-Ausschuss eingebracht wurde, habe ihr geraten, in ihrer Befragung "offen und ehrlich" zu sein. Ihr Herz ausgeschüttet habe sie dem ehemaligen OGH-Präsidenten Eckart Ratz, die umstrittene Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher habe sie "gefördert" – die ließ sich bei einer WKStA-kritischen Presseaussendung übrigens von der Kanzlei Ainedter beraten, was ihr einen Rüffel von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) eingebracht hat.

Poppenwimmer vermutet, dass Informationen aus der WKStA nach außen getragen worden seien. Sie habe "Auffälligkeiten" entdeckt und präsentierte dem U-Ausschuss Gerüchte über die Nähe von WKStA-Mitarbeitern zu Verwandten von Politikern. Die WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda habe das nicht ernst genommen, monierte Poppenwimmer.

Im Lauf der Befragung lieferte Poppenwimmer immer schärfere Vorwürfe gegen die WKStA: Sie berichtete von angeblichen Freundschaften zwischen WKStA-Kollegen und Politikern oder deren Verwandten. Poppenwimmer behauptete auch, WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda habe den Rücktritt von Sebastian Kurz so kommentiert, dass jetzt "nur noch einer" fehle – gemeint war Johann Fuchs. Zuvor sei "Pilnacek muss weg" das Motto der WKStA gewesen.

"Das Leak ermittelt"

Weitaus harmonischer dürfte das Verhältnis von Fuchs und Pilnacek zur Staatsanwaltschaft (StA) Wien gewesen sein, für deren Aufsicht sie ebenfalls zuständig waren. Das Vertrauen ging offenbar so weit, dass ein Staatsanwalt der StA Wien mit Ermittlungen gegen die WKStA betraut werden sollte – zumindest legen das Chats nahe. Und zwar ausgerechnet jener Staatsanwalt, der zu dieser Zeit breitflächig gegen etwaige Hintermänner des Ibiza-Videos ermittelte: Bernd S.

So schrieb Pilnacek im Sommer 2018 an Fuchs: "Wir müssen koordinieren. Meine Idee ist, dass StA Wien – S(.) – mit Soko das Leak ermittelt. (...)" Fuchs hielt das für eine "gute Lösung". Der Hintergrund: Die beiden Vorgesetzten der WKStA vermuteten, dass die Antikorruptionsbehörde sie mit gezielten Leaks unterminiert. Für die Opposition ergibt sich aus den Chats der Eindruck, dass Pilnacek ein besonderes Vertrauensverhältnis zu S. hatte. Allerdings zeigt eine Nachricht, dass der damalige Sektionschef selbst ins Zweifeln geriet. Er fragte Fuchs, ob es "zwischen S(.) und den Leuten von der WKStA mehr als kollegiale Verbindungen" gebe. Bewiesen wurden Leaks nie, ein Verfahren dazu mit S. als ermittelndem Staatsanwalt gab es nach aktuellem Wissensstand auch nicht. Vor dem U-Ausschuss gab S. an, von den Konversationen und Wünschen nichts gewusst zu haben.

Das Ibiza-Verfahren

Der Staatsanwalt, der als Experte für organisierte Kriminalität gilt und mittlerweile zur StA St. Pölten gewechselt ist, hat rund um die Ermittlungen gegen Ibiza-Drahtzieher Julian Hessenthaler viel Kritik auf sich gezogen. So wurde ein Glücksspiellobbyist involviert; während ein Strache-Fan anfangs die Ermittlungen gegen Hessenthaler leitete. Die Anklage gegen ihn basierte auf Zeugen, die einander zum Teil klar widersprochen haben; dennoch kam es zu einer nicht rechtskräftigen Verurteilung. Als Staatsanwalt sei man "Kritik gewöhnt", sagte S. dazu – mehr konnten die Abgeordneten nicht erfragen, da das Verfahren gegen Hessenthaler in zweiter Instanz anhängig sei.

Die Causa Kloibmüller

Auch mit einem weiteren aufsehenerregenden Fall hatte S. zu tun: Er war jener Staatsanwalt, der in der Causa Egisto Ott ermittelte. Dem einstigen Verfassungsschützer wird vorgeworfen, Informationen nach außen getragen zu haben; Bekannte von ihm sollen das Smartphone des langjährigen Innenministeriumskabinettschefs Michael Kloibmüller gestohlen und die Inhalte verbreitet haben. S. sagte dazu, er habe den berüchtigten USB-Stick, auf dem sich wohl Kloibmüllers Daten befanden, erstmals im Februar oder März 2021 in Händen gehalten. Er habe den Stick, der im Zuge einer Hausdurchsuchung gefunden wurde, dann an einen IT-Experten zur Auswertung gegeben. Bis die fertig geworden sei, war S. schon zur StA St. Pölten gewechselt. (red, 21.4.2022)

Nachlese Livebericht: Ex-WKStA-Mitarbeiterin sah sich vor Wechsel zu Ainedter als "Kummerkasten"