Nach sechs Verhandlungstagen im Korruptionsprozess gegen den früheren Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seinen "guten Freund" Siegfried Stieglitz fällte Richterin Mona Zink am Freitag ein Urteil: Strache und Stieglitz wurden beide freigesprochen. Die WKStA hatte Strache vorgeworfen, sich von Stieglitz bestechen zu lassen, um in den Aufsichtsrat der Autobahngesellschaft Asfinag zu gelangen. Mit dieser Anklage scheiterte die Korruptionsstaatsanwaltschaft erstinstanzlich, eine Berufung ist zu erwarten und es gilt die Unschuldsvermutung.

Für Richterin Monika Zink waren die Vorgänge "unschön", Interventionen habe es jedenfalls gegeben. Allerdings habe Strache "im Zweifel" gar nichts von Stieglitz' Spende gewusst, daher gebe es "im Zweifel" keinen Konnex zum Amtsgeschäft. Weder bei Strache noch bei Stieglitz sei ein bedingter Vorsatz nachzuweisen gewesen. Alleiniger Beweggrund im Zweifel sei bei allen Einladungen die Freundschaft zwischen Strache und Stieglitz gewesen.

Stieglitz' Assistentin sei glaubwürdig gewesen, als sie erklärte, bei jeder Überweisung "wie vereinbart" anzugeben. Und: Kurznachrichten würden "schnell geschrieben", so die Richterin. Auch Stieglitz Aussage, dass er eben nicht der FPÖ, sondern dem parteinahen Verein "Austria in Motion" habe spenden wollen, sei glaubwürdig und würde von Zeugen gestützt.

Das Plädoyer der Anklage

"Das ist Korruption", sagte der Oberstaatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in seinem Plädoyer. Es sei unzweifelhaft ein Amtsgeschäft Straches gewesen, Stieglitz sei das bewusst gewesen. Nicht dessen Eignung sei entscheidend gewesen, sondern Loyalität und politische Gesinnung.

Stieglitz sei ein "Netzwerker" gewesen, die Einladungen an Strache seien nicht aus Freundschaft, sondern aus Eigeninteresse erfolgt. Weil Strache auf die Einladung zu Stieglitz' Geburtstagsfeier nach Dubai mit "Super, wir sind dabei" reagiert habe, habe er sich einen Vorteil versprechen lassen – dass er später auf das Compliance-Thema "draufgekommen" sei, spiele sinngemäß keine Rolle.

Das Plädoyer von Stieglitz' Anwalt Pollak

"Darf man Politiker nie einladen?", fragte Andreas Pollak, Stieglitz' Verteidiger. Es könne nicht sein, dass man Freunde nicht mehr zum Essen einladen könne, nur weil diese Politiker seien. Eine Einladung sei nur verboten, wenn ein klarer Konnex zu einem Amtsgeschäft bestehe – und Stieglitz müsse sich da nicht freibeweisen, sondern die WKStA den Nachweis erbringen. Das sei nicht geschehen.

Stieglitz sei geeignet gewesen, das gelte auch für die Aufsichtsräte der ÖBB, in die er bestellt werden wollte.

Das Plädoyer von Straches Anwalt Pauer

Johann Pauer, der Strache in Korruptionsverfahren vertritt, nannte den Vorwurf der WKStA "falsch". Strache habe nicht in seiner Amtsführung bestochen werden können, da die Bestellung von Asfinag-Aufsichtsratsmitgliedern nicht in seine Zuständigkeit fiel. Das sei durch die Verfassung klar belegt. Eine SMS von Stieglitz an Strache, dass der ihn "lieb habe", zeige die Freundschaft der beiden.

Was bisher geschah

Am ersten Verhandlungstag wurden die Grundzüge der Anklage präsentiert. Es geht um die Frage, ob sich Siegfried Stieglitz mit Spenden und Reiseeinladungen den Posten als Asfinag-Aufsichtsratsmitglied gekauft habe oder ob er ausreichend qualifiziert war. Die Verteidigung wollte die enge Freundschaft zwischen Strache und Stieglitz beschreiben, ausgedrückt etwa in Form der Nachricht "Steh wieder auf, ich hab dich lieb" nach Erscheinen des Ibiza-Videos.

Am zweiten Verhandlungstag wurden Strache und Stieglitz befragt. Erörtert wurde, welche faktische Macht Strache über ressortfremde Aufsichtsratsbestellungen hatte, liegt die Asfinag doch im Bereich des Verkehrsministers, und der hieß Norbert Hofer. Auch über den Begriff "Zusage" wurde sinniert.

Verhandlungstag drei brachte die ersten prominenten Zeugen, unter anderem eben Hofer. Er gab an, von Stieglitz' Spende an den FPÖ-nahen Verein "Austria in Motion" nichts gewusst zu haben. Stieglitz sei aufgrund seiner Kompetenzen ausgewählt worden, meinte Hofer – und entlastete Strache damit durchaus.

Am vierten Verhandlungstag brachte dann Stieglitz eine Entlastungszeugin, nämlich seine Assistentin. Die gab an, bei Überweisungen immer den Betreff "Wie vereinbart" zu wählen. Das sollte der These widersprechen, dass Stieglitz damit auf eine "Vereinbarung" rund um Spende und Aufsichtsratsmandat angespielt habe. Am Nachmittag nannte Hofers Nachfolger im Verkehrsministerium, Andreas Reichhardt, dann Stieglitz einen "tadellosen Aufsichtsrat".

Tag fünf lieferte dann Einblicke in ÖBB und Asfinag und enge Männerfreundschaften dort. Man erfuhr, dass Stieglitz offenbar seinen Bruder in der Asfinag unterbringen wollte; der Unternehmer meinte allerdings, dass die Initiative dazu von Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl ausgegangen sei. Der frühere ÖBB-Holding-Aufsichtsratschef Gilbert Trattnig beschrieb, dass Stieglitz "versessen darauf" gewesen sei, bei der ÖBB zu landen; sein Sohn Philipp Trattnig – Straches Ex-Kabinettschef – hatte Stieglitz' Ambitionen ebenfalls mitbekommen.

Am sechsten Verhandlungstag sagten dann drei weitere Zeugen aus: Ein Lobbyist, der eng mit Strache und Stieglitz befreundet ist, erzählte über die Aufsichtsratssuche der FPÖ; Hofers Kabinettschef Rene Schimanek von "dicken Ordnern" mit Namen. (red, 29.7.2022)

Freispruch im Zweifel: Strache "dankbar und erleichtert"