Am Dienstagvormittag hat am Wiener Straflandesgericht, dem sogenannten Grauen Haus, unter großem Medienandrang das Korruptionsverfahren gegen den früheren Planungssprecher der Wiener Grünen und Ex-Stadtrat Christoph Chorherr begonnen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft ihm Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit vor – rund um Spenden, die Immobilienunternehmer und -unternehmen an Chorherrs gemeinnützigen Verein S2Arch geleistet haben.

Unter den angeklagten Spendern sind etwa René Benko (Signa Holding), Michael Tojner (Wertinvest, Global Equity Partners), Erwin Soravia und Conwert-Gründer Günter Kerbler. Ihnen wird Beihilfe zum Amtsmissbrauch und Bestechung vorgeworfen.

WKStA: "Amtsträger, die sich schmieren lassen"

Die WKStA stellt einen Konnex zwischen den Spenden und von der Stadt genehmigten Immobilienprojekten von deren Firmen her. Wenn man dem Verein Geld überweise, bekomme man, was man wolle, erläuterte der Staatsanwalt. In Österreich gebe es nach wie vor Korruption, weil es Amtsträger wie Chorherr gebe, "die sich schmieren lassen". Man habe vor allem auf den Datenträgern von Michael Tojner "die ganze Netzwerkerei" nachvollziehen können.

Chorherrs Anwalt: Mit Reich und Arm "auf Augenhöhe"

Richard Soyer, der den Ex-Grünen-Politiker vertritt, kündigte an, dass sich dieser nicht schuldig bekennen werde. Chorherr sei der Meinung gewesen, dass er als Mensch und Politiker mit allen Bürgern auf Augenhöhe sprechen müsse, egal ob reich oder arm. Er habe sich nicht beeinflussen lassen, es gebe keinen Konnex zwischen Spende und Amtsgeschäft.

Aber: Chorherr hätte die Obmannschaft des Vereins zurücklegen sollen, als die Grünen im Jahr 2011 in die Wiener Stadtregierung gelangten, räumte Soyer ein: "Dieser Fehler pickt." Deshalb habe er auch bei der WKStA den Antrag auf eine Diversion gestellt, mit der wäre er nach wie vor einverstanden, sagt Soyer.

Tojners Anwalt: Vorwurf "abstrus"

Der milliardenschwere Unternehmer Michael Tojner wird von Stefanie und Karl Liebenwein vertreten. Letzterer nannte den von der WKStA geäußerten Vorwurf "abstrus". Er zeigte eine Slideshow über das Areal am Wiener Heumarkt und sprach von einer "völligen Gstettn", die man revitalisieren wollte. Chorherr sei nur einer von hundert Abgeordneten gewesen, die involviert gewesen seien. "Alles lief ordnungsgemäß ab", betonte Liebenwein. Es gebe "kein einziges Ermittlungsergebnis", Tojner wird um einen Freispruch bitten.

Hemetsbergers "Lebensprojekt"

Michael Rami, Verfassungsrichter und Anwalt von Investmentbanker Wilhelm Hemetsberger, der mit Abstand den höchsten Betrag bezeichnet hat, nannte die karitativen Tätigkeiten des Vereins Hemetsbergers "Lebenswerk". Auch dessen aktuelles Unternehmen Ithuba Capital AG trägt ja denselben Namen wie das südafrikanische Projekt und die dortigen Schulen. Rami zeigte Fotos von Hemetsbergers Reisen nach Südafrika, der sei "vollends begeistert" gewesen – und wird ebenfalls um einen Freispruch bitten.

Kerbler: Jahrelange Freundschaft mit Chorherr

Johann Pauer, der Anwalt von Investor Günther Kerbler, zeigte sich überrascht, dass es überhaupt zur Anklage gegen seinen Mandanten gekommen war. Denn: Als die von Kerbler gegründete Conwert 2014 an Chorherrs Verein gespendet habe, sei sie gar nicht mehr Kerblers Gesellschaft gewesen. Die WKStA sieht Interventionen rund um ein Projekt in der Seestadt Aspern; laut Pauer kann Chorherr dort aber gar nichts beeinflusst haben. Den Ex-Politiker und Kerbler verbinde jedenfalls eine "jahrzehntelange Freundschaft".

Soravia-Anwalt: Anklage ist fehlerhaft

Auf Fehler in der Anklageschrift der WKStA wies Norbert Wess, Anwalt von Erwin Soravia, hin: Wie berichtet war Chorherr dort als "Planungsstadtrat" bezeichnet worden, das war er aber nie; in Wirklichkeit war er Planungssprecher im Gemeinderat. Zudem monierte Wess, dass die Staatsanwaltschaft "keine Beweise" gebracht habe. Die Anklage habe "alles und jeden in einen Topf geworfen". Er ortete "eine Art Klassenkampf", weil man Wohlhabenden unterstelle, nicht aus hehren Motiven gespendet haben zu können.

Dass Soravia auf seiner 50. Geburtstagsfeier in den Sophiensälen für Ithuba-Spenden geworben habe, sei nicht heimlich erfolgt. Man habe den Künstler Peter Kugler gewonnen, um Werke zur Verfügung zu stellen; deren Verkaufserlös sei an S2Arch gegangen.

So sei auch Soravia-Manager S. zur Spende gekommen, als "Geschenkersatz für den Chef"; dass das irgendetwas mit Chorherr zu tun habe, sei "rein spekulativ und falsch", sagte S.' Anwalt Oliver Scherbaum. Ähnliches gilt für einen pensionierten Soravia-Mitarbeiter, der – wie sein früherer Kollege und sein früherer Chef – ein Gemälde für 15.000 Euro erstanden habe. Allein zeitlich ergäben die Vorwürfe keinen Sinn, sagte dessen Anwalt Lukas Kollmann: Die Überweisung des Geldes sei zweieinhalb Jahre nach Bewilligung jenes Projekts erfolgt, zu dem die WKStA eine Verbindungen herstellt.

Benkos Anwalt: "Kein Versuch eines Beweises"

Scharfe Kritik an der Anklageschrift gab es auch von Stefan Prochaska, dem Anwalt von René Benko. Er sehe in der Anklage "keinen Versuch eines Beweises", eine derartige Anklage habe er "noch nie gelesen". Er monierte, dass Benko nicht einvernommen wurde. Wäre das geschehen, hätte dieser gesagt, dass seine Signa das Projekt am Wiener Hauptbahnhof, um das es der WKStA geht, erst ein Jahr nach der Spende gekauft habe. Zudem spende Benko für viele karitative Zwecke.

Alle Angeklagten haben die Vorwürfe bisher bestritten. Vorsitzender des Richtersenats ist Michael Tolstiuk. Für alle Angeklagten, zu denen neben zehn Personen auch der Verein S2Arch und weitere Verbände zählen, gilt die Unschuldsvermutung.

Vorerst sind zehn Verhandlungstage bis zum 20. Dezember anberaumt. Worum es im Detail geht, kann hier nachgelesen werden. (gra, fsc, 8.11.2022)

Chorherr-Prozess: Benkos Anwalt sieht in Anklage "keinen Versuch eines Beweises"