Gab es einen Zusammenhang zwischen Spenden an den Verein S2Arch und großen Bauprojekten in Wien? Anders gefragt: Haben zahlreiche prominente Unternehmer den damaligen grünen Planungssprecher Christoph Chorherr mit Überweisungen an dessen wohltätigen Verein bestochen?

Dieser Frage geht seit 8. November ein Richtersenat unter Vorsitz von Michael Tolstiuk nach; bislang haben sich alle Angeklagten nicht schuldig bekannt. Zu hören waren neben Chorherr selbst, der sinngemäß eine schiefe Optik einräumte, etwa die Unternehmer Michael Tojner, Wilhelm Hemetsberger, Erwin Soravia und Günther Kerbler. Fast alle schwärmten von Chorherrs Bildungsprojekten in Südafrika und wiesen die von der WKStA angeklagten Vorwürfe von sich.

Weitere Angeklagte weisen Vorwürfe von sich

Die Verhandlung am Freitag begann damit, dass der Richter den weiteren Fahrplan bis ins Jahr 2023 skizzierte. Gehört werden soll unter anderen die frühere Wiener Vizebürgermeisterin und Grünen-Chefin Maria Vassilakou. Der Verhandlungstag begann dann mit der Befragung eines ehemaligen Notenbankers. In Zusammenhang mit ihm klagte die WKStA ein Projekt in der Perspektivstraße im 2. Bezirk an, das beeinflusst werden sollte.

Der Angeklagte gab an, "nie" mit Chorherr über Immobilienprojekte gesprochen zu haben. Ähnlich argumentierte ein weiterer Angeklagter, der erst durch die mediale Berichterstattung nach Aufkommen der Affäre erfahren haben will, wie Chorherr in den Verein involviert sei. Aber auch die Stadt Wien habe ja viel gespendet, warum dürfte er also nicht, fragte er sinngemäß.

Auch Franz L., ein Immobilienentwickler, wies die Anklagepunkte von sich. Er bekannte sich nicht schuldig; ein Architekt habe ihm den Kontakt zu Chorherr empfohlen. 2017 habe er sich bei einer Reise nach Südafrika das Schulprojekt des damaligen Grünen-Politikers angesehen, danach habe er gespendet. Einen Konnex gebe es nicht. Allerdings gab L. an, dass ein Berater meinte, ein Gespräch mit Vassilakou sei "relativ aussichtslos", er solle sich an Chorherr wenden.

Benko und der Hauptbahnhof

Ab 12 Uhr äußerte sich dann der wohl bekannteste Angeklagte, der Unternehmer René Benko. Ihm wirft die WKStA vor, dem Chorherr-Verein 100.000 Euro überwiesen zu haben, um Widmungen beim Business Center der Signa am Wiener Hauptbahnhof zu beeinflussen. Benkos Verteidigung argumentierte in ihrem Eingangsstatement, dass die Vorwürfe schon rein zeitlich keinen Sinn ergeben würden. Hemetsberger, der größte private Spender, hatte zudem ausgesagt, Benko zu der Spende gebracht zu haben. Dass Chorherr hinter dem Verein steht, sei Benko erst später bewusst geworden, meinten dessen Anwälte in einem Schriftsatz gegenüber der Staatsanwaltschaft.

Das wiederholte Benko, der sich nicht schuldig bekannte, vor Gericht. Er selbst habe nicht gespendet, sondern die Signa Holding; außerdem sei er mehr in Deutschland engagiert gewesen. Hitzig wurde es rund um die Frage, warum Benko im Ermittlungsverfahren nicht einvernommen wurde. Einer von Benkos Anwälten, Stefan Prochaska, zitierte aus den Akten, dass Ermittler das abgesagt hätten. Der zweite Anwalt, Wilfried Plattner, erzählte, er habe den Staatsanwalt angerufen und wegen einer Einvernahme gefragt – und der habe gemeint, dass er keine brauche. Deshalb dachte man, das Verfahren werde eingestellt. So etwas habe er "noch nie erlebt", beschwerte sich Plattner.

Zusätzlich meinte Anwalt Rüdiger Schender, dass Benko selbst keine schriftliche Stellungnahme eingebracht habe, sondern eben eine der Signa-Gesellschaften.

Mit Benko waren somit alle natürlichen Personen unter den Angeklagten befragt worden; nun äußerten sich die einzelnen Verbände, die sich allesamt ebenfalls nicht schuldig bekannten. Ein Vertreter der Signa meinte etwa, Gespräche mit der Politik seien "üblich und wichtig", zur Spende habe er aber keine Wahrnehmung; ein weiterer Manager aus Benkos Unternehmensreich meinte, die Spende habe sicher nichts mit dem Projekt am Hauptbahnhof zu tun.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (fsc, gra, 25.11.2022)

Chorherr-Prozess: Streit um Benkos ausgebliebene Einvernahme bei Ermittlungen