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Freispruch für alle Angeklagten im Chorherr-Prozess

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Gericht sah keine Bestechung von Ex-Grünen-Politiker durch mitangeklagte Unternehmer, auch der Vorwurf der Befangenheit hinsichtlich Chorherrs politischer Arbeit sei nicht gegeben


Nach mehreren Jahren Ermittlungen und drei Monaten Gerichtsprozess war am Montag um 15.50 Uhr klar: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat das Straflandesgericht nicht von korruptiven Handlungen des einstigen Grünen-Politikers Christoph Chorherr überzeugen können. Das Gericht habe "keinen Missbrauch festgestellt", auch der Vorwurf der Befangenheit für Chorherrs politische Arbeit sei nicht gegeben.

Alle Angeklagten, neben Chorherr also Unternehmer wie René Benko, Michael Tojner oder Erwin Soravia, wurden erstinstanzlich freigesprochen. Das Urteil dürfte die Situation der WKStA nicht einfacher machen, nutzten ÖVP-Politiker zuletzt ja die Freisprüche gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schon für Angriffe auf die Antikorruptionsbehörde.

Die kündigte sofort eine Nichtigkeitsbeschwerde an, das Urteil ist also nicht rechtskräftig. Für Chorherr und die mitangeklagten Unternehmer und Verbände ist das erstinstanzliche Urteil aber ein wichtiger Etappensieg. In seiner mündlichen Begründung ließ Richter Michael Tolstiuk durchklingen, dass er der Argumentation der WKStA kaum gefolgt war. Die hatte Chorherr ja vorgeworfen, er habe sich von Unternehmern mit Spenden an den von ihm mitgegründeten Verein S2Arch bestechen lassen und dann als Planungssprecher der Grünen Einfluss auf Umwidmungen genommen.

Zeuge: Chorherr "wichtig"

Diese These der WKStA wurde durchaus vom letzten Zeugen gestützt, der Montagfrüh befragt wurde. Dabei handelte es sich um den Besitzer zweier Einkaufscenter in Wien, die er einst hatte erweitern wollen.

Hauptansprechpartner sei die damalige grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gewesen, aber Chorherr "hat auch seine Ideen eingebracht" und habe "viel zu sagen" gehabt. "Vassilakou hat auf ihn gehört", so der Zeuge. Von dessen sozialem Engagement habe er nichts gewusst.

Chorherr wurde da kurz emotional: Der Zeuge sei nur wegen eines Artikels da, der ihm "schwer kriminelles Verhalten" unterstellt habe; nämlich dass S.' Pläne nicht bewilligt worden seien, weil dieser keine Machbarkeitsstudie beim Büro von Chorherrs Frau habe kaufen wollen.

Niemand hätte das je verlangt, so Chorherr, der eine "jahrelange mediale Vorverurteilung" gegen sich ortete. Der Richter wies ihn aber darauf hin, dass der Zeuge selbst diesen Artikel als falsch zurückgewiesen habe.

Danach wurde noch rasch die Einvernahme jenes Vereins verlesen, der im Mittelpunkt des Prozesses stand. Da hieß es, dass Chorherr auf die Spendenverwendung gar keinen Einfluss gehabt habe.

Schließlich begann die lange Reihe an Plädoyers – und zwar mit jenem des Oberstaatsanwalts der WKStA. Er sprach von "urösterreichischen" Mustern, wo "eine Hand die andere wäscht". Der einstige Grünen-Politiker Chorherr habe "viel bewegt" und sei ein "wichtiger Mann" gewesen. Als Politiker um Geld zu fragen für sein Lieblingsprojekt, das dürfe man nie tun. Es habe nicht geschadet, wenn Chorherr einem wohlgesinnt war, meinte der Staatsanwalt und erinnerte an das Sprichwort: "Man beißt nicht, wer einen füttert." Umgekehrt gelte auch: "Man füttert nicht etwas, was einen beißt." Die Angeklagten seien nicht dumm, führte der Staatsanwalt weiter aus und beantragte Schuldsprüche.

"Kein einziger Beweis"

Darauf antworteten ihrerseits die Verteidiger der Angeklagten. Chorherrs Anwalt Richard Soyer bezeichnete den Staatsanwalt als "zu vermutend und unterstellend", es gebe "keine Beweise" für Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit. Soyer verwies darauf, dass Chorherr laut deren Aussage der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sogar von Michael Tojners Projekt am Heumarkt abgeraten habe. Chorherr habe seine "zwei Hüte" gut trennen können, so Soyer.

Darauf verwies auch Karl Liebenwein, Tojners Verteidiger. Das Heumarkt-Projekt sei "das beste Ergebnis" eines Wettbewerbs gewesen; Chorherr habe keine Einflussmöglichkeit gehabt – und die Spenden seien erst nach den Umwidmungen erfolgt.

Der Investmentbanker Wilhelm Hemetsberger sei "ein Sonderfall", sagte dessen Anwalt Michael Rami – die WKStA werfe seinem Mandanten eigentlich gar nichts vor.

Ähnlich ging es bei den Verteidigern anderer Angeklagter weiter: Die WKStA mache "passend, was nicht passt", warf ihr Johann Pauer, Anwalt von Günther Kerbl, vor. Norbert Wess (für Erwin Soravia) stellte klar, dass es "nicht um Glauben und Vermuten" ginge, auch wenn die Staatsanwälte in diesem Prozess viel glaubten und vermuteten. Man müsse "endlich aufhören", hinter Gutem etwas Schlechtes zu vermuten, argumentierte Wess mit Blick auf die Spenden an oder für Chorherrs Verein.

Oliver Scherbaum, der für einen Mitarbeiter Soravias tätig ist, griff die WKStA noch direkter an, diese habe sich "nicht um Beweise bemüht". Es gebe "keinen einzigen Beweis"; entschiede man ohne, käme man zurück zu den Hexenprozessen. Stefan Prochaska, Anwalt von René Benko, stellte sich die Frage, warum man hier sei: Das Beweisverfahren habe ausschließlich Benkos Aussagen gestützt, meinte der Verteidiger.

Nach kurzer Beratungsdauer von rund einer Stunde wurden die Angeklagten dann von ihrem Warten erlöst – und allesamt freigesprochen, unter großer Erleichterung ihrer Angehörigen. "Ich freue mich und gehe jetzt feiern", kommentierte Christoph Chorherr. (fsc, gra, 23.1.2023)